Ulis Culinaria

Cadours

Was wäre die mediterrane Küche, ob nördlich, östlich oder südlich des Mittelmeeres, ohne dieses so unscheinbare, aber so ausdrucksstarke Zwiebelgewächs, den →Allium sativum! Bei allen kulinarischen Unterschieden der einzelnen Regionen und Länder stellt der Knoblauch – neben dem ebenfalls allgegenwärtigen Olivenöl – ein verbindendes Element dar.

Ail violet de Cadours

Doch der Eindruck, da müssten doch ums Mittelmeer Unmengen an Knoblauch angebaut werden, täuscht. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) betrug die jährliche Knoblauchernte 2021 weltweit etwas mehr als 28 Millionen Tonnen, davon allein in China über 70%. Die Spanier, mit Abstand die größten Knoblauchproduzenten in der EU, kommen gerade mal auf 1 (ein!) Prozent. Ähnlich rangieren, südlich des Mittelmeers, Ägypten und Algerien. Und Frankreich (Deutschland lohnt hier keine Erwähnung!) lässt sich mit rund 20.000t nur noch im Promillebereich messen.

Aber immerhin haben 5 französische aulx (anders als beim deutschen Knoblauch gibt es für den ail eine Pluralform!) als Anerkennung ihrer Qualität das EU-Siegel einer →IGP errungen, darunter der rosafarbene aus →Lautrec und der geräucherte aus →Arleux.

Foto: Syndicat de l'Ail Violet de Cadours

Und hier, auf halbem Weg zwischen Atlantik und Mittelmeer, in der Occitanie rund 30km nordwestlich von Toulouse, wächst ein so besonderer Knoblauch heran, dass er seit 2017 sogar unter der →AOP

Ail Violet de Cadours

vermarktet werden darf.

80 Knoblauch-Pflanzer und 6 regionale Lebensmittelhändler bilden das in den 1960ern gegründete →Syndicat de l’Ail Violet de Cadours, das über die Einhaltung der mit dem Namensschutz verbundenen Auflagen hinsichtlich des ökologischen Anbaus und der Vermarktung der jährlich rund 350t des ail violet wacht.

petit vocabulaire de l'ail

In den meisten französischen Kochbüchern wird die ganze Knolle des Knoblauchs als tête (Kopf) oder bulbe (Blumenzwiebel) bezeichnet, die einzelne Zehe als gousse. Aber im Handel oder im Verkaufsgespräch am Marktstand begegnen einem noch allerlei weitere Begriffe. Regionale Ausdrücke kommen noch (erschwerend) hinzu …

Das Besondere am Knoblauch aus Cadours ist nicht einmal so sehr das im Namen erwähnte kräftige Violett, in welchem sich die tunique (frz. für Tunika/röm. Gewand) präsentiert. Die allermeisten Knoblauch-Sorten weisen auf ihrer Außenhaut mehr oder weniger diesen Farbschlag auf, hier ist er nur ungewöhnlich ausgeprägt. 

Die Knoblauchkultur ist in der Region um Cadours seit der Mitte des 18.Jhs. verbürgt. In dieser Zeit haben die Landwirte durch gezielte Auslese zwei frühreife Sorten (variétés précoces) entwickelt, Germidour und Valdour genannt. Als frühester französischer Knoblauch kommt der Ail Violet de Cadours bereits im Juli auf den Markt.

Die 45-60mm großen têtes oder bulbes, die Knollen, enthalten relativ wenige, dafür aber dicke bulbilles oder gousses (Zehen; botanisch: caïeux, Brutzwiebeln)), die sich äußerlich durch starke Wölbungen abzeichnen. Nach einer Trockenzeit unter offenen Dächern werden die meisten Knollen mit den an der Spitze herausgewachsenen Stängeln zu tresses, zu Zöpfen geflochten. Etwa 9 bis 10 Knollen bringen 500g auf die Waage, größere tresses gibt es mit 1 bzw. 2kg.

tête

gousse

caïeu

bulbe

bulbille

manouille

tresse

bouquet

gerbe

In den gleichen Gewichtseinheiten gibt es auch bouquets (Sträuße) oder paquets, für die die Halme nicht geflochten, sondern zusammengebunden werden.

Die verschiedenen, tresse, bouquet , gerbe, oder manouille genannten Formen, zu denen der Knoblauch zusammengefügt wird, findet man überall, wo er in größerem Umfang angebaut und vermarktet wird. Denn das sieht nicht nur hübsch aus und wird gerne als kulinarisches Reiseandenken mitgenommen. Die feste Verbindung verhindert vor allem, dass die bulbes beim Hantieren und beim Transport aneinanderstoßen, was die Haltbarkeit der einzelnen gousses deutlich verringern würde.

Bei den voluminösen, deutlich herausragenden Zehen des hiesigen Knoblauchs ist die Verletzungsgefahr besonders groß. Deshalb ist die Vermarktung en vrac, also lose in Säcken oder Steigen, ausdrücklich verboten.

Als essbarer und wohlduftender Wandschmuck hält sich ein solches Gebinde bei Küchentemperatur über Monate. Aber meistens landet der Knoblauch eh vorher im Kochtopf, in der Pfanne oder am Salat.

kulinarischer Alleskönner

Kulinarisch interessant ist das besonders intensive knoblauchtypische Aroma, das mit einer in die Nase steigenden Schärfe gepaart ist. Diese Wucht – und das kräftige Violett – erhalten die Knollen auf den nach Süden, zur Sonne hin ausgerichteten Hängen mit mineralreichem, wasserspeicherndem Schiefergestein. Das Vortrocknen der Knollen, bevor sie zu Zöpfen geflochten werden, wird vom Autan blanc unterstützt, dem oft scharfen, aber meist trockenen Wind, der aus Süd-Ost durchs Pays de Cadours weht.

Cassoulet

Seine Geschmacksintensität macht den Ail Violet zum Alleskönner in der Küche, Zu geschmortem Fleisch werden oft die ganzen, ungeschälten Zehen (en chemise, wörtl. im Hemd) gegeben, die dann butterweich gegart aus der tunique gedrückt werden können. Die Schärfe des rohen Knoblauchs, z.B. an Salaten, kann, ähnlich wie bei Radieschen oder Rettich, durch vorheriges Salzen oder durch kurzes Blanchieren in Milch etwas abgemildert werden.

Auf der oben verlinkten Seite des Syndicat findest du ein paar schöne recettes. Ein Rezept für →Cassoulet, diesen überall im Pyrenäenvorland beliebten Eintopf, ist zwar nicht dabei, aber auch dort gibt der Ail Violet de Cadours mit Sicherheit eine gute Figur ab!