Ulis Culinaria

München

Traditionell darf sie das Mittagsläuten nicht hören: Die Münchner Weißwurst. Diese alte Vorschrift ist inzwischen durch moderne Kühltechniken überholt, aber ansonsten wird die Wurstspezialität auch heute noch nach überlieferter Metzgerkunst hergestellt. Mindestens 51% des Bräts müssen aus Muskelfleisch vom Kalb bestehen, dazu kommen Schweinerücken und -speck, Kalbskopf, gestoßenes Eis und Gewürze, unter denen sich zumindest Zitronenabrieb und Petersilie einzufinden haben.

Die Münchner Weißwurst

Im November 2018 wurde ein Metzgermeister aus dem pfälzischen Hettenleidelheim Sieger beim 45e Championnat d’Europe du meilleur Boudin Blanc in Alençon, einem Städtchen in der Normandie. Die Europameisterschaft der besten Weißwurst ist also weder ein französisches noch ein Münchner Monopol.

Aber Wurst-Historiker streiten immer noch darüber, ob die Münchner Weißwurst ein Abkömmling der bereits im 15.Jh. in Frankreich verbürgten boudin blanc ist (→Rethel) oder ob es sich um die Verlegenheitslösung eines Münchner Metzgers handelte, der in Ermangelung der für Bratwürste üblichen Schafsdärme die Wurstmasse in Schweinedärme füllte. Da diese allerdings zum Braten weniger geeignet sind, erhitzte er die knapp 100g schweren Würstchen sanft in siedendem Wasser.

Diese Version der Entstehung der Weißwurst wird ins Jahr 1857 und ins Münchner Wirtshaus Zum Ewigen Licht datiert und gilt als Grund, dass die Weißwurst nur eine Münchnerin sein kann.

Es gibt auch die Legende von einem deutschen Metzger, der als Soldat im Krieg von 1870/71 tödlich verwundet und von einem französischen Soldaten gefunden wurde. Ganz zufällig war dieser ebenfalls Metzger, und der sterbende deutsche Kollege soll ihm quasi mit dem letzten Atemzug das Rezept für die weißen Würste verraten haben. Allerdings findet man die boudins blancs schon in Kochbüchern, die lange vor 1870 erschienen sind.

Für die meisten Feinschmecker eindeutig wichtiger als die Historie der Wurst ist die Frage, ob man sie vor dem Verzehr behutsam pellt, ob man sie auszuzelt, also aus der Pelle saugt, oder ob man sie gar mitsamt der Haut verspeist. Denn da scheiden sich die Geister. Immer noch scheinen – zumindest in Bayern – die Zuzler in der Mehrheit zu sein.

Wie auch immer, eine beim Erhitzen geplatzte Weißwurst gilt heute noch als Frevel. Die nach wie vor obligate Beilage besteht aus frischen Brezn und süßem, körnigem Senf. Serviert werden sie meist, um ein zu rasches Abkühlen zu vermeiden, in der Brühe. Zum Herunterspülen passt am besten ein Münchner Weißbier.

Übrigens haben Münchner Metzger vor wenigen Jahren einen langwierigen Rechtsstreit verloren: Sie hatten postuliert, nur in München und zugehörigem Landkreis könne die echte Münchner Weißwurst hergestellt werden und verdiene somit einen Namensschutz wie Champagner oder Prosciutto di →Parma. Die zuständigen Gerichte verweigerten diesen mit dem Hinweis darauf, dass eh nur ein geringer Anteil der unter dem Namen verkauften Würste tatsächlich aus München komme …

Der Biergarten, eigene gastronomische Tradition

Eine einfache, in Münchner Biergärten (in denen man ansonsten traditionell seine eigene Speise mitbringt) beliebte Zwischenmahlzeit stellt die Münchner Biersuppe dar. Mit diversen Gewürzen aufgekochtes Bier wird mit Rahm und Eigelb gebunden und mit gerösteten Brotwürfeln serviert.

Und wenn man das Bier nicht warm, sondern frisch gezapft genießen will, wird dazu seit jeher in jedem Biergarten eine Portion Radi angeboten, in Bayern nennt man so den Gemüse-Rettich. Der Raphanus sativus passt mit seiner würzigen Schärfe nicht nur hervorragend zum Gerstensaft, sondern ist mit vielen Vitaminen, Spurenelementen und ätherischen Ölen auch ein äußerst gesundes Lebensmittel. Am besten schneidet man ihn frisch zu einer hübschen Endlosspirale (wofür es längst den passenden Spezialschneider gibt) oder einfach in dünne Scheibchen. Die werden leicht gesalzen, und wenn es etwas Saft gezogen hat, knabbert man das knackige weiße Fruchtfleisch Stückchen für Stückchen zu jedem Schlückchen.

Wenn man es dabei auch namentlich ganz stilvoll halten will, besorgt man sich, auf dem Münchner Viktualienmarkt oder sonstwo in Bayern, die Rettich-Sorte Münchner Bier. Oder man kauft sich im Frühjahr das Saatgut für den heimischen Garten und kann den sog. Herbstrettich im Oktober ernten. Mit etwas Glück wird es ein goldener Oktober, und die Biergärten sind noch geöffnet …