Eines der ältesten Süßungsmittel ist der Bienenhonig. Und schon in der ägyptischen und in der griechisch-römischen Antike mengte man dieses natürliche Lebensmittel auch gemahlenem Getreide bei, um daraus süßes Gebäck herzustellen. Im Lateinischen heißt der Honig mel, für panis mellitus bestrichen die alten Römer ihre Fladenbrote mit Honig, der beim Backen kräftig braun karamellisierte. Solche Backwaren nennen wir bis heute Honigkuchen oder Honigbrot. Und wenn dem Teig zusätzlich Gewürze wie Pfeffer und andere beigegeben werden, backt man Pfefferkuchen und Gewürzbrot.
Franzosen genießen pain d’épices (→Reims), beim englischen gingerbread wird der Ingwer statt des Pfeffers zum Namensgeber. Im deutschsprachigen Bäckerhandwerk werden alle Varianten dieser Gebäckfamilie als Lebkuchen zusammengefasst. Über die Etymologie dieses Wortes gibt es keine Einmütigkeit, aber es stecken sehr wahrscheinlich die miteinander verwandten Begriffe Labe und Leben darin. Auch eine sprachliche Beziehung zum Laib als Brotform oder zum lateinischen Wort libum für Fladen ist denkbar. Wegen des Honigs ist Lebkuchen durchaus ein nahrhaftes, labendes Lebensmittel, weshalb er in christlichen Haushalten und in Klöstern als Fastenspeise beliebt war.
Ab dem 17./18.Jh. wurde der Honig zunehmend durch Zucker ersetzt, der zunächst als Rohrzucker aus der Neuen Welt kam. Später wurde durch neue Züchtungen und verbesserte Extraktionsverfahren der heute als Massenartikel verfügbare Rübenzucker das wichtigste Süßungsmittel. Bei den Lebkuchen aus →Nürnberg und anderen Orten ist man dem Honig treu geblieben. Auch im belgischen →Dinant, rund 100km südwestlich von Aachen, süßt man die Lebkuchenspezialität couques nach wie vor damit. Von dort flohen im 15.Jh. Kupferschmiede mit ihren Familien aus wirtschaftlichen Gründen nach Aachen und brachten ihre Kunst mit, Lebkuchenteig in Formen zu pressen und ihm damit verschiedenste Bildmotive zu verleihen. Von Küchenhistorikern wird deshalb oft Dinant als Geburtsort des heute üblichen Lebkuchens genannt.
Die Aachener Bäcker hatten bis dahin Lebkuchen in Form von Brotlaiben gebacken, die man zum Verzehr in Scheiben schnitt. Nun übernahm man die Technik aus Dinant und verwendete in Holz geschnitzte Formen, sog. Modeln. Im Öcher Platt heißt das Drücken des Teiges in die Modeln prent (vgl. engl. print), das neue Gebäck nannte man Öcher Prent. Zudem würzte man den Teig im Unterschied zum herkömmlichen Lebkuchen neben Gewürzen wie Zimt, Anis, Kardamom, Ingwer oder Nelken zusätzlich mit Kräutern, weshalb man auch von Kräuterprinten spricht.
Das Ergebnis wird bis heute unter der →g.g.A.-geschützten Bezeichnung Aachener Printen von Bäckereien in Aachen und im unmittelbaren Umland gebacken. Aber auch hierfür wurde bald statt des Honigs Zuckersirup verwendet, heute werden beide zum Süßen verwendet. Da die Konsistenz des jeweiligen Teiges verschieden ist, werden die Printen nur noch teilweise in Modeln gedrückt. Andere werden frei geformt und können, da der Teig nicht auseinanderläuft, auf dem Blech gebacken werden, was auch hinsichtlich der Größe nur in den Maßen des Ofens begrenzt ist, nicht mehr in denen der Modeln.
So werden zu besonderen Anlässen passende Motive wie menschliche Figuren in (fast) Lebensgröße gebacken. Ein Aachener Bäcker ließ von dem Bildhauer Hubert Löneke das bronzene Printenmädchen gestalten. Das fröhliche Kind hält einen Printenmann im Arm, der fast so groß ist wie es selbst (Der Besucher findet die liebevolle Statue, auf deren Sockel Öcher Prent zu lesen ist, in der Körbergasse).
Zu Zeiten Napoléons, als das Rheinland unter französischer Verwaltung stand, wurden auch schon mal französische Soldaten als Printen gebacken, denen man dann genüsslich in den Hintern beißen konnte. Als die Preußen hier die Oberhand hatten, wechselte man lediglich die Uniformen. Und natürlich spielen Printen in allen möglichen Größen und Motiven bei der Aachener Fastnacht mit. Mit Mandeln, Nüssen und anderen Zutaten werden bei solchen Motivprinten Gesichter, Knöpfe und weitere Details dargestellt.
