*1847 Ungarn, †1924 Ungarn
Im Jahr 1885 besuchte der österreichische Kaiser →Franz Joseph I., während der k.u.k.-Doppelmonarchie auch König von Ungarn, mit seiner Gattin Elisabeth die National General Exhibition of Budapest. Schon damals besaß der Konditor József Dobos einen ähnlich guten Ruf wie wenige Jahre später der Koch Karl →Gundel. Beide galten – und gelten noch immer – als herausragende Repräsentanten der ungarischen Gastronomie. Deshalb konnte Dobos, der einer alten Konditoren-Dynastie entstammte, seine süßen Kreationen auf der Leistungsschau in einem eigenen Pavillon präsentieren. Dort kostete das kaiserliche Paar eine Torte, die Dobos speziell zur Ausstellung entwickelt hatte.
eins der vielen Budapester Cafés aus der k.u.k.-Monarchie
Eines seiner Ziele war, das Produkt so haltbar zu machen, dass es trotz der noch nicht perfekten Kühltechniken für das wachsende Exportgeschäft geeignet war. Dazu ersetzte er die seinerzeit üblichen, aber leicht verderblichen Füllungen aus Schlagsahne oder Sahnecremes durch eine Mischung aus Kakaobutter, Schokolade und Kuhmilch-Butter. Solche Buttercremes hatte er bereits während seiner Ausbildungsreisen vor allem in Frankreich kennengelernt. Er setzte sie nun aber nicht als dick aufgetragene Füllcreme ein, sondern verteilte sie auf mehrere Etagen. Er rührte eine klassische Biskuit-Masse aus Eigelb, steifem Eischnee, Puderzucker und etwas Mehl an. Diese Masse buk er in sechs nur wenige Millimeter dünnen Scheiben in Tortengröße aus.
Manche Rezepte empfehlen als Biskuit-Variante eine →génoise oder Genueser Masse, bei der das Eiklar nicht separat zu Schnee geschlagen, sondern gemeinsam mit dem Eigelb schaumig gerührt wird. Oder man bevorzugt die etwas saftigere →Wiener Masse, die sich durch die Zugabe von zerlassener Butter unterscheidet.
Für die Buttercreme schlug er zunächst Eier und Zucker schaumig auf, was am einfachsten im →Bain-Marie, dem klassischen Wasserbad gelingt, denn das Ei darf nicht stocken. In zimmerwarme Butter arbeitete er Kakaopulver und Kakaobutter, Vanillezucker sowie geschmolzene Schokolade und schließlich den süßen Eierschaum ein. Mit einer jeweils dünn aufgestrichenen Zwischenschicht dieser Buttercreme stapelte er nun die acht Biskuitböden aufeinander.
Um die Torte gegen Austrocknung zu schützen, bestrich er sie nicht nur von außen mit Creme und streute sie mit gehackten Nüssen ab, sondern bedeckte sie zusätzlich mit einer Karamell-Platte, die er separat in Tortengröße gegossen hatte. Der Kontrast zwischen diesem knackigen Deckel und der zarten Kombination aus Biskuit und Creme ergibt einen besonderen Reiz. Und optisch verleiht der goldgelb glänzende Karamell der Torte einen edlen Charakter, der Franz Joseph und Sisi sicherlich gefallen haben mag.
Immer wieder beliebt sind Legenden, die einer kulinarischen Neuschöpfung ein küchentechnisches Missgeschick zugrunde legen. So wird gelegentlich von einem Lehrling der Konditorei Dobos erzählt, der beim Salzen von Butter versehentlich in den Zuckersack gegriffen habe. Als der Chef den Irrtum bemerkte, habe er aus der Not eine Tugend gemacht, indem er aus der versehentlich gesüßten Butter durch Zugabe von Kakao und Schokolade noch eine brauchbare Creme gezaubert habe. Das Salzen von Butter, z.B. in Frankreich noch heute in Form von →beurre demi-sel beliebt, diente vor der Erfindung des modernen Kühlschranks vor allem der Haltbarmachung.
