Ulis Culinaria

Kobe

Die eher durch Erdbeben zu trauriger Bekanntheit gelangte Hafenstadt im Süden der japanischen Hauptinsel Honshu ist Liebhabern fleischlicher Genüsse als Heimat der Kobe-Rinder ein Begriff. Die in Japan tajima genannten Hausrinder (Bos primigenius tauris) liefern feinstmarmoriertes und damit zartestes, saftigstes Fleisch, dessen Qualität durch legendenumwobene Prozeduren wie regelmäßiges Massieren der Rinder und Mästung mit Bier zusätzlich gesteigert wird. Die hervorragenden Eigenschaften des Kobe-Rindfleischs sind das Ergebnis züchterischer Optimierung und von keiner anderen Rinderrasse weltweit erreicht worden. Die angebliche Biermast könnte auch durch ungenaue Übersetzung von japanischen Fachbegriffen entstanden sein: die Herstellung des japanischen Reisweins Sake hat technisch betrachtet eher mit dem Brauen von Bier als mit dem Ausbau von Wein zu tun. Die hierbei entstehenden nahrhaften Braurückstände werden – auch in Kobe – gerne an Rinder verfüttert.

Kobe-Rind

Fleisch der Extra-Klasse

Legende oder nicht ‒ das Ergebnis erzielt jedenfalls in Japan selbst, wo es als Fleisch der Kaiser verehrt wird, sowie auf internationalen Fleischmärkten absolute Rekordpreise. Von Japan wurde Kobe-Rindfleisch lange Zeit nicht exportiert. Erst seit 2014 wird es von ausgesuchten Händlern nach Deutschland und in die EU importiert. Für Kobe-Rinderfilet z.B. ist hierzulande ein Kilopreis von 500 bis 700 € durchaus normal (2023).

Um die heimische Rindfleischproduktion gegen Fleisch aus anderen Ländern zu schützen, hat man in Japan ein zwölf(!)-stufiges System zur Bewertung des Marmorierungsgrades entwickelt. Da das menschliche Auge solch feine Abstufungen kaum noch unterscheiden könnte, wird das Fleisch beim sog. Beef Marbling Standard (BMS) von einem computergestützten optischen Roboter bewertet. Und selbstverständlich belegt das Kobe-Fleisch die Stufen 10 bis 12, während es europäische oder amerikanische Steaks allenfalls auf eine 4 bis 6 schaffen …

Kobe Kotlett
Kobe-Steak

Dass ein Kobe-Steak allerdings tatsächlich die im Vergleich mit einem auf einer europäischen Weide gehaltenen Rind exorbitanten Preise rechtfertigt, darf bezweifelt werden. In Japan steht das Kobe-Fleisch in einer Reihe von sündhaft teuren Lebensmitteln wie z.B. der →Yubari-Melone.

Die Frage nach dem Sinn solcher Preisgestaltung ist eher etwas für Sozial-psychologen als für die Kulinarik …

Kobe-Filet

In den 1990er Jahren gelangten die ersten Tajima-Rinder außerhalb Japans, heute wird die Rasse wegen der steigenden Nachfrage nach dem besonderen Fleisch vor allem in Australien und den USA, vereinzelt inzwischen auch in Deutschland gehalten. Hier haben sich die Halter bzw. Züchter im Wagyu Verband Deutschland e.V. zusammengeschlossen. Wagyu ist eine Sammelbezeichnung für mehrere japanische Rinderrassen, zu denen eben auch das Kobe- bzw. Tajima-Rind zählt. Der Name Kobe darf allerdings nach wie vor als geschützte Bezeichnung nur für das Fleisch von Rindern verwendet werden, die im Stadtbezirk der japanischen Metropole geboren, aufgezogen und geschlachtet wurden.

Yakiniku

Durch Kreuzung von Wagyu mit dem schottischen Angus aus →Aberdeen ist in jüngerer Zeit die neue Rasse Wangus entstanden.

Der japanische Zuschnitt des geschlachteten Rinds unterscheidet sich von den europäischen Schnittformen. Besonders wird das an den Fleischstücken sichtbar, wie sie für Yakiniku, den japanischen Grill vorbereitet werden. Dort, in der kurzen, aber hohen Hitze, entfaltet das fettmarmorierte Wagyu-Fleisch sein ganzes kulinarisches Vermögen!