Den größten Anteil am internationalen kulinarischen Renommée der 1800-Einwohner-Gemeinde 30km östlich von Bordeaux haben zweifellos die Weine, die hier produziert werden. Château Angélus oder Château Cheval Blanc sind nur zwei von 18 domaines, deren Weine, komponiert aus Trauben von Merlot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon, unter der →AOC Saint-Émilion Grand Cru die Herzen der Weinliebhaber höher schlagen lassen.
Einen geschmacklichen Kontrast zu den körperreichen, trocken ausgebauten Rotweinen bieten die
Macarons de Saint-Émilion.
Die hiesige Variante des französischen Nationalgebäcks, der →macarons, kann sich auf eine lange Tradition berufen.
Als Geburtsjahr der Macarons aus Saint-Émilion wird das Jahr 1620 genannt. Die Nonnen eines Ursulinenklosters sollen die Mandelmakronen als Erste gebacken haben. Nach der Schließung des Klosters soll das streng geheimgehaltene Rezept an eine Familie weitergegeben worden sein, in der es von Generation zu Generation tradiert wurde.
Auch wenn es heute mehrere – meist immer noch familiengeführte – Betriebe gibt, die das geheime Vermächtnis der Ursulinen für sich beanspruchen, gilt doch eine gemeinsame Regel: Außer gemahlenen Mandeln, Zucker und teils zu Schnee geschlagenem Ei kommt nichts an die Masse für die Makrönchen.
Im Unterscheid zu den bekannten →macarons parisiens und anderen werden die amendes douces et amères, die Süß- und Bittermandeln, vor dem Mahlen heiß überbrüht und mehrere Stunden eingeweicht, um das anschließende Entfernen des braunen Häutchens von den elfenbeinfarbenen Kernen zu erleichtern.
Das Schälen der Mandeln ist Handarbeit, bei der auch die letzte kleine Unreinheit bei diesem wichtigsten Rohmaterial ausgelesen werden kann.
Das Vermahlen der noch nassen Mandelkerne mit Zucker und Eigelb zu einer homogenen Masse bewirkt, dass die Macarons nach dem Backen zwar die typisch rissige, knusprige und zart gebräunte Oberfläche zeigen, im Inneren aber cremig feucht bleiben. Und das in der Ofenhitze verdampfende Wasser lässt zusammen mit dem zu Schnee geschlagenen Eiweiß die Makronen schön luftig aufgehen.
In der Kochliteratur – ob gedruckt oder digital im Internet – findet man unzählige Rezepte für die Macarons aus Saint-Émilion. Die meisten AutorInnen verweisen darauf, dass auch sie das geheime Urrezept der Ursulinen-Schwestern natürlich nicht kennen. Aber da werden allerlei phantasievolle Verbesserungen des Mandel-Zucker-Eier-Dreiklangs vorgeschlagen, die von den Produzenten in Saint-Émilion mit Sicherheit als Verfälschung zurückgewiesen würden. Obwohl sich diese zum absoluten Verzicht auf jegliche Farb- und Konservierungsstoffe verpflichtet haben, wird von manchen RezeptautorInnen die Zugabe von Honig, von Süßwein, von →Bitterorangen-Öl, Zimt und anderen Aromen und weitere vermeintliche Verfeinerungen empfohlen.
Dabei liegt das eigentliche Geheimnis der Macarons de Saint-Émilion wahrscheinlich schlicht in höchster Sorgfalt bei der Auswahl und Verarbeitung der wenigen Grundzutaten …!
Und: Am Besten schmecken sie direkt nach dem Backen, wenn sie innen drin noch köstlich zart und weich sind. Aber selbst wenn sie nach ein paar Tagen schon etwas angetrocknet sind, kann man sie noch genüsslich in einen guten heißen Kaffee tunken …