Ulis Culinaria

Elisabeth von Thüringen

*1207 Bratislava, †1231 Marburg

Elisen-Lebkuchen

In ganz Mitteleuropa sind seit dem Mittelalter Gewürze beliebt geworden, die über ein Netz von Handelswegen aus dem Orient bzw. aus Asien kamen. An wichtigen Knotenpunkten dieser Gewürzstraßen machten die Händler, hie und da Pfeffersäcke genannt, ihre guten Geschäfte. Die verschiedenen exotischen Gewürze wie Ingwer, Kardamom, Zimt, Piment, Muskat und Muskatblüte (Macis), Gewürznelken, Koriander und weitere wurden im Volksmund gerne unter dem Namen des Pfeffers Piper nigrum zusammengefasst.

Pfefferkuchen

pain d'épices

Deshalb hießen die ersten Gebäcke, bei denen der Bäcker solche Spezereien in den Teig gab, Pfefferbrot oder Pfefferkuchen. Die französischen Kollegen reden bis heute etwas korrekter vom →pain d’épices (Gewürzbrot). Anderswo machte man statt des Pfeffers den Ingwer Zingiber officinale zum Namenspaten: südlich der italienischen Alpen backt man pan di zenzero, in Spanien das pan de jengibre und nördlich des Ärmelkanals holen englische Bäcker ihr gingerbread aus dem Ofen. Anderswo wurde der Honig zur namensgebenden Zutat, in Portugal z.B. genießt man das pão de mel, das Honigbrot. Auch in deutschsprachigen Backstuben redet man vom Honigkuchen.

viele Namen, eine Familie

pain d'épices

Honigkuchen

gingerbread

Überhaupt entwickelte sich daraus bald eine eigene Gebäckfamilie, die sich mehr und mehr vom Brot entfernte. Denn der Anteil des Getreidemehls wurde immer stärker reduziert, statt dessen kamen fein gemahlene Hasel- und Walnüsse sowie Mandeln ins Spiel, und Wasser bzw. Milch wurden durch Honig ersetzt. Weitere Flüssigkeit liefern frische Eier. Hin und wieder wurde der Teig zusätzlich mit Rosinen oder kandierter Zitrus-Fruchtschale, also Orangeat oder Zitronat aufgewertet. Und als Gegenspieler der pikanten Gewürze kam ordentlich Zucker dazu, nachdem er deutlich billiger als Honig geworden war.

Lebkuchen

Im 13.Jh. tauchte erstmals der Begriff Lebkuchen auf. Etymologen sind sich weitgehend einig, dass das Wort Leben hier keine Rolle spielt. Die meisten sehen den sprachlichen Ursprung im lateinischen libum. Damit ist ein Fladen gemeint, wie er entsteht, wenn der zähe Teig bis zum Backen langsam auseinanderläuft. Manche Etymologen leiten auch den deutschen Begriff Laib für das geformte Brot von libum ab.

In einer Nürnberger Urkunde von 1395 wird erstmals der Lebküchner als Berufsstand erwähnt. Die fränkische Stadt lag ebenfalls an einem Kreuzungspunkt von Gewürzstraßen, die ersten Lebkuchen wurden in Klöstern in und um Nürnberg gebacken. Bis auf wenige Unterbrechungen zu Kriegszeiten hat sich die Tradition des Nürnberger Lebkuchens bis heute fortgesetzt. Seit 1996 ist diese Bezeichnung sogar nach EU-Recht als g.g.A. anerkannt.

Und besonders stolz sind die Nürnberger auf das Spitzenprodukt ihrer Kunst, den Elisenlebkuchen.

Für diesen ist ein Mindestanteil von 25% Nüssen vorgeschrieben, das Mehl ist auf ein Minimum beschränkt oder kommt erst garnicht in die Rührschüssel. Sie werden als runder oder rechteckiger Fladen (s.o.: libum!) auf einer Oblatenunterlage gebacken und entweder natur, mit Kuvertüre schokoliert oder mit einer weißen Zuckerglasur angeboten.

Nach Ansicht mancher Lebküchner hat ein Kollege im 19.Jh. die feinen Lebkuchen nach seiner Tochter Elisabeth benannt, die tragisch bereits mit 17 Jahren gestorben war. Die meisten gehen aber davon aus, dass sich die Bezeichnung auf Elisabeth von Thüringen bezieht, die neben →Honoré d’Amiens und einigen anderen als Schutzpatronin des Brotes bzw. der Bäckerzunft gilt.

