Ulis Culinaria

Paestum

... und sie lagen zu Tische ...

Nur noch Ruinen sind übrig von der antiken Stadt Poseidonia südlich von Napoli, die die Hellenen um 600 v.Chr. Poseidon gewidmet hatten und die gut 1.000 Jahre später wegen der Malaria, die sich in den Sümpfen im Tal des Flüsschens Sele ausbreitete, aufgegeben wurde. Die sehenswerten Ausgrabungsstätten, als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt, gehören zum Gebiet der heutigen Stadt Capaccio Paestum, die höher gelegen und deshalb vom Sumpffieber verschont geblieben ist.

Johann Wolfgang Goethe hat in den Tagebüchern über seine Italienische Reise 1787 anschaulich seine Eindrücke beim Anblick der imposanten Tempel geschildert, zwischen denen er sich wie …in einer völlig fremden Welt… fühlte.

Einblicke in die Glaubens- und Lebenswelt unserer Vorfahren bieten vor allem die Gräberfunde mit aufschlussreichen Grabbeigaben und Wandgemälden. Im Grab des Turmspringers zum Beispiel fanden sich Darstellungen über damalige Tischsitten wie die hier wiedergegebenen, die Herren beim fröhlichen Zechgelage zeigen. Und da hat das Wort Gelage noch seine eigentliche Bedeutung …!

il Carciofo di Paestum

Dem antiken Paestum zu Ehren nennen die Einwohner der umgebenden italienischen Provinz Salerno eine mittelgroße, grünviolett gefärbte Artischocke Carciofo di Paestum (→IGP 2004). Tatsächlich wurden die ersten Disteln dieser Sorte in den 1940er Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft der Ruinen angepflanzt, wobei das Wasser des Valle di Sele hilfreich war. Die kugelrunden, etwa 10cm dicken Blütenköpfe haben der lokaltypischen Varietät von Cynara scolymus den Beinamen tondo di Paestum eingebracht. Sie gehört zur Gruppe der Romanesco-Artischocken (→Roma). Von ihnen ist sie die früheste Sorte, sie ist bereits im Februar auf dem Markt.

Während der jährlich in Capaccio stattfindenden Festa del Carciofo im April werden die abgeschnittenen Blütenköpfe in die Vertiefungen speziell ausgestanzter großer Bleche gesetzt, mit feinem Olivenöl beträufelt und als carciofi arrostiti sulla brace, über Holzkohle, gegrillt. Die äußeren, eh kaum genießbaren Blätter der Artischocken verkohlen dabei fast völlig, schützen ihrerseits aber das Innere der Köpfe, deren Fruchtfleisch und vor allem deren Böden sanft garen. Natürlich finden die Distelblüten auch ihren Platz in zahlreichen anderen Gerichten, nicht zuletzt als aromatischer Belag von →Pizzavariationen.

Carciofi sulla brace