Ulis Culinaria

Parma

Prosciutto di Parma

Wohl wenig andere italienische Städte haben sich in der Welt der Genüsse einen ähnlich bekannten wie wohlklingenden Namen erworben wie Parma in der oberitalienischen Poebene!

Die Methode, Fleisch und andere Lebensmittel mit Hilfe von Salz und Lufttrocknung haltbar zu machen, ist seit der frühen Antike bekannt. Das italienische Wort prosciutto für Schinken geht auf das lateinische perexsuctus zurück, wörtlich zuvor ausgesaugt. Die hygroskopische Wirkung des Salzes, mit dem das Fleisch eingerieben wird, entzieht ihm einen Großteil des Wassers, wodurch der Bildung von Fäulnisbakterien der Nährboden entzogen wird. Italienisch prosciugare heißt trocknen. Nach der Salztrocknung verliert ein prosciutto crudo (roher Schinken) weitere Flüssigkeit an der Luft und bekommt so ohne jedes weitere Konservierungsmittel lange Haltbarkeit. Zusätzliche Lagerfähigkeit gewinnen manche Rohschinken durch Räucherung. Ein saftiger prosciutto cotto (gekochter Schinken), der in Salzlake gepökelt wurde und deshalb keine Flüssigkeit verlor, ist dagegen eher für den raschen Verzehr gedacht. Im warmen Klima des bel paese, wie das schöne Land Italien gerne poetisch tituliert wird, werden überwiegend luftgetrocknete Rohschinken produziert. Und zu den Besten unter ihnen gehört unbestritten der

Prosciutto di Parma.

schwarze Schweine

Schon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert rühmte der Politiker und Schriftsteller Marcus Porcius Cato (Cato d.Ä.) die außerordentliche Qualität des luftgetrockneten Fleisches aus Parma.

Die damaligen Schinken waren verschiedenen Quellen zufolge allerdings meistens noch nicht mit Salz behandelt, sondern nur lange getrocknet und dann zur Konservierung mit Öl eingerieben. Aber bereits in jener Zeit wurden sie über die Region um Parma hinaus ins gesamte römische Reich exportiert.

Nur aus bestimmten nord- und mittelitalienischen Gebieten dürfen die Schweine der Rassen Landrace, Large White und Duroc stammen, deren Hinterteile zum Prosciutto di Parma verarbeitet werden. Eine seit Jahrhunderten in der Emilia-Romagna heimische, schwarzborstige Rasse, das halbwildlebende Nero di Parma oder Nera parmigiana, war von den oben genannten moderneren Rassen fast bis zum Aussterben verdrängt worden. Erst 2016 wurden neue offizielle Rassestandards festgelegt, um die schwarzen Schweine mit ihrer besonderen Fleischqualität wieder, auch für die Schinkenproduktion, nutzbar zu machen.

Bei ihrer Schlachtung müssen die Schweine mindestens 9 Monate alt sein und 140kg wiegen. In vielen anderen Regionen werden aus Kostengründen deutlich jüngere und aus anderen Ländern Europas importierte Tiere zu Schinken verarbeitet. Das Futter besteht nur aus Hafer, Gerste und aus der Molke, die beispielsweise bei der Produktion des Parmesankäses anfällt. Die Fütterung ist ausschlaggebend für das milde Aroma und die mürbe Konsistenz der Schinken, was italienisch als dolce (süß, zart) bezeichnet wird.

Zu Beginn der mindestens 12 Monate dauernden Schinkenwerdung wiegen die schlachtfrischen Keulen mit Knochen rund 15kg, am Ende werden sie etwa ein Viertel ihres Gewichtes verloren haben.

