Ulis Culinaria

Cesare Cardini

*1896 Baveno, †1956 Los Angeles

Wie unzählige ihrer Landsleute flohen nach dem Ersten Weltkrieg drei junge Italiener aus der Gegend um den Lago Maggiore vor Arbeitslosigkeit und Armut in die USA. Es waren die Brüder Alessandro, Caudencio und Cesare Cardini. Sie landeten im südlichen Kalifornien und beschlossen, mit italienischer Gastronomie ihr Glück zu versuchen. Sie nutzten die seit 1920 bestehende prohibition, indem sie wenige Kilometer südlich der mexikanischen Grenze, in Tijuana, ein kleines Restaurant eröffneten. In Mexico durfte Alkohol ausgeschenkt werden, was genügend US-Amerikaner vor allem an Wochenenden und an Feiertagen über die Grenze lockte (King). Aus Alessandro wurde Alex, und Cesare nannte sich nun Caesar.

Italienische Einwanderer warten auf Ellis Island (New York) auf ihre Registrierung

Am 4. Juli 1924, dem amerikanischen Independence Day, stürmten extrem viele Gäste das Caesar’s Place, wie die Cardini-Brüder ihr Lokal nannten.

So erzählte es jedenfalls später Rosa Cardini, die Tochter von Cesare. Vor allem Soldaten der U.S. Air Force, die in San Diego, der Nachbarstadt auf der kalifornischen Seite der Grenze stationiert waren, wollten den Feiertag ordentlich begießen. Als sie später am Abend nochmal Hunger bekamen, waren die Vorräte ziemlich erschöpft und Cesare, für die Küche verantwortlich, etwas überfordert. Also suchte er alles Mögliche zusammen, was eben in der Küche noch an Resten zu finden war.

Da gab es noch ein paar Köpfe →Romana-Salat, Tomaten, Eier und etwas Parmesan. Weißbrot, Knoblauch, gutes Olivenöl und weitere Grundzutaten sind in einer italienischen Küche eh stets greifbar. Zum Würzen fand sich, neben der üblichen Salz-Pfeffer-Kombi, noch ein Fläschchen Worcestershiresauce. Und ein paar limes (Limetten) waren auch noch da. Das Beste, was sich aus den Fundsachen auf die Schnelle zaubern ließ, war ein Salat. Ceasar kochte die Eier nur drei, vier Minuten, also noch wachsweich und mit flüssigem Dotter. Das Weißbrot schnitt er in Würfel, die er in heißem Öl mit dem Knoblauch zu knusprigen Croutons briet.

Ceasar's Salad

Alles in allem also eigentlich ein ganz normaler Salat. Aber vor allem Alex, der selbst bei der italienischen Luftwaffe gedient hatte, wollte seinen amerikanischen Kollegen etwas Besonderes bieten. Deshalb ermunterte er seinen Bruder dazu, aus der Angelegenheit eine Show zu machen: Im Gastraum, also vor den Augen der Gäste, breitete Ceasar zunächst die im Ganzen belassenen länglichen Blätter des Römersalates in einer flachen Schüssel so aus, dass die kräftigen Strünke nach außen zeigten. Darüber streute er die Croutons, hobelte den Käse darüber und ließ die fast flüssigen Eier hineingleiten. Das Ganze beträufelte er mit Limettensaft und Öl, schließlich Worcestershiresauce, Salz und Pfeffer.

Um sich den Umgang mit Messer und Gabel zu ersparen, konnten die vielleicht nicht mehr ganz nüchternen Gäste nun einfach die Blätter – bei Romana knackiger und stabiler als bei Kopfsalat – am Strunk greifen und die Zutaten wie mit einem großen Löffel zum Mund befördern.

Das Spektakel um die unspektakuläre Zutatenkombination kam so gut an, dass von da an immer mehr Gäste den Aviator’s Salad (Fliegersalat) bestellten. Im Lauf der Zeit bereitete Cesare das Eigelb mit dem Öl, dem Limettensaft und den Gewürzen als mayonnaiseähnliches dressing vor, wobei als weitere Komponente Senf ins Spiel kam. Die Zutatenliste wurde mal mit Geflügel- oder Krebsfleisch, mal mit Sardellen, gebratenem bacon oder anderem erweitert.

Damit die Gäste nach Salat- und Alkoholgenuss nicht noch über die Grenze fahren mussten, verlegten die Cardinis ihr Restaurant in ein größeres Gebäude, das als Caesar’s Hotel auch Übernachtungsmöglichkeit bot.

alternativer Serviervorschlag
Ceasar's Hotel in Tijuana (Foto: Fate Club)

1930, also noch drei Jahre vor dem Ende der Prohibition, eröffnete Cesare in Los Angeles ein Restaurant, wo seine Salatkreation als Caesar’s Salad vor allem bei der Hollywood-Prominenz zum angesagten Snack wurde. Und was in der Filmmetropole chic ist, wird, mag es noch so banal sein, schnell zur internationalen Berühmtheit. Diesem Effekt hat auch ein anderer Zufalls-Salat der 1930er Jahre, der Cobb Salad, seine Prominenz zu verdanken.

So mancher ließ sich das Ceasar’s Dressing in mitgebrachte Flaschen abfüllen, um den Salat auch zuhause originalgetreu zubereiten zu können. Daraus entwickelte sich allmählich ein eigener Geschäftszweig, den Rosa Cardini dann zu dem weltweit agierenden Fertigsaucen-Konzern Cardini’s ausbaute.

Das weltberühmte Superhotel Ceasars Palace in Las Vegas hat übrigens mit dem guten Cesare Cardini nichts zu tun, sondern ist tatsächlich nach dem altrömischen Kaiser Gaius Julius benannt.