Ulis Culinaria

Isigny-sur-Mer

Der Butter-Öl-Äquator

Fett war schon immer eine der wichtigsten Substanzen der menschlichen Ernährung. Die Unterscheidung in tierische oder pflanzliche Fette lässt sich auch geografisch festmachen.

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In nördlichen Breiten

war seit jeher die Milch von Säugetieren, vor allem des Rindes, aber auch von Schafen und Ziegen, Hauptlieferant. Das Fett konzentriert sich zunächst im Rahm, auf Französisch Crème.

Schon in prähistorischer Zeit haben Menschen wohl auf ihren nomadischen Wanderungen festgestellt, dass sich das Milchfett durch Bewegung in den Transportbeuteln aus Tierhaut von den wässrigen Anteilen trennt, eine eher zufällige Art der Gewinnung von Butter. Eine zweite wichtige Form von tierischem Fett war, auch zur Konservierung von Fleisch, das aus verschiedenen Teilen des Schlachtviehs gewonnene Schmalz.

Weiter im Süden

lieferten eher Pflanzen, allen voran der Olivenbaum, Fett in Form von Öl.

Das hat vor allem klimatische Gründe. Während Milchfette wie Butter oder Rahm in warmen Regionen ohne Kühlung schnell verdarben, ließen sich pflanzliche Öle dort wesentlich leichter aufbewahren, indem man sie z.B. in irdenen Amphoren vor Licht und Luft schützte. Zudem gedeihen ölspendende Pflanzen wie Oliven in sonnigen Gefilden wie dem gesamten Mittelmeerraum nun einmal besser als im kühlen Norden. Die häufigste – und fast einzige – Form von haltbar gemachter Milch war im Süden schon immer der Käse in seiner ganzen Vielfalt.

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Eine wichtige natürliche Abgrenzung stellen die Alpen dar. Noch in den 1970er Jahren klagten deutsche Italienurlauber, die Sonnenstrände an der Adria seien herrlich, aber dieses Olivenöl habe ihnen doch ziemliche Bauchschmerzen und Durchfall beschert. 

Für Frankreich wird von manchen Küchenhistorikern eine solche Butter-Öl-Trennlinie auf Höhe des Ost-West-Laufes der Loire oder nördlich des Massif Central verortet. Fährt man z.B. entlang der Rhône flussabwärts gen Süden, stellt man etwa in der Region von Lyon auch hinsichtlich der Flora deutliche Veränderungen fest.

Beurre d'Isigny + Crème d'Isigny

Obwohl sich durch moderne Kühltechniken eine solch klare Grenze zwischen dem Gebrauch von beurre bzw. huile nicht mehr ziehen lässt, ist sie in unzähligen Küchenrezepten noch heute erkennbar.

Der kleine Ort Isigny im Herzen des normannischen Calvados ist als prominente Repräsentantin des buttrigen Nordens für zwei Molkereiprodukte bekannt, die wegen ihrer außerordentlichen Qualität das →AOP-Siegel tragen dürfen:

Beurre d’Isigny, als demi-sel oder doux, zu etwa 3% gesalzen oder ungesalzen im Angebot, (das Salzen der Butter diente früher vor allem zur Erhöhung der Haltbarkeit, heute ist es eher eine Geschmacksfrage),

und Crème d’Isigny, entweder crème fraîche oder crème double/épaisse

Ein anderer für seine gute Butter berühmter, seit jeher mit Isigny konkurrierender Ort, →Échiré, liegt einige Kilometer südlich der Loire-Mündung in Westfrankreich. Also praktisch schon südlich des Fett-Äquators …

Perdreaux à la mode d'Isigny

Namhafteste Köche unterscheiden sich in ihrer Bevorzugung von Butter und Sahne: Entweder schwören sie auf die aus Isigny oder auf jene aus Échiré.

Paul →Bocuse bekannte sich mit seinem Rebhuhnrezept Perdreaux à la mode d’Isigny klar zur Normandie. Die mit Speckstreifen bardierten und mit Küchengarn zu kleinen Päckchen dressierten jungen Vögel werden auf ein Bett aus säuerlichen Äpfeln gelegt, mit reichlich crème épaisse d’Isigny übergossen und im Ofen gebraten.

Caramels d'Isigny

In Confiserien bekommt man Caramels d’Isigny angeboten, Karamellbonbons, die mit der berühmten beurre salé (gesalzenen Butter) hergestellt werden. Wenn dazu Sahne kommt, entstehen feste Bonbons, die Zugabe von Milch ergibt zarte Bonbons, die auf der Zunge zergehen.

Huître spéciale d'Isigny-Baie des Veys

Isigny liegt an einer tief ins Land einschneidenden Bucht, der Baie des Veys im Südosten der normannischen Halbinsel des Cotentin. Dort wird die Huître spéciale d’Isigny-Baie des Veys gezüchtet. Für diese leicht nussig schmeckende Auster hat die Gemeinde eine →AOP beantragt. Den besonderen Geschmack verdanken die Muscheln der Mischung aus jodhaltigem Meerwasser und dem sedimentreichen Süßwasser, das von zwei Flüsschen in die Austernbänke gespült wird.