Die am Knochen belassenen Schweine-Hinterkeulen werden zart mit Meersalz eingerieben und inklusive einer zweiten Salzung rund drei Wochen kühl und bei hoher Luftfeuchte gelagert. Die Kunst des maestro salatore (Salzungs-Meister) besteht darin, das Salz so zu dosieren, dass es dem Fleisch genügend Feuchtigkeit entzieht, ohne jedoch den Geschmack zu dominieren. Außer dem Meersalz sind weder Nitrat oder Nitrit noch sonstige chemische Substanzen zugelassen. Bei stetiger 75-prozentiger Luftfeuchtigkeit bekommt das Salz nun 70 Tage Zeit, bis ins Innerste des Schinkens zu wirken. 

Anschließend wird das oberflächliche Salz sorgfältig mit Wasser abgebürstet und die Keulen hängen weitere drei Monate für eine erste Trocknung in Hallen, in denen durch gegenüberliegende Fenster eine dauernde gute Durchlüftung gewährleistet ist. Dabei werden die Fenster je nach äußerer Witterung mehr oder weniger geöffnet, um die Luftfeuchtigkeit konstant zu halten. Für die Schinkenmacher gilt diese Phase als entscheidend für die Qualität des fertigen prosciutto! In dieser Zeit verliert der Schinken rund ein Zehntel seines Gewichtes, und der nicht von Schwarte geschützte offene Fleischanschnitt bekommt eine feste Oberfläche. Damit die Schinken bei der nun folgenden Reife-Lagerung nicht zu schnell und ungleichmäßig trocknen, wird

diese schwartenfreie Schnittfläche mit der sugna (Schmalz) versiegelt. Diese Mischung aus Schweinefett und Reismehl, leicht mit Salz und Pfeffer gewürzt, wird in manchen Gegenden Italiens stucco genannt und erinnert mit der weißen Farbe und der pastösen Konsistenz tatsächlich an den Gips des Stukkateurs (→Cuneo, Sauris). Immer wieder wird nun von Fachleuten mit langjährig geschulter Nase der Schinken mit einem spitzen, hohlen Pferdeknochen angestochen, um Aroma und Konsistenz zu prüfen. Der Pferdeknochen nimmt durch seine feinporige Oberfläche die Aromen sehr gut an, ohne das Fleisch nennenswert zu verletzen.

Das 1963 gegründete →Consorzio del Prosciutto di Parma garantiert die strenge Einhaltung der Vorschriften, von der Schweinehaltung bis zum Verkauf des fertigen Schinkens.

Neben dem →DOP-Siegel erhält er als Beweis von Echtheit und Qualität den Brandstempel in Form der fünfzackigen Krone der Herzöge von Parma. Selbst verzehrfertig abgepackte Scheibchen des Schinkens dürfen nur dann mit DOP-Etikett verkauft werden, wenn sie im Produktionsbetrieb in der begrenzten Herstellungsregion geschnitten wurden.

Ihr kennt sicher auch den Rat, einen guten Schinken so dünn zu schneiden, dass man die Zeitung durch die Scheibchen lesen könne.

Na ja, ich nehme dann doch lieber meine Brille zu Hilfe und lass‘ mir den Schinken zur Lektüre schmecken …

Aber natürlich ist was dran: Die lange Trocknung macht das Fleisch so hart, dass man auf dickere Stücke beißt wie auf Leder. Und jede Schnittfläche setzt die im Inneren verborgenen Aromen frei.

Es lohnt sich also schon allein deswegen, in ein wirklich gutes →Messer zu investieren!  Und was für den Schinken gilt, gilt auch für etliche weitere kulinarische Anwendungen der Schnittkunst.

Gemeinsam mit Melone (z.B. aus →Cantalupo) stellt Parmaschinken eine anregende Vorspeise dar.

Im Zusammenspiel mit einem Salbeiblättchen macht er aus kleinen Kalbsschnitzelchen die berühmten saltimbocca alla romana (→Roma).

Und über diese beiden Klassiker hinaus kennt der Parmaschinken praktisch keine kulinarischen Grenzen!

Parmigiano-Reggiano

Wie etliche andere kulinarische Genüsse stammt auch der Hartkäse Parmigiano-Reggiano (für den ich hier gerne eine Ausnahme von meinem auf der Startseite begründeten Käsevezicht mache!) ursprünglich aus der Küche von Mönchen. Bereits im 13.Jh. ist die Produktion von Parmesan in vier Klöstern verbürgt, darunter je eine Benediktinerklause in Parma und in Reggio-Emilia, was den Doppelnamen erklärt.

