Ulis Culinaria

Leipzig

Das international bekannte

Leipziger Allerlei

ist im Grunde genommen ein einfacher Gemüseeintopf, bei dessen Komposition es verschiedenste Varianten gibt. Für die Zubereitung des Originals allerdings muss die Mischung auf alle Fälle Erbsen, Karotten, Spargel und Morcheln aufweisen, die vor ihrer Vereinigung, gemäß ihrer unterschiedlichen Garzeiten, getrennt vorbereitet werden. Traditionell genießt man hierzu Flusskrebse mit Krebsbutter und kleine Semmelklößchen. Allerlei Gemüse, Pilze und die Krebse fand man im wasserreichen Umland von Leipzig überall und galten, solange kein Fleisch dazukam, eher als Speise der ärmeren Bevölkerung. Eine erste handschriftliche Aufzeichnung des Rezeptes stammt von einer Leipziger Hausfrau aus der Mitte des 18.Jhs.

Leipziger Allerlei

Trotzdem legen einige Kulturhistoriker die Erfindung des Allerleis in die sog. Franzosenzeit vor 1815, als Napoléon Bonaparte weite Teile Europas kontrollierte. Damals soll der Leipziger Stadtschreiber Mathus Hempel seinen Mitbürgern einen Vorschlag zum Steuersparen gemacht haben: Wenn die Steuereintreiber auftauchten, solle man nur fleischlose Gemüsegerichte auf den Tisch bringen, damit sie sähen, dass bei den Leipzigern nichts zu holen sei. Und die praktisch gratis gefangenen Flusskrebse müssten dann halt einmal als Fleischeinlage ausreichen. Ob diese Taktik der Steuerersparnis aufging, ist allerdings nicht überliefert…

Das Leipziger Allerlei ist in den letzten Jahrzehnten leider sehr in Verruf geraten. Hersteller von Dosengerichten haben sich des ungeschützten Namens bemächtigt und bringen darunter meist ziemlich verkochte Gemische auf den Markt, die im Wesentlich aus Erbsen und Karotten mit kleinem Spargelanteil bestehen. 

Jedoch aus frischen Zutaten und unter Berücksichtigung des jeweiligen Hitzebedarfs der einzelnen Gemüsesorten zubereitet, kann das Traditionsrezept eine köstliche eigenständige Mahlzeit oder eine sehr gute Beilage ergeben. Krebsbutter und (tiefgefrorene) Flusskrebse bekommt man heute in jedem gut sortierten Lebensmittelhandel, auch wenn die Scherentierchen nur noch selten aus deutschen Gewässern stammen, da aus Übersee eingewanderte Arten sie weitgehend verdrängt haben (→Shanghai). Aber im Notfall passen ersatzweise auch allerlei in Stücke geschnittene Würste gut ins Allerlei.

Ein altes, aufgrund von Artenschutzbestimmungen heute nicht mehr praktikables Rezept liegt der Leipziger Lerche zugrunde. Ähnlich wie bei französischen pâtés wurden die gebratenen Singvögel, mit kreuzweise aufgelegten Speckstreifen, zu Pastetchen verarbeitet. Vielleicht hat man das Kreuz auch aus Teigstreifen auf dem Deckel der Pastetchen gebildet.

Ob es, wie manche alten Fachbücher schrieben, am besonderen Futterangebot in der Landwirtschaft um die sächsische Stadt lag – jedenfalls galten die hier gefangenen Feldlerchen (Alauda arvensis) als besonders schmackhaft und wurden sogar ins Ausland verkauft.

Die Leipziger Lerche

Nach dem Verbot der Lerchenjagd im 19.Jh. schufen Leipziger Bäcker, in deren Öfen traditionell die Singvogel-Pasteten gebacken wurden, süßen Ersatz. Sie erfanden Mürbeteig-Makronen-Törtchen, die mit einer Nussmasse gefüllt wurden. Gekreuzte Teig- oder Marzipanstreifen auf der Oberseite erinnern an das herzhafte Vorbild. Bis heute findet man die Törtchen als Leipziger Lerche in jeweils individueller Abwandlung praktisch bei jedem Bäcker und Konditor der Stadt.

Zweierlei Süßgebäck mit Backpflaumen

Leipziger Räbchen

Ähnlich wie bei obigen Lerchen handelt es sich auch bei den Leipziger Räbchen nicht etwa um junge Krächzvögel, sondern um rabenschwarze →Backpflaumen, mit Marzipan gefüllt und in Bierteig ausgebacken. Eine zwar namentlich irreführende, aber wahrhaftige Köstlichkeit!

Leipziger Strumpfsohlen

Backpflaumen geben auch den Leipziger Strumpfsohlen ihr typisches Aussehen: Aus Hefeteig werden flache Fladen geformt, die wie ein hingeworfener, dicker Wollstrumpf aussehen. Vor dem Backen wurden dem Teig reichlich Backpflaumen eingeknetet, die jetzt ‒ mit etwas Phantasie! ‒ an Löcher erinnern, die eine gut gebrauchte Socke nun halt schon mal aufweist. Manchmal werden die Trockenfrüchte auch nur in die Oberfläche des Teiglings gedrückt, was aber optisch den gleichen Effekt hat.

Manche Quellen besagen, das Gebäck sei bereits im 13.Jh. in Schlesien entstanden. Dort, genauer gesagt im Kloster Trebnitz bei Breslau,

verehrte man die Klostergründerin Hedwig als Heilige. Und die Strumpfsohlen habe man zur Wallfahrt gebacken als Erinnerung an die aufopferungsvolle Armenfürsorge Hedwigs, die selbst bei Eis und Schnee barfuß durch die Lande gewandert sei. Auf vielen Abbildungen ist die Heilige Hedwig deshalb mit Schuhen in der Hand zu sehen, die seinerzeit oft aus einer Kombination von Strickstrumpf und Sohle bestanden.

Wie die Hedwigsohlen schließlich den Weg von Schlesien nach Leipzig fanden, ist nicht so ganz klar. Aber bei etlichen Bäckereien der Stadt gehören sie bis heute zum festen Angebot, als wären sie nie woanders gebacken worden.

Weitere kulinarische Spezialitäten findet man im

Leipziger Kochbuch

von Susanna Eger(in), erschienen 1732, welches lehret was man auf einen täglichen Tisch, bey Gastereyen und Hochzeiten, gutes und delicates auftragen, auch Tische und Tafeln…