Ulis Culinaria

Per Adolf Janzon

*1844 Norrköping, †1889 Stockholm
Portrait 1890
Opernhaus Stockholm

Außerhalb Schwedens war er nur wenigen Opernliebhabern bekannt. Aber vor allem in den letzten 18 Jahren seines recht kurzen Lebens wurde er zum Publikumsliebling am Kungliga Operan, dem Königlichen Opernhaus in Stockholm. Dort brillierte der Bassbariton vor allem in komischen Rollen wie beispielsweise dem dicken Raufbold Falstaff aus der musikalischen Version von Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor. Und liebevoll verniedlichten seine Fans ihren Per zu Pelle.

Die Beliebtheit des Sängers drückt sich auch in der Benennung einer kleinen, aber feinen Mahlzeit aus, die er gerne nach seinen Auftritten am späten Abend genossen haben soll. Der Toast Pelle Janzon besteht aus einer rund ausgestochenen Scheibe Weißbrot, die in Butter leicht angeröstet wurde. Das Brot wird mit zwei, drei hauchdünn geschnittenen Scheibchen von gebratenem Roastbeef bedeckt. Manche Rezepte nehmen stattdessen rohes Rinderfilet, wie es auch für ein →Carpaccio verwendet wird. So oder so: Darauf kommen nun fein gehackte Zwiebeln und/oder Frühlingslauch sowie eine anständige Portion der Rogen-Spezialität löjrom.

Toast Pelle Janzon

Die Bezeichnung setzt sich zusammen aus siklöja, dem schwedischen Namen der Kleinen Maräne (zool. Coregonus albula), und rom für Fischrogen. Das Laichgebiet des zur Lachsfamilie gehörenden Fisches liegt im salzarmen, nördlichsten Zipfel des Bottnischen Meerbusens, der Schweden von Finnland trennt. Die beste Qualität dieses schwedischen Kaviars kommt aus dem Fischereihafen →Kalix und ist nach EU-Recht als Kalix Löjrom namentlich geschützt.

Also an dieser maritimen Delikatesse, die beispielsweise auch bei den alljährlichen Menüs zur Nobelpreisverleihung in Stockholm auf die Festtafel kommt, wird nun nicht unbedingt gespart. In den Rogen wird eine kleine Delle gedrückt, in welche man ein vom Eiweiß getrenntes rohes Eigelb gleiten lässt – ganz vorsichtig, denn der flüssige Dotter soll erst auslaufen, wenn der Genießer den Toast anschneidet! Nach Salz und Peffer wird noch etwas frischer Meerrettich darüber gerieben.

Wer den Snack nach dem Sänger benannt hat und warum, ist unbekannt. Aber immerhin betrieben die Eltern von Pelle Janzon einen Fischhandel in seiner Geburtsstadt, dem Ostseehafen Norrköping. Den kostbaren Löjrom wusste er also sicher zu schätzen.

In der Gastronomie findet man den Toast Pelle Janzon öfters in deutlich – für den Wirt – günstigerer Variante: Scheiben von gekochtem Ei, Kochschinken und knallrot gefärbtem Lachs aus der verschweißten Plastikfolie auf Tütentoastbrot. Wenn man Glück hat, ist letzteres immerhin tatsächlich getoastet …

Obwohl bei dem Kartoffelgericht Janssons Frestelse der Familienname anders geschrieben wird, behaupten manche Feinschmeckker, dass auch dafür Pelle Janzon als Namensgeber gedient habe. Er soll es sogar gerne höchstpersönlich für seine Gäste zubereitet und mit reichlich öl (Bier) und akvavit oder einem anderen snaps serviert haben.

Die schwedische Gastronomie-Akademie schrieb dagegen 1989 in ihrem Gastronomisk Kalender, eine Köchin habe 1928 einen Stummfilm mit dem Titel Janssons frestelse gesehen und danach ihren Kartoffelauflauf eben so benannt.

Janssons Frestelse

Denn um einen solchen handelt es sich bei Janssons Versuchung, wie das Rezept in deutschen Kochbüchern übersetzt wird. Möglichst verwendet man dafür mehlig kochende Kartoffeln, die man entweder in dünne Scheiben schneidet, wozu ein Gemüsehobel hilfreich sein kann, oder in sehr dünne Stiftchen. Ein paar Zwiebeln, je nach Geschmack zwei bis vier auf ein Kilogramm Kartoffeln, werden in Ringe geschnitten. Und, wie bei obigem Toast, kommt auch hier eine typisch skandinavische Fischspezialität ins Spiel. Unter der Bezeichnung ansjovis oder skarpsill findet man im schwedischen Handel Sprotten, also jene Fische der Art Sprattus sprattus, die weiter südlich zu Kieler Sprotten und im Baltikum zu Rigaer Sprotten geräuchert werden.

Hier sind die Sprotten allerdings nicht durch Rauch konserviert, sondern mild gesalzen und in würzigem Sud fermentiert. Man sollte die Ansjovis nicht mit den besonders aus der mediterranen Küche als Anchovis bekannten Sardellenfilets der Art Engraulis encrasicolus verwechseln. Denn diese sind ungleich stärker gesalzen und würden den Kartoffelauflauf daher schnell ungenießbar machen. Manchmal findet man die skandinavische Sprotten-Konserve auch im deutschen Lebensmittelhandel unter der dänischen Bezeichnung appetitsild.

Jedenfalls wird nun eine ausgebutterte feuerfeste Form zunächst mit der Hälfte der rohen Kartoffeln befüllt. Darauf kommen die Zwiebelringe und die Sprottenfilets. Für 1kg Kartoffeln dürfen es schon 30 bis 40 sein. Dabei aber die Konservenflüssigkeit nicht wegschütten! Denn nachdem die zweite Kartoffelportion die Decke gebildet hat, verrührt man etwas von dem Sprottensud mit zwei guten Bechern Schlagsahne und übergießt das Ganze damit. Ordentlich frisch gemahlener Pfeffer gibt der Versuchung Pfiff, mit Salz sollte man wegen der gesalzenen Sprotten aber zurückhaltend sein. Damit der Auflauf nach etwa einer Stunde mit einer schön goldbraun und knusprig gratinierten Oberfläche aus dem Ofen geholt werden kann, sollte man vorher noch eine Handvoll Semmelbrösel und ein paar Butterflöckchen darüber verteilen.

Und ob nun tatsächlich Per Janzon der Namensgeber war oder doch der Stummfilm:

Ein gutes Glas öl und dazu einen kleinen snaps verträgt der deftige Auflauf allemal.

Zumal wenn er, wie in Schweden üblich, zum julbord (Weihnachtsmenü), zum påskmat (Osterfest) oder zu midsommar aufgetischt wird.