Im Decamerone erzählt schon 1349 Giovanni Boccaccio, im sagenhaften Land Bengodi befinde sich … una montagna di formaggio Parmigiano grattugiato, sopra la quale stauan genti … che fare maccheroni, e raviuoli (ein Berg aus geriebenem Parmesankäse, auf dem Menschen mit der Produktion von Makkaroni und Ravioli beschäftigt sind).

Obwohl das DOP-geschützte Herkunftsgebiet des Parmigiano-Reggiano längst auf weitere Regionen (Modena, Bologna, Mantova) ausgeweitet wurde, unterliegt die Produktion der jährlichen 115.000t strengen Regeln, über deren Einhaltung seit 1934 das →Consorzio del Formaggio Parmigiano-Reggiano wacht. So muss die Kuhmilch spätestens zwei Stunden nach dem Melken in der Käserei ankommen und sofort verarbeitet werden.

Nach den ersten Herstellungsschritten werden die Laibe wiederholt in Lake gebadet, was ihnen den gewünschten Salzgehalt verleiht. Kenner brechen (nicht schneiden!) den Parmesan frühestens nach zweijähriger Reifung (vecchio) an, besser noch nach 36 (stravecchio) oder 48 Monaten (stravecchione). Nur wenige Käsereien gönnen ihrem Produkt 72 Monate zur Reifung, die dann den extra stravecchione mit unvergleichlicher Würzigkeit als Ergebnis zeitigt.

Den Wert des Käses nicht erst nach, sondern bereits während der Reifezeit hat auch ein goßes regionales Kreditinstitut erkannt: Schon seit gut 50 Jahren lagert die Bank Käselaibe von kreditnehmenden Käsereien als Pfand in eigens dafür gebauten Reifekammern. Bis zu 500.000 Käseräder werden hier unter idealen klimatischen Bedingungen von professionellen Käsespezialisten gehegt und gepflegt. Nach Abzahlung des Kredits geht der fertige Käse an den Kreditnehmer zurück. Im anderen Fall verkauft ihn die Bank auf eigene Rechnung – und meist mit gutem Gewinn.

Neben der international bekannten Verwendung als frisch geriebene Verfeinerung von →Pasta-Gerichten kennt der Parmigiano schier unendliche kulinarische Anwendungen. Das pesto aus →Genova ist ohne ihn nicht denkbar. Einem Gratin verleiht er eine würzige Kruste. Und ein risotto bekommt erst durch ihn seine finale Cremigkeit.

Ganz puristisch werden kleine Stücke mit einem speziellen Parmesanmesser aus dem Laib gebrochen und mit Tröpfchen des aceto balsamico tradizionale aus dem benachbarten →Modena aromatisiert oder als Appetitanreger in Honig getunkt. Dazu ein Glas kräftigen Rotweins oder einen frischen Weißen

buon appetito!

Parmaschinken und Parmesankäse gehen eine schmackhafte Verbindung ein im Gericht Rosa di Parma, bei dem sie gemeinsam geschmortes Rinderfilet zu Tisch begleiten.

Asterix und Obelix bekommen den Prosciutto di Parma serviert, als sie während ihrer Teilnahme am großen Wagenrennen quer durch Italien, der Transitalique, in Parma Station machen.

Der Gastwirt versucht, Obelix die beste Methode des Schinkengenusses zu erläutern. Doch dieser, den längst abgenagten Knochen in der Hand, macht sich lustig:

Wie? Schinken in feinen Scheibchen? Warum dann nicht auch gleich noch Käse in Pulverform!?

Melanzane alla parmigiana

Ein vor allem in Süditalien beliebtes Gericht heißt manchmal Melanzane alla parmigiana, manchmal umgedreht Parmigiana di melanzane.

