Ulis Culinaria

Luitpold Prinzregent von Bayern

*1821 Würzburg, †1912 München

Die Regierungszeit des Märchenkönigs Ludwig II. von 1864 bis 1886 wird noch heute als Blütezeit der Wittelsbacher-Monarchie in Bayern verklärt. Der bekannteste Kulminationspunkt dieser Verehrung, das unter ihm erbaute Schloss Neuschwanstein, dient einem seltsamen Nostalgie-Tourismus als Wallfahrtsort, an dem sich die Besucher in die gute alte Zeit zurückversetzen.

Nachdem der König sich jedoch zunehmend aus der realen Welt und aus seiner Verantwortung verabschiedet hatte, erklärte man ihn 1886 für regierungsunfähig. Die Regierungsgeschäfte übernahm nun sein Onkel Luitpold, ein Sohn von Ludwig I., als Prinzregent.

Dieses Amt traute man ihm zu, da er von klein auf eine straffe Erziehung zu Pflichtgefühl und militärischer Disziplin erfahren hatte. Während des Deutschen Krieges im Jahr 1866 und des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 hatte er in militärischen und politischen Funktionen die Sache des Königreiches Bayern vor allem gegenüber den ungeliebten Preußen verteidigt. Die Vertretung für Ludwig II. dauerte allerdings nur kurz, denn auf bis heute geheimnisumwitterte Weise kam der König drei Tage nach seiner Entmündigung im Starnberger See ums Leben. Gemäß der Thronfolge fiel die Königswürde an Ludwigs Bruder Otto, der als Otto I. zwar offiziell bis zu seinem Tod 1916 die Krone trug, aber wegen einer angeborenen geistigen Beeinträchtigung ebenfalls eine Amtsvertretung benötigte. Also führte weiterhin Luitpold die Regierungsgeschäfte.

der Vertreter der Könige

Seine Amtszeit, die erst mit seinem Tod 1912 endete, war eher von repräsentativem Auftreten als von aktiven politischen Entscheidungen geprägt. Diese überließ er weitgehend seinen Ministern, was ungewollt die Funktion der Volksvertretung im Sinne einer parlamentarischen Monarchie stärkte. Deshalb wurde – und wird – Luitpold von manchen Historikern indirekt für das Ende der bayerischen Wittelsbacher-Herrschaft verantwortlich gemacht, das mit der Novemberrevolution von 1918 besiegelt wurde. Andererseits war Luitpold, im Gegensatz zum weltentrückten Ludwig II., als bodenständiger Regent beliebt, der sich gerne in Jagdgesellschaften, bei Volksfesten und anderen Gelegenheiten unters Volk mischte. Schon zu seinen Lebzeiten wurden unzählige Straßen, Plätze, Parks, öffentliche Gebäude und andere geografische Orte in Bayern und in der Pfalz, die als linksrheinische Exklave zum Königreich gehörte, nach ihm benannt.

eine Torte für den Landesvater!

Dass Luitpold als begeisterter Jäger gerne Wildgerichte genossen hat, kann angenommen werden. Darüber hinaus sind keine besonderen kulinarischen Vorlieben überliefert. Deshalb zeigt wohl auch die ihm gewidmete Benennung einer Konditorei-Spezialität eher die allgemeine Verehrung, die ihm trotz politischer Kritik zuteil wurde. Für die Urheberschaft sowie für den Zeitpunkt der ersten Prinzregententorte gibt es verschiedene Theorien.

Das hochoffizielle freistaatliche Haus der Bayerischen Geschichte nennt den Konditor Julius Rottenhöfer, der als Haushofmeister schon für die Könige Maximilian II. und Ludwig II. gekocht und gebacken hat. Dass Rottenhöfer (der in anderen Quellen den Vornamen Johann trägt) dem Prinzregenten Luitpold eine Torte geweiht haben soll, erscheint allerdings unwahrscheinlich, denn er verstarb bereits 1872, also lange, bevor Luitpold das Regierungsamt übernahm. In seinem Hauptwerk Neue vollständige theoretisch-praktische Anweisung in der feinern Kochkunst mit besonderer Berücksichtigung der herrschaftlichen und bürgerlichen Küche sind zwar zahlreiche Backrezepte enthalten, aber keines, das der Prinzregententorte ähnelt.

Andere Quellen schreiben die süße Erfindung entweder Heinrich Georg Erbshäuser oder Anton Seidl zu. Beide betrieben in München ihre Konditoreien und dürften wohl auch als Lieferanten des Königshofes gedient haben.

Erbshäuser soll im Jahr 1886, also entweder zum 65. Geburtstag oder zum Amtsantritt von Luitpold, eine Torte aus acht dünnen Biskuitböden kreiert haben, mit denen er die acht Landesteile des Königreiches Bayern symbolisieren wollte. Die Gebäckschichten stapelte er mit ebenso dünnen Aufstrichen von Schokoladen-Buttercreme aufeinander, sodass im Anschnitt unter der Schokoladenglasur, mit der die Torte am Ende überzogen wurde, ein gleichmäßiges Muster aus hellen und dunklen Streifen zum Vorschein kam.

die Prinzgegenten-torte

Zwei Jahre später hat angeblich Seidl den gleichen Aufbau mit einer Etage mehr erfunden, wobei die neun Biskuit-Creme-Schichten für die neun Töchter und Söhne des früheren – und damals längst verstorbenen – Königs Ludwig I. stehen sollten. Und eine schriftliche, von Luitpold höchstpersönlich erteilte Erlaubnis, diese Kreation als Prinzregententorte anzubieten, soll irgendwann abhanden gekommen sein …

Ungern erwähnt man in Bayern, dass die Prinzregententorte auffällig einer Konditorei-Spezialität gleicht, die nur ein Jahr zuvor, nämlich 1885, von dem berühmten ungarischen Zuckerbäcker József Dobos unter der Bezeichnung→Dobos Torta auf einer Messe in Budapest präsentiert worden war. Lediglich in der Anzahl der Biskuitböden und in der Verkleidung mit Karamell statt Kuvertüre unterscheiden sich die beiden Torten. 

Es ist kaum anzunehmen, dass Erbshäuser bzw. Seidl ihren ungarischen Kollegen und seine Neuschöpfung nicht gekannt haben, denn Dobos galt schon damals als einer der besten seines Faches in der k.u.k.-Doppelmonarchie, mit der ja das Königreich Bayern freundschaftlich verbunden war. Und durch die Messe war seine Torte sehr schnell über Ungarn hinaus bekannt geworden.

Aber ähnlich, wie die Dobos-Torte in Ungarn als nationales Kulturerbe verehrt wird, hält man es im Freistaat bis heute mit der Prinzregententorte. Und sollte tatsächlich in einer bayerischen Konditorei die identitätsstiftende Süßigkeit einmal nicht zu finden sein, kann es sich eigentlich nur um a Zug’roastn handeln. Wahrscheinlich a Preiß!