Ulis Culinaria

Montélimar

In Deutschland ist es als türkischer Honig bekannt, in Italien als torrone (→Cremona), in Spanien heißt es turrón (→Jijona), und in Frankreich nennt man es nougat.

Als französische Hauptstadt dieser Süßigkeit aus Eischnee, Zuckersirup und Honig, gemahlenen und ganzen Mandeln, Pistazien und manchmal kandierten Früchten gilt Montélimar, das Tor zur Provence, da, wo das Rhônetal sich zum Mittelmeer hin öffnet. Denn das

Nougat de Montélimar

gilt in Frankreich als Inbegriff für das Produkt schlechthin.

Nougat de Montélimar

Die Grundrezeptur ist antiken Ursprungs und wahrscheinlich im Mittelalter mit den ersten Mandelbäumen aus dem Nahen Osten nach Europa eingewandert. Seit jeher wird in der iranischen Region Isfahan aus den gleichen Zutaten gaz zubereitet, das spanische turrón kam mit der maurischen Eroberung auf die iberische Halbinsel. In die Provence kam das Nougat wohl über den Hafen von Marseille, das kulturelle Einfallstor Südeuropas.

Aus den gleichen Grundzutaten entstand die europäische

Marzipan-Tradition.

Wenn das Nougat de Montélimar den französischen Namensschutz der →AOC genießen will, muss es besondere Anforderungen erfüllen. Der Honig, der mit einem Anteil von mindestens 20% und bis zu 60% unter den Eischnee gemengt wird, muss von Lavendelblüten stammen. Das Mengenverhältnis bestimmt hierbei die Konsistenz: tendre ist die zarte, weiche Variante, als dur wird das feste Nougat bezeichnet und eine knackige Bonbonversion nennt sich croquant. Nach Eischnee und Honig kommt langsam die Zuckerlösung in den Kupferkessel und am Schluss die knackigen Kerne.

Die Mandeln werden geröstet und machen mindestens 28% der Masse aus, mit 2% sind die Pistazien beteiligt. Als bestimmende Aromazutat dient echte Bourbon-Vanille. Weitere Geschmacksvarianten sowie unterschiedliche Einfärbungen der eigentlich weißen Nougatmasse sind möglich. 

Bei nicht AOC-geschützten Produkten werden der Lavendelhonig durch andere Sorten und die Mandeln durch Hasel- oder Erdnüsse ersetzt. Die noch heiße und dickflüsse Nougatmasse wird auf große Bahnen aus Azyma gegossen, dem aus Weizenmehl hergestellten sog. Esspapier, aus dem auch Oblaten oder Hostien bestehen. Eine zweite Bahn Azyma kommt obendrauf, und nach dem Erkalten werden für den Handel verschieden große Stücke daraus geschnitten und hübsch verpackt. Meist in transparente Folie, damit niemand die Katze im Sack kaufen muss.

Nougat, hell und dunkel, gehört auch zu den treize desserts, den 13 süßen Nachspeisen, die den Abschluss des gros souper, des traditionellen provençalischen Weihnachtsessens bilden (→Aigues-Mortes).

Im →Palais des Bonbons et du Nougat kann man sich anschaulich mit Geschichte und Herstellung der Süßigkeit befassen und den Größten Nougat der Welt bestaunen. Le plus gros Nougat du Monde ist ein Würfel von 1m Kantenlänge und wiegt 1,3t.

... ça nous gâte!

Manche Montiliens, wie sich die Bewohner der Stadt nennen, führen den Begriff nougat – eher scherzhaft ‒ auf das französische Wort gâter für verwöhnen (im Sinne von genussvoll verderben) zurück: ça nous gâte, das Zeug macht uns fertig!

Ernsthafte Sprachwissenschaftler sehen den Ursprung im lateinischen nux gatum, womit noch in Schriften aus dem 16.Jh. gâteau de noix, auf Deutsch Nusskuchen bezeichnet wurde.