Dafür werden melanzane, also →Auberginen in Scheiben geschnitten, angebraten und im Wechsel mit einem Sugo aus passierten Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch sowie Mozzarella und geriebenem Hartkäse in einer feuerfesten Form überbacken.

Der Bedeutungs-Unterschied liegt im Begriff parmigiana. Weist er auf eine Zubereitungsart hin, die man den Bewohnern Parmas, den Parmaer/innen zuschreibt, oder zeigt er an, dass der berühmte Hartkäse verwendet wird, den ich oben beschrieben habe? 

Zumindest in der ersten Form werden Melanzane nach Art (der Küche) Parmas zubereitet. Parmigiani ist die Eigenbezeichnung der Einwohner Parmas. Eine parmigiana ist eine Parmaerin.

Parmigiana di melanzane

Etliche Kochbuchautoren, auch manches deutschsprachige Buch zur cucina italiana, leiten aus dem Namen ab, dass es sich bei dem verwendeten Käse um Parmesan handele. Vom Parmigiano-Reggiano ist hier allerdings keine Rede. Das ergibt sich schon aus der Grammatik, denn die weibliche Endung –iana passt in keinem Fall zu dem Käse.

Cucinare alla maniera dei parmigiani … vuol dire cucinare vegetali a strati (Nach Art der Parmaer zu kochen, bedeutet, dass Gemüse in Schichten gegart wird). So definiert es das 1971 erstmals herausgegebene Lexikon Devoto-Oli. Das Schichten von Gemüse als Zubereitungs-Prinzip passt ja zu dem Melanzana-Gericht. So gesehen könnte man parmigiana auch mit Auflauf übersetzen. Die zweite Namensform bedeutet demnach, dass hier eine Zubereitungsweise namens parmigiana auf Auberginen angewendet wird.

Die meisten Experten halten die zweite Fassung des Namens für schlüssiger. Und führen sie sprachlich auf einen Ursprung zurück, der auch dem Städtenamen Parma zugrunde liegt: Das lateinische Wort parma bezeichnet den runden Schild eines Kriegers (im heutigen Italienisch scudo). In der Gründungszeit wies Parma einen auffällig kreisrunden Stadtplan auf. Und der fertige, goldbraun überbackene, flache Gemüseauflauf erinnert ebenfalls an einen Schild aus Holz oder Metall. Der Vergleich mit der Abwehrwaffe könnte sich auch gut auf die meist flache, runde Auflauf-/Backform aus Keramik, aber auch auf das rechteckige Ofen-Blech beziehen. Beides nennen Italiener teglia (vgl. Tiegel).

Ein erstes Rezept, wenn auch unter der Überschrift melanzane alla parmigiana, findet man in der Schrift Cusina casarinola co la lengua napoletana (Hausfrauen-Küche in neapolitanischer Sprache, 1839) von Ippolito Cavalcani: die Auberginenscheiben werden in Mehl gewälzt und angebraten. Dann …

…le disporrai in una teglia a strato con il formaggio, basilico e brodo di stufato o con salsa di pomodoro; e coperte le fai stufare.

(…schichte sie mit dem Käse, mit Basilikum und mit Bratensud oder Tomatensauce in eine Backform und lass es zugedeckt schmoren).

Zu Napoli passt, dass die Aubergine, ursprünglich in Südostasien beheimatet, zunächst aus Nordafrika in den Süden Italiens gelangte und selbst dort erst im 17./18.Jh. als Lebensmittel anerkannt wurde. Auch die Käsesorten in den frühen Parmigiana-Rezepten sind dementsprechend die im Süden des stivale italiano beheimateten Sorten wie →Pecorino, Caciocavallo, →Mozzarella und weitere. Eine Festlegung auf Parmesan nimmt auch das italienische Landwirtschafts-Ministerium nicht vor, das die Parmigiana als →PAT (traditionelles landwirtschaftliches Lebensmittel-Produkt) aus der Campania, der Calabria, der Puglia und von Sicilia anerkannt hat.