Ulis Culinaria

Lautrec

Unter den inzwischen zahlreichen Varietäten der geruchs- und geschmacksintensiven Knolle des Allium sativum hat sich der

Ail rose de Lautrec

eine gewisse Sonderstellung erworben. Schon äußerlich auffällig durch die namensgebende rötliche Färbung der oberen Hautschichten zeichnet sich dieser Knoblauch durch hervorragende Lagerfähigkeit aus. Das liegt vor allem an den Pflanz- und Erntezeiten: Erst im Dezember/Januar ausgebracht, wird er zwischen Mitte Juni und Mitte Juli geerntet. Zu Strängen gebunden, regionalsprachlich →manouilles genannt, wird er zum Trocknen der äußersten Schicht aufgehängt und hält sich so bis weit ins nächste Jahr hinein. Der arttypische Knoblauchgeschmack wird beim ail rose de Lautrec durch ein feines süßliches Aroma zu etwas Besonderem.

Ail rose de Lautrec

Eine Legende erzählt, dass sich ein fahrender Händler in Lautrec, im Herzen des französischen Départements Tarn (Region Occitanie) gelegen, in einem Gasthaus gestärkt habe. Da er kein Geld besaß, habe er den Wirt mit einer Handvoll seltsam rötlicher Knoblauchzehen ausbezahlt. Das anschließende Pflanzen des Ersatzgeldes habe somit die Tradition des rosa Knoblauchs in Lautrec begründet.

Das →Syndicat de Défense du Label Rouge et de l’IGP Ail Rose de Lautrec wacht über die Verpflichtungen, die mit der Verleihung zweier Auszeichnungen verbunden sind: 1966 wurde der rosa Knolle das →Label Rouge verliehen, eine Ehrung, mit der seit 1965 in Frankreich außergewöhnliche Qualität gewürdigt wird, die in der industrialisierten Landwirtschaft nicht erreicht werden kann. Somit war der Lautrec-Knoblauch, nach dem Poulet Jaune des Landes  und einem inzwischen vom Markt verschwundenen Produkt, das dritte Erzeugnis, das mit der damals neuen Auszeichnung geehrt wurde. 1996 kam das EU-Siegel einer →IGP hinzu. Dem Syndikat gehören rund 150 kleinere Knoblauchproduzenten an.

Alljährlich Anfang August feiert man in Lautrec das besondere Gewächs auf vielfältige Weise: Kochwettbewerbe, hektoliterweise Knoblauchsuppe für die Festbesucher und das Wett-Knüpfen der längsten manouille. Der aktuelle Rekord wurde 2019 mit 24,15m aufgestellt! Die Fête de l’Ail Rose de Lautrec ist ein Höhepunkt im regionalen Kalender.

Seit der Knoblauch bereits in der Antike (wahrscheinlich aus Zentralasien kommend) in europäischen Gärten Einzug gehalten hat, ist er unverzichtbare Zutat in den meisten europäischen Küchen geworden, vor allem in südlichen Breiten. Von Anfang an erkannte man auch seine medizinischen Kräfte. Durch den botanischen Namen allium wird er bei den Lauchgewächsen eingeordnet wie die Zwiebel (Allium cepa, →Cannara) oder die Schalotte (Allium ascalonicum, →Aschkelon). Ail (frz.), aglio (it.), ajo (span.) oder alho (port.) sind aktuelle romanischsprachige Formen des lateinischen Wortes. Der zweite Namensteil sativum bedeutet kultiviert oder angebaut und verweist auf die systematische Nutzung des aromatischen und gesunden Gewächses durch den Menschen. Der deutsche Wortanfang Knob- sowie umgangssprachliche Formen wie Knobi oder Knofi/Knofel und ähnliches werden vom althochdeutschen klioban für spalten abgeleitet, was sich auf die Teilung der Knolle in mehrere Zehen bezieht.

K n o b l a u c h

Für das intensive Aroma des Knoblauch ist die Substanz Allicin verantwortlich, vor allem die in ihr enthaltenen Schwefelverbindungen. Wegen des mit dem Atem wieder abgegebenen Geruchs wird er von manchen Zeitgenossen gemieden. Auf Knoblauch als Speisewürze zu verzichten, heißt allerdings, abgesehen von den gesundheitlichen Vorzügen, auch so manchen kulinarischen Genuss zu verpassen.

Geschmack vs. Geruch – Geschmacksache!