József Dobos war jedenfalls dermaßen stolz auf seine Kreation, dass er sie, ganz im Unterschied zur sonst üblichen Zurückhaltung, von Anfang an unter seinem eigenen Namen als Dobos Torta vorstellte. Seine eh schon berühmte Konditorei im Zentrum von Budapest kam zeitweise mit der Produktion kaum hinter der Nachfrage her, und die Dank der dünnen Wechselschichten formstabile Torte kam in speziellen Kistchen sogar in den Versandhandel. Biskuit bzw. Genueser Masse, im frühen 18.Jh. als biscuit en pâte génoise aus dem italienischen Genova nach Frankreich gekommen, gehörten schon damals zum Konditorei-Standard. Aber die genaue Kombination der Creme bewahrte Dobos lange als Geheimnis.
Erst 1906 überließ er das Rezept dem ungarischen Koditoren-Verband, allerdings mit der Auflage, dass es nicht mit irgendwelchen Exklusivrechten weiterverkauft werden darf, sondern als Allgemeingut allen Tortenliebhabern zur Verfügung stehen muss. Seitdem wird die Dobos-Torte in jedem ungarischen Café angeboten und zu familiären Festen auch in privaten Küchen zubereitet, allerdings häufig mit diversen Abwandlungen. Bei der Anzahl der Biskuitlagen findet man häufig mehr als sechs. Trotz des veröffentlichten Originalrezeptes wird selbst bei der Schoko-Butter-Creme variiert. Und bei der Ausgarnierung entwickelt so mancher (Hobby-) Konditor eigene Phantasie.
Ein optisch wirksamer, aber vor allem praktischer Trick: Da die harte Karamell-Decke ein Anschneiden der Torte etwas schwierig macht, wird die zuckrige Platte schon vor dem völligen Aushärten in die Kreissegmente zerteilt, die den späteren Tortenstücken entsprechen. Bei einer normalen Tortengröße von 26cm ergibt das 12 oder 16 Dreiecke. Auf die Oberseite der Torte werden Buttercreme-Röschen gespritzt, an die jeweils eines der Karamell-Segmente schräg angelehnt wird. Dadurch entsteht ein hübsches, goldglänzendes Windrad, das dem Tortenmesser genau zeigt, wo es ansetzen muss. Da hat der Gast, der verschämt um aber nur ein ganz kleines Stück! bittet, keine Chance …
Auch über Ungarn hinaus hat die Dobos-Torte Liebhaber gefunden.
Im benachbarten Rumänien liebt man die Dobosh-Torta, bei der die Creme eher eine reine Schokocreme ist, mit der auch die Oberfläche verkleidet wird. Damit erinnert diese Version etwas an den aus Keksen und Kakaocreme aufgebauten →Lukullus.
In den südlichen USA ist der Doberge cake bekannt, der in den 1930er Jahren von der Konditorin Beulah Ledner in New Orleans in Anlehnung an die Dobos-Torte kreiert wurde. Hier kommen allerdings eher puddingähnliche Füllcremes mit Schoko-, Vanille- oder Fruchtgeschmack zwischen die Biskuitschichten, dafür wird die Oberseite mit Buttercreme dekoriert.
Nach dem Originalrezept hergestellt, gilt die Dobos torta inzwischen, wie die Gundel-Palacsinta, das →Székely gulyás oder der omnipräsente Paprika, zum kulinarischen Nationalerbe Ungarns.
Auffällige Ähnlichkeit weist die Prinzregententorte auf, die nur ein Jahr nach der Dobos-Torte, also 1886, in München präsentiert wurde und →Luitpold von Bayern gewidmet war. Aber selbstverständlich ist das purer Zufall …!
Zum Standardangebot vieler deutscher Konditoreien gehört eine ebenfalls aus mehreren dünnen Bikuitlagen aufgebaute Torte, die mit Weincreme gefüllt und mit Bitterschokolade verkleidet wird. Da man früher den Genuss von Alkohol und Bitternis wohl eher mit Männlichkeit verband, heißt die Kreation Herrentorte.