Elisen-Lebkuchen

Die ungarische Königstochter aus dem Adelsgeschlecht der Ludowinger war schon als Säugling zur Ehefrau des späteren thüringischen Landgrafen Ludwig IV. bestimmt worden und wurde im Alter von vier Jahren an dessen Hof gebracht, um frühzeitig die dortigen Sitten kennenzulernen. Obwohl die Familien mit der 1221 geschlossenen Ehe vor allem machtpolitische Ziele verfolgten, berichten Quellen von einer durchaus glücklichen, liebevollen Beziehung zu dem 7 Jahre älteren Ludwig. Lediglich an den höfischen Prunk wollte sich Elisabeth nicht anpassen. Sie wandte sich mehr und mehr einem auf den Lehren des Franz von Assisi und anderen beruhenden Armutsgedanken zu, was sie am thüringischen Hof bald zur Außenseiterin werden ließ.

Besonders ihr persönlicher Einsatz für Opfer von Hungersnöten und Epidemien stieß bei den adligen Zeitgenossen auf Unverständnis. Sie verschenkte ihre kostbaren Kleider und arbeitete tatkräftig in der Krankenpflege eines Hospitals, das auf ihr eigenes Betreiben bei der Eisenacher Wartburg entstanden war, beides grobe Verstöße gegen höfische Gepflogenheiten. Im extrem strengen Winter 1225/26 ließ sie die Getreidevorräte des thüringischen Hofes an die hungernde Bevölkerung verteilen. Entgegen der allgemeinen Ablehnung unterstützte Ludwig das karitative Engagement seiner Gattin.

Als er allerdings zwei Jahre später bei der Teilnahme an einem Kreuzzug ums Leben kam, begann unter den thüringischen Adligen das Geschachere um den immer noch ansehnlichen Besitz von Elisabeth. Wegen ihres Armuts- und Keuschheitsgelöbnisses, das sie gegenüber Ludwig vor dessen Abreise abgelegt hatte, lehnte sie alle Unterhaltsangebote ab und verließ mit ihren drei Kindern den Wohnsitz der thüringischen Grafen in Marburg. Sie steigerte sich zunehmend in ihren religiösen Wahn und brach sämtliche Beziehungen selbst zu ihrer ungarischen Familie und schließlich sogar zu den eigenen Kindern ab. Ihren kargen Lebensunterhalt bestritt sie mit Almosen und durch Arbeiten, die alles andere als standesgemäß galten.

Immerhin nahm Papst Gregor IX. Elisabeth unter seinen persönlichen Schutz, konnte ihre soziale Isolation aber nicht verhindern. Nachdem sie 1231, selbst vom Hunger entkräftet, nach einer kurzen Krankheit gestorben war, sollen sich an ihrem Grab wunderbare Spontanheilungen ereignet haben. Solche Berichte sowie ihr persönlicher Einsatz gegen Hungersnöte führten dazu, dass Elisabeth bereits vier Jahre nach ihrem Tod offiziell heiliggesprochen wurde. Da immer wieder bei ihren Wohltaten das Getreide zum Backen des täglichen Brotes eine zentrale Rolle spielte, wurde sie in die Riege der Schutzheiligen des Bäckerhandwerks aufgenommen. Bildende Künstler stellten sie gerne mit den Feldfrüchten dar, die sie an die Armen verteilt hatte, und häufig drückten sie ihr einen Brotlaib in die Hand.

Kirchenfenster in Kleinostheim

Wer auch immer nun den feinen Nürnberger Elisenlebkuchen nach ihr benannt hat, ist im Grunde nebensächlich.

In der Reichhaltigkeit der Zutaten stellt er vielleicht einen Verstoß gegen das Armutsgebot der Namensgeberin dar. Aber die Nahrhaftigkeit der Nüsse, des Honigs und des Zuckers hätte sicher so manchem armen Menschen des 13.Jhs. schnell wieder auf die Beine helfen können. Zumindest machte eben dieser Nährwert Lebkuchen zum beliebten Fleischersatz während der Fastenzeit.

das Rosenwunder

Das Brot spielt auch eine wesentliche Rolle beim sog. Rosenwunder, das Elisabeths Funktion als Schutzheilige des Bäckerhandwerks mitbegründet hat:

Wieder einmal war Elisabeth auf dem Weg zu den Armen, die Schürze gut gefüllt mit Broten. Ihre Schwiegermutter, der die Wohltätigkeit Elisabeths eh ein Dorn im Auge war, forderte sie auf, ihr zu zeigen, was sie da in ihrer Schürze habe. Elisabeth redete sich mit der Notlüge heraus, unter dem Tuch befänden sich lediglich Rosenblüten. Da die Schwiegermutter ihr das nicht abnahm, öffnete sie widerwillig die Schürze, und – siehe da! – es sind tatsächlich nur duftende Rosen darin zu sehen.

Das Wunder wurde wohl ursprünglich einer Namensvetterin, nämlich Elisabeth von Portugal, zugeschrieben. Aber wegen des caritativen Tuns schien es auch gut zum frommen Leben der Elisabeth von Thüringen zu passen.

Vielleicht handelte es sich ja bei den Broten auch um Pfefferbrote, die, orientalischen Würzgewohnheiten folgend, mit →Rosenwasser aromatisiert waren …?