Ulis Culinaria

Sebastian Kneipp

*1821 Stephansried, †1897 Wörishofen

1929 begann man in der norwegischen Hauptstadt Oslo, Gesundheit und Lernfähigkeit der Kinder und Jugendlichen durch eine allgemeine, d.h. vom elterlichen Einkommen unabhängige Schulspeisung zu fördern. Bereits vor Unterrichtsbeginn gab es das als Oslofrokosten, englisch-international als Oslo-breakfast in die Ernährungswissenschaft eingegangene Frühstück. Es bestand aus zwei Scheiben Brot, Obst (Apfel und Orange), rohem Wurzelgemüse (meist Karotten), Käse, Milch und einer Ration Lebertran.

In den ersten Jahrzehnten des 20.Jhs. herrschte in Teilen der städtischen Bevölkerung (nicht nur in Norwegen) wirtschaftliche Not. Da hatte das nahrhafte Frühstück nicht nur nachweislich positive Auswirkungen auf die gesundheitliche Entwicklung vor allem der Grundschul-Kinder. Durch die kostenlose Verteilung an alle verhinderte es auch die Diskriminierung von Kindern aus ärmeren Familien. Die Idee eines solchen Schulfrühstücks wurde weltweit in zahlreichen Ländern übernommen. Mit wachsendem Wohlstand nach dem 2.Weltkrieg wurde der Brauch leider fast überall nach und nach fallengelassen.

Aber das Brot zum Oslo-Frühstück, aus Weizen-Vollkornmehl gebacken, ist in Norwegen noch heute unter dem Namen Kneippbrød bekannt. Namensgeber ist der deutsche Priester und Naturheilkunde-Protagonist Sebastian Kneipp, nach dem auch die berühmten Wasser-Tretkuren benannt sind. Er propagierte ‒ auch gegen heftige Anfeindungen der sog. Schulmedizin ‒ eine ganzheitliche Lehre, der zufolge körperliche und geistige Gesundheit auf natürlicher Lebensweise beruhen. Dabei spielen 5 Säulen eine entscheidende Rolle: Neben der Kraft des Wassers soll der Mensch die Kräfte der Pflanzen, den positiven Effekt von ausreichender Bewegung und eine ausgewogene Ernährung für sich nutzen und dabei – als fünfte Säule – eine gute innere Balance erreichen.

1881 wurde Kneipp an das Kloster Wörishofen berufen, wo er nach und nach einen Kurbetrieb nach der 5-Säulen-Lehre initiierte. Das bayrische Städtchen Wörishofen erhielt den Namenszusatz Bad zwar erst 1920, also fast ein Viertel-Jahrhundert nach Kneipps Tod, hat aber das Prädikat zweifelsohne auch seiner Tätigkeit zu verdanken.

Auch der norwegische Verleger Søren Mittet hatte dort Heilung gesucht und das Brotrezept mit in seine Heimat gebracht. Diverse Quellen berichten, der Osloer Familienbetrieb Baker Hansen habe 1895 die Lizenz zur Verwendung des Namens Kneipp für das Brot erhalten, das sich bald großer Beliebtheit erfreute und von Bäckereien in ganz Norwegen kopiert wurde.

Das Kneippbrød gehört bis heute zu den beliebtesten Brotsorten in Norwegen und geht offiziellen Statistiken zufolge jährlich rund 60 Millionen Mal ‒ bei weniger als 5,4 Mio. Einwohnern! ‒ über die Ladentheke. Da spielt es auch keine Rolle, dass in den Veröffentlichungen der zahlreichen deutschen Kneipp-Vereine und -Gesellschaften zwar auf die Vorzüge von Vollkornprodukten im Rahmen der von Sebastian Kneipp propagierten ganzheitlichen Lebensweise hingewiesen wird, aber nur selten von einem speziellen Kneippbrot die Rede ist. Und nach deutschen Bäckereien, die das Kneippbrot anbieten, muss man lange suchen.

Kneippbrød

Ein ähnliches Ernährungskonzept wie das Kneipp’sche liegt der Brot-Idee von Sylvester →Graham zugrunde. Auch mit dem Namensgeber des →Bircher-Müeslis verbindet Kneipp so mancher philosophische Leitgedanke.