Ulis Culinaria

Laguiole

Le Couteau Laguiole

In dem kleinen Ort im Occitanie-Département Aveyron (im lokalen occitan gesprochen laïol, ansonsten lagiol wie in dt. Region) werden seit dem frühen 19.Jh. Messer produziert, die sich durch elegante Griffgestaltung und einen typischen Schwung im Rücken der Klinge auszeichnen. Ursprünglich war das Laguiole ein Messer mit feststehender Klinge (couteau fixe), erst später wurde es zum Klappmesser (couteau pliant) und damit für das Mitführen in der Tasche bestimmt.

Als Erkennungszeichen dient die Verzierung in Form einer Biene auf der Feder im Übergang von Griff zu Klinge, der (historisch fragwürdigen) Legende nach ein Vorrecht, das den Bürgern von Laguiole durch Napoleon Ier für besondere Tapferkeit im Kampf verliehen wurde. Die Form der Biene (frz. abeille) oder, wie andere Interpretationen sagen, einer Fliege (mouche), ist eventuell aus einem Element zum Entsperren des Klappmechanismus‘ entstanden. Aber auch feststehende Messer trugen den Schmuck, und bis heute werden Klappmesser ohne Sperre gebaut. Auch das Kleeblatt als Glückssymbol oder diverse Blütenformen fungierten zeitweise als Zierform. Die ursprüngliche technische Funktion bleibt umstritten.

Durch die Ausweitung der Produktpalette auf feststehende Tafelmesser (besonders für Steaks!) und vor allem mit dem beliebten Kellnerbesteck mit Korkenzieherspirale hat der Name Laguiole Eingang in die Tischkultur gefunden. Kellner und Sommeliers benutzen den tire-bouchon aus Laguiole gerne, weil die Spirale eine Seele hat. So nennt man den hohlen Kern, um den sich die Spirale windet. Bei Korkenziehern, die eher einer Holzschraube mit Schaftgewinde ähneln, reißen dagegen vor allem ältere Korken beim Versuch, an einen gut gelagerten Wein zu gelangen, schnell aus.

Traditionsbewusste und zugleich innovative couteliers (Messerschmiede) verbinden die aufwändige Verarbeitung von mehreren Stahlsorten zu Damaszenerstahl (→Damaskus) mit der Suche nach neuen Materialien und Techniken. Das echte Couteau (de) Laguiole, oder einfach Laguiole, zeichnet sich durch Verwendung besonderer Materialien für die Griffschalen aus: Edle Harthölzer, Horn von Wildrindern oder Zebus, Elfenbein (heute natürlich verboten!), Knochen u.a.

Da man es allerdings versäumt hat, die typischen Gestaltungsmerkmale sowie den Namen Laguiole als Marke schützen zu lassen, existieren auf dem Markt unzählige Nachahmerprodukte aus anderen Orten Frankreichs, aus fernöstlicher Billigproduktion oder aus gänzlich unbekannter Provenienz. Selbst in Laguiole selbst wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehr billige Nachahmungen aus chinesischer Industrie verkauft als tatsächlich im Ort hergestellte Messer. Ein weiteres Hemmnis für den Markenschutz ist, dass Laguiole im Französischen längst zu einem Gattungsnamen für den Gebrauchsgegenstand Taschenmesser schlechthin geworden ist, so wie dies im Deutschen führenden Herstellern von Alleskleber oder Papiertaschentüchern ergangen ist.

Auch deshalb stammt ein Großteil aller in Frankreich produzierten Couteaux de Laguiole aus →Thiers, dem bedeutendsten Messerschmiedeort des Landes. Einen Hinweis auf die Herkunft des Messers erhält der Käufer, wenn unter dem Schriftzug Laguiole auch der der Name des Herstellers auf der Klinge eingraviert ist.

Trotzdem üben in Laguiole nach wie vor renommierte Couteliers ihr Handwerk in traditioneller, ja manchmal künstlerischer Manier aus. 

So gehört die Familie Calmels zu denen, die für ihre Messer regelmäßig hohe Auszeichnungen erhalten. Pierre-Jean Calmels soll 1828 die lokale Messertradition begründet haben.

Deren Wiederbelebung ermutigt derzeit einige Messerschmiede zu einem neuen Versuch, gemeinsam mit den Kollegen aus Thiers den Schutz des Namens Laguiole als Herkunftsbezeichnung doch noch durchzusetzen. Zumindest will man damit die französische Messerproduktion von Billigimitaten aus dem Ausland abheben.

Wer es nicht selbst bis Laguiole schafft, kann auf der Webseite des →Musée du Couteau de Laguiole viel Wissenswertes über die Messerschmiedekunst erfahren!

Noch heute sieht man in Frankreich gelegentlich, dass ein Gast im Restaurant genüsslich sein eigenes Laguiole aufklappt, wenn ihm das entrecôte oder das saignant gebratene rumsteck serviert wird. Wohl wissend, dass es gut genug geschärft ist, was man von den wellengeschliffenen Restaurant-Messern meistens nicht behaupten kann …