Die handelsübliche Form der Aachener Printen ist eine längliche rechteckige Platte. Die Kräuterprinten werden so genossen, wie sie aus dem Ofen kommen.
Andere erhalten einen echten Schokoladenüberzug (also keinesfalls eine billige Fettglasur, auch dem Teig wird keinerlei Fett beigegeben), oder man färbt sie mit Zuckerglasur vornehm weiß und nennt sie dann Prinzessprinten.
Wegen der in den Printen enthaltenen Gewürzmischung werden sie gerne in Bratensaucen gekrümelt (wie z.B. beim berühmten Rheinischen Sauerbraten, beim niederländischen →Zuurvlees oder an Wildgerichten), was zudem eine schöne Bindung ergibt. Zu diesem Zweck wird im Lebensmittelhandel auch spezieller Soßen- oder Reibelebkuchen angeboten, der alle arttypischen Gewürze enthält, aber wesentlich weniger Süße.
Mit den Printen hat indirekt eine andere lokale Spezialität zu tun: Der Lebensmittelhändler Franz Zentis begann Ende des 19.Jhs., in Aachen die bis heute unter seinem Familiennamen bestehende Konfitürenproduktion aufzubauen. Als Reminiszenz an seine Heimatstadt, an den mit ihr eng verbundenen Kaiser Karl den Großen, der als Pflaumenliebhaber bekannt war, und an die Printen schuf er ein dick eingekochtes, der Latwerge ähnelndes Pflaumenmus, das er mit den Gewürzen abschmeckte, die auch in der Printenbäckerei verwendet werden. Als Original Aachener Pflümli findet man die schwarze Süße noch heute auf Frühstückstischen.
Ein Gegengewicht zu soviel Süßem bietet die Aachener/Oecher Weihnachtsleberwurst. Ihren Namen verdankt sie Gewürzen wie Kardamom, Ingwer, Nelken, Koriander, Pfeffer und Anis, was wieder an die Printen erinnert. Die feingecutterte Mischung aus Fleisch und Leber vom Schwein wird mit Sahne auf die gewünschte feincremige Konsistenz gebracht und durch Zugabe von Nüssen und Preiselbeeren verfeinert.
Alljährlich im Spätherbst findet der offizielle Saison-Anschnitt der Aachener Weihnachtsleberwurst durch den jeweils amtierenden Oberbürgermeister statt. Ein ebenfalls jedes Jahr mit Spannung erwartetes gesellschaftliches Ereignis ist die Blindverkostung und Prämierung der Weihnachtsleberwürste durch eine hochrangig besetzte Fachjury. Die dort stets bestätigte hohe Qualität wird von der EU mit →g.g.A. anerkannt, sofern die Spezialität im Aachener Stadtgebiet produziert wurde.
Seit kurzem stellt sich dieser Verkostung auch eine deftige, kräftig (vor allem mit Majoran und Nelken) gewürzte Blutwurst, die im Aachener Dialekt Oecher Puttes genannt wird. Die nur bedingt diätgeeignete Mischung aus Blut und den nicht unbedingt magersten Fleischteilen vom Schwein wird in Naturdärme gefüllt und frisch oder geräuchert angeboten. Auch als Konserve in Dosen oder Gläsern gibt es die Spezialität, die, wie schwärmerische Texte von Aachener Mundart-Poeten zeigen, zur Stadtkultur gehört. Und somit natürlich zum Aachener Karneval. Fastelovvend en Oche ‒ ohne Puttes jäht et net!, Fastnacht in Aachen – ohne Puttes geht das nicht! Ob als Stärkung für die langen Tage und kurzen Nächte, als Orden für besondere karnevalistische Leistungen oder anderes – der Puttes ist allgegenwärtig!
Zu dem im Rheinland beliebten Gericht Hömmel än Eäd (Himmel und Erde), der namensgebenden Kombination von Äpfeln und Kartoffeln, wird nicht irgendeine Wurst gebraten, sondern natürlich der Puttes. Der Name kann durchaus als rheinische Dialektvariante des französischen Blutwurstbegriffs boudin (→Rethel) oder des englischen Pendants pudding (→Stornoway) gesehen werden. Die EU hat 2016 Oecher Puttes/Aachener Puttes als →g.g.A. anerkannt.
Wegen seiner manchmal recht körnigen Struktur verehren manche Aachener ihren Puttes als Oecher Kaviar! Die gleiche sprachliche Aufwertung gönnen auch die →Kölner ihrer Blutwurst, die am Rhein Flönz genannt wird.