Die südwestlichen Ausläufer des Massif Central in der französischen Region Occitanie werden gebildet von der Montagne Noire und den Monts de Lacaune. Die namensgebende 2.500-Einwohner-Gemeinde Lacaune liegt auf Höhen von 600 bis 1.200m. Im Herbst und Winter kann es hier schon empfindlich kalt werden, aber auch die Sommer bieten bei weitem nicht die Hitzerekorde, die an den Stränden des nur 70km entfernten Golfe du Lion für Badespaß sorgen. Dieser rauhe Klima-Mix aus Atlantik, Mittelmeer und Bergwelt und die kargen Böden sind für den Anbau von Getreide und anderen Nutzpflanzen wenig geeignet, seit jeher wurde dem Wald durch Rodung lediglich Weideland abgetrotzt.
Unter allen Nutztieren hat sich das Schaf am besten an diese Bedingungen angepasst. Es ist über die Jahrhunderte sogar eine eigene Zuchtform des Ovis aries, des Hausschafs entstanden, la Lacaune. Wegen seiner Eignung zur Freiland-Haltung und weiterer guter Eigenschaften nimmt das Lacaune-Schaf mit 1,3Mio. Tieren bzw. 20% unter allen französischen Schafrassen Platz 1 ein. Es weidet z.B. auch auf den wilden Causses, den Hochebenen des Massif Central, und ebenso wohl fühlt es sich in den Höhenlagen der Pyrenäen.
Seit langem spielt die Wolle der Schafe nur noch eine untergeordnete Rolle. Dafür hat man aus der Rasse zwei Unterformen herausgezüchtet: Das Lacaune lait zur Milchgewinnung und das Lacaune viande als Fleischlieferant. Das Milch-Lacaune wurde auf eine Jahresleistung von bis zu 200l hochgezüchtet, ein guter Wert in der Schafsmilch-Welt.
Rund 40km nordöstlich von Lacaune, im Aveyron, liegt das Dörfchen Roquefort-sur Soulzon, das dem sicher berühmtesten Blauschimmel-Schafskäse der Welt seinen Namen gab. Die Einwohner von Roquefort erhielten bereits 1411 – also schon lange vor dem Erhalt der ersten französischen →AOC 1925 – durch ein Dekret von Charles VI das Monopol zur Käseherstellung, tel qu’il est pratiqué de temps immémorial dans les grottes dudit village (so wie sie seit unvordenklichen Zeiten in den Höhlen des besagten Dorfes praktiziert wird). Damit ist der Roquefort das wohl älteste Lebensmittel mit geschützter Herkunftsbezeichnung.
Zumal bereits Charlemagne (Karl der Große) gut 600 Jahre vor Karl VI. nach einem Klosterbesuch im Aveyron von einem curieux fromage, einem ganz besonderen Käse geschwärmt hatte, der durchaus ein früher Roquefort gewesen sein kann.
Der Roquefort wird exklusiv aus der Milch von brebis de Lacaune, von Muttertieren der Lacaune-Rasse hergestellt.
Die Lämmer der Milch-Schafe leben in den 5 bis 6 ersten Lebenswochen sous la mère (wörtl. unter der Mutter), werden also ausschließlich gesäugt. Mit dem Wechsel zur Weide und zur Ernährung von Gras werden die männlichen Lämmer, die nicht zum Fortbestand der Milchtierherden ausgewählt wurden, als Agneau de Lacaune in den boucheries (Schlachtereien) und charcuteries (Wurstmetzgereien) vermarktet.
Im regionalen occitanischen Dialekt heißen die Metzger maseliers. Ursprünglich waren damit vor allem die bouchers, die Schlachter gemeint, heute eher die fleischverarbeitenden Kollegen, also die charcutiers. Die Maseliers de Lacaune haben sich schon im Mittelalter zu einer Gilde mit strengen Regeln hinsichtlich der Qualität ihrer Produkte zusammengeschlossen. Der Berufsstand trug, zur Blütezeit mit über 30 Betrieben, maßgeblich zum früheren Wohlstand des Ortes bei, da Fleisch, Schinken und Würste aus Lacaune weit über die Region hinaus zu begehrten Delikatessen wurden. Im Zug der auch im Metzger-Handwerk vollzogenen Industrialisierung sind in Lacaune und im benachbarten Murat-sur-Vèbre heute noch 6 Charcuteries übriggeblieben. Da sie als familienbasierte Betriebe die alten handwerklichen Herstellungsprozesse ihrer Vorfahren bewahren, dürfen sie ihre →Salaisons de Lacaune seit 2015 unter dem Schutz einer →IGP vermarkten.
Der wichtigste Arbeitsschritt, die Salzung, gibt der Produktpalette den Namen. Zu dieser gehören jambon cru (Rohschinken) und saucisses (Würste) aus Schweinefleisch. Die Tiere müssen aus einem eng begrenzten Gebiet um Lacaune stammen, die Haltung unterliegt strengen Vorschriften.
Das Meersalz kommt schon seit Urzeiten aus den →salines im Bas Pay, dem Nieder-Land an der Mittelmeerküste ins Haut Pays, das Hochland der Monts de Lacaune.
Für die Saucisson de Lacaune und die Saucisse sèche de Lacaune wird zu mindestens 80% mageres Fleisch grob gehackt, den Rest bilden Würfelchen von leuchtend weißem Speck, die aus dem tiefroten Anschnitt herausglänzen. Eine Besonderheit der Würste aus Lacaune: Zu mindestens 30% muss das Fleisch vor dem Verwursten gut abgehangen sein. Diese Vor-Reifung intensiviert natürlich den Geschmack, der sich bei der Reifung der fertigen Würste entwickelt. Hierzu werden sie mehrere Wochen auf mindestens 800m Höhe dem vent d’Autan, dem kräftigen und – so sagt man – würzigen Wind der Occitanie ausgesetzt. Die Würste werden ausschließlich in boyau naturel, in Naturdarm abgefüllt, da nur dessen Atmungsfähigkeit die gute Bergluft ans Brät lässt, es aber gleichzeitig vor schlechten Einflüssen schützt.
Dem Jambon de Lacaune gönnt man zur Reifung mindestens 9 Monate, meistens ein ganzes Jahr. Auch er besticht optisch durch den Kontrast zwischen dem bordeauxroten, fein durchwachsenen Fleisch und dem blütenweißen Speck.
Auch wenn jeder der sechs Familienbetriebe so seine kleinen Geheimnisse hat, ist die Würzung von Schinken und Wurst für die Salaison de Lacaune IGP auf das Meersalz, verschiedene Pfeffersorten und Muskat beschränkt.
Die Reifezeit beginnt meist mit dem Einzug des Winters. Das feiern die Mazeliers mit der Fête du Sens-Porc (occitan. für saint porc, heiliges Schwein). Aber schon im Juli, wenn das Wetter noch etwas freundlicher ist, kann man bei der Fête de la Charcuterie all die IGP-Schweinereien ausgiebig kosten, aber genauso das Agneau de Lacaune und weitere regionale Charcuterie-Spezialitäten.