Die mittelalterliche Stadt im Languedoc (heute Region Occitanie) hat sich im Streit mit ihren Nachbarinnnen →Carcassonne und →Toulouse um die Urheberschaft des cassoulet genannten Bohnen-Eintopfes durchgesetzt. Während des Hundertjährigen Krieges im 14./15.Jh. hungerten die Bürger der Stadt unter englischer Belagerung. Eine Erzählung berichtet, man habe aus Verzweiflung die letzten vorhandenen Nahrungsmittel, im Wesentlichen Saubohnen und etwas im eigenen Fett eingelegtes Fleisch, zusammengekratzt und daraus einen großen Eintopf bereitet. Hiermit habe man die städtischen Soldaten immerhin so gekräftigt, dass sie die Engländer vertreiben und die Stadt retten konnten.
Die Legende ist allerdings historisch widerlegt: Tatsächlich brannten die Engländer 1355 große Teile der Stadt nieder.
Und Eintopfgerichte, bei denen sich Bohnen und anderes Gemüse mit Fleisch von diversen Nutztieren vereinen, sind seit dem Altertum bekannt. Doch hat man so dem Cassoulet den Status eines nationalen Mythos verliehen, der für die verletzte Seele der Franzosen wohltuende Wirkung ausübt.
Bei Castelnaudary, am Scheitelabschnitt des Canal du Midi, hat man den Kanal zu einem kleinen See verbreitert, der als innerstädtischer Hafen dient.
Auf jeden Fall wird das Gericht im Rest Frankreichs meistens als Cassoulet de Castelnaudary bezeichnet. Dass die Stadt Synonymbedeutung für das Gericht hat, zeigt sich schon daran, dass die überall für ein Cassoulet bevorzugten Lingot-Bohnen auch als haricots (secs) de Castelnaudary angeboten werden. Auch die verschiedenen Fertiggericht-Versionen, ob mit Gans oder Ente, im Glas oder in der Dose, werden praktisch immer mit dem Namen Castelnaudary verkauft. Und sind in der Regel tatsächlich deutlich besser, als man das sonst von Konserven erwartet.
Aber: Der appetitmachende Duft eines im eigenen Ofen schmorenden Cassoulets ist natürlich unersetzbar!
Den Führungsanspruch der Stadt vertritt die →Grande Confrérie du Cassoulet de Castelnaudary.
Jährlich veranstaltet die honorige Gesellschaft ein Fest, bei dem sich Spitzenköche in der Zubereitung des Cassoulet messen. An der Académie universelle du cassoulet werden sämtliche Geheimnisse und Spielarten des Gerichtes vermittelt.
Z.B. die uralte Frage, wie oft während der Garzeit die im Ofen entstehende Kruste auf dem Cassoulet aufgebrochen werden muss, um Dampf abzulassen oder eventuell Flüssigkeit nachzugießen, wird hier akademisch diskutiert …
Es handelt sich um einen Eintopf aus weißen Lingot-Bohnen (ursprünglich, vor der Ankunft der Bohnen aus Südamerika im 16.Jh., nahm man die etwas rustikaleren fèves, Acker- oder Saubohnen), confit d’oie/de canard (im eigenen Fett eingelegtes Gänse-/Entenfleisch), Kochwurst und Bauchspeck. Das alles kommt mit etwas Geflügelbrühe in der cassole in den Ofen, bis eine leicht gebräunte Kruste entsteht. Kein Gericht für den kleinen Hunger! Der namengebende Begriff cassole für das Kochgefäß wird abgeleitet von dem okzitanischen Wort cassolo. Und dies wurzelt im lateinischen catinum (bzw. dem griechischen kyathion) für eine tiefe irdene Schale, wie sie bis heute für das geschichtsträchtige Rezept verwendet wird.
Im Umland von Castelnaudary hat sich, begünstigt durch reiche Lehmvorkommen, seit Urzeiten das Töpfereihandwerk etabliert. Vor allem das Dörfchen Issel im Norden der Stadt ist für die Herstellung von cassoles berühmt. Dort werden sie nach wie vor von Hand auf der Töpferscheibe gedreht, auf der Innenseite glasiert und in großen Öfen gebrannt, die über viele Generationen hinweg ihren Dienst getan haben.
Die Konzentration der Cassoulet-Diskussion auf die drei Städte lässt fast vergessen, dass der Bohneneintopf im gesamten Sud-Ouest zur Volksküche gehört. In vielen Orten und Gegenden werden jeweils eigene Varianten zubereitet. Weiter südlich z.B., in den höheren Regionen der Pyrenäen wie der Ariège, bereitet man das Gericht als cassoulet montagnard zu, im okzitanischen Dialekt mongetada oder mounjetado.
Von 1906 bis 1913 war Armand Fallières Präsident Frankreichs. Er stammte aus dem Sud-Ouest, und seit seiner Amtszeit gehört das Cassoulet zum festen Repertoire der Küche im Pariser Élysée-Palast.