1930er Jahre, USA
Manches Rezept verdankt seine Prominenz nicht etwa besonders raffinierter Kochkunst oder der Erlesenheit der verwendeten Zutaten, sondern schlicht dem Umstand, dass es zur richtigen Zeit am richtigen Ort entstanden ist. Das gilt in verblüffend übereinstimmender Weise für zwei Salate, die in den 1930er Jahren im Umfeld der aufstrebenden Film-Industrie Hollywoods, fast wie die Leinwandstars selbst, zu Berühmtheiten wurden. Der eine ist der längst in der internationalen Gastronomie angekommene Ceasar’s Salad, der auf den italo-amerikanischen Restaurantbesitzer Cesare →Cardini zurückgeht.
Auch der
Cobb Salad
soll eigentlich eine Verlegenheitslösung gewesen sein. Die meisten Chronisten berichten jedenfalls, der Gastronom Robert Howard Cobb habe am späten Ende eines langen Arbeitstages im Jahr 1937 in seinem Schnellrestaurant Hollywood Brown Derby selbst Hunger verspürt.
In der bereits ziemlich geplünderten Küche habe er dann ein paar Zutaten zusammengesammelt, die von der Zubereitung der Fast-Food-Gerichte übriggeblieben waren.
Cobb hatte 1926 das erste Brown Derby gegründet und nach und nach zu einer Kette ausgebaut. Architektonisches Markenzeichen war die braun gestrichene Kuppelform mit einer umlaufenden Terrasse, deren geschwungene Begrenzungsmauer die Krempe eines derby darstellte: so lautet die in den USA übliche Bezeichnung des bowlers. Jene steife, kuppelförmige englische Kopfbedeckung war damals noch sehr in Mode. Berühmte Träger waren Winston Churchill oder Charlie Chaplin, und Oddjob, der kräftige Gehilfe des Bösewichts Goldfinger, setzte seinen Bowler als tödliches Wurfgeschoss gegen 007 Bond, James Bond ein.
In seiner Filiale in Los Angeles soll Robert H. Cobb also folgende Lebensmittelreste zusammengekratzt haben: ein paar Scheiben von gebratener chicken breast (Hühnerbrust), etwas green salad, mehrere boiled eggs (hartgekochte Eier), Roquefort cheese, tomatoes, ein Bund chives (Schnittlauch), avocados und etwas bacon.
Das alles vermengte er nicht in der üblichen Salatschüssel, sondern er legte die Zutaten nebeneinander auf einen großen Teller und beträufelte sie mit der würzigen Rotwein-Vinaigrette, die in den Brown-Derby-Filialen zum Salat-Standard gehörte.
Hauptsächlich diese Anrichteweise unterscheidet, wie auch den Ceasar’s Salad, den Cobb Salad von einer normalen Salatzubereitung. Ob ihn nun tatsächlich Cobb selbst erstmals angerichtet hat oder, wie manche berichten, einer seiner Köche, ist für das Resultat nicht wirklich wichtig. Denn bei den Gästen, darunter auch immer wieder Filmstars, kam diese Präsentation, bei der man nach Belieben die Reihenfolge der einzelnen Komponenten bestimmen kann, so gut an, dass sich der Cobb Salad zu einem signature dish entwickelte, zu einem Markenzeichen der Restaurantkette. Und in dem einen oder anderen Hollywoodstreifen sowie in TV-Serien platzierte man die Derby-Restaurants werbeträchtig als Drehort, wobei auch der Salat mehrmals in Szene gesetzt wurde.
Natürlich hat es bei der Zusammenstellung des Salates später immer wieder Abweichungen gegeben. Aber Puristen akzeptieren weder Oliven, Chili, Paprika oder Sonstiges auf dem Teller. Und sie legen Wert darauf, dass es sich beim green salad entweder um Romana- bzw. Eisbergsalat, Endivie oder Brunnenkresse handelt, also um Sorten mit fester, knackiger Blattstruktur.
Der in den USA nicht leicht zu bekommende, weil namentlich geschützte echte →Roquefort aus Frankreich wird dagegen öfters durch Stilton oder ähnliche – und preiswertere – Blauschimmel-Käse ersetzt. Ganz Kreative ordnen die Zutaten, farblich sortiert, in Reihen auf der Platte an und genießen den Salat als rainbow.
Der Cobb Salad hat den internationalen Bekanntheitsgrad des Ceasar-Kollegen zwar nicht ganz erreicht. Aber zumindest in den USA hat er auch das Ende der Brown-Derby-Kette in den 80er Jahren überlebt. In den letzten Jahren versucht man, die Fast-Food-Marke neu zu beleben, wobei natürlich auch der Cobb Salad wieder eine wichtige Rolle spielt.