Ulis Culinaria

Karlovy Vary

Schon im 14. Jh. erkannte man die heilende Wirkung des Wassers, das aus den Thermalquellen des tschechischen Kurbades sprudelt. Der tschechische Name von Karlsbad bedeutet Karls warmes Wasser. Das geht auf den böhmischen König und deutschen Kaiser Karl IV. zurück, der den Kurort 1370 zur Königstadt ernannte. Kaum eine der großen Persönlichkeiten der europäischen (Kultur)-Geschichte, die dort nicht schon ihr Heil gesucht hätte, von A wie Kemal Atatürk über Bach, Beethoven, Goethe, Schiller … bis zu Z wie Zar Peter der Große.

Fast 29.000hl mineralhaltiges Wasser fördern zwölf Quellen aus 2.000m Tiefe nach oben. Im Karlsbader Vřídlo/Sprudel, der Größten unter ihnen, kühlt sich das gut 70° heiße Wasser in einer 12m hohen Fontäne schon mal etwas ab, bevor es in einem Becken aufgefangen wird. Die meisten Brunnen sind frei zugänglich. Dort kann man seine Schnabeltasse füllen und ein paar Schlucke des glaubersalzhaltigen Wassers trinken. Das hilft bei einer ganzen Reihe von Gebrechen. Von der Unterstützung des Verdauungsapparates über Leber- und Gallenfunktion bis zur Minderung von Diabetes, Übergewicht, Zahnverfall und und und …

Karls warmes Wasser

Der Vřídlo

Karlsbader Gulasch

Nach anstrengender Kuranwendung stärkt ein deftiges Karlsbader Gulasch aus Rindfleisch, das, nach osteuropäischer Küchentradition, mit saurer Sahne bereitet und, die k.u.k.-Zeiten lassen grüßen, mit Nockerl, kleinen Teigklößchen, serviert wird. Oder, wie auf diesem Bild, mit Scheiben von einem deftigen Serviettenknödel.

Karlsbader Oblaten

Ein regelrechter Exportartikel sind die Karlsbader Oblaten geworden, zwei oder auch mehr hauchdünne, kreisrunde Waffeln von der Größe eines Desserttellers, zwischen denen verschiedene süße Schichten (im Original eine Mandel-Zucker-Crème) zum Sündigen gegen das Ziel der Kur verleiten.

Karlovarské oplatky

Zu einem Politikum wurden die Waffeln, nachdem Tschechien 2004 bei der EU einen Namensschutz für die Karlsbader Oblaten beantragte. Eine bayrische Firma, deren Gründerin bei ihrer Flucht aus dem Sudetenland eine originale Waffel-Backform mitbrachte, stellt seit damals ebenfalls Oblaten unter dem gleichen Namen her. Nach dem Willen der zuständigen EU-Kommission läuft der Streit wohl darauf hinaus, dass die bayrischen Waffelbäcker weiterhin Karlsbader Oblaten produzieren dürfen, während die tschechischen Kollegen künftig die landessprachliche und als →CZO (g.g.A.) geschützte Bezeichnung Karlovarské oplatky verwenden.

Karlovarský suchar

Aus dem Wasser der Heilquellen wird das Karlsbader Salz gewonnen, das in der chemischen Form von Natriumsulfat zur Säureregulation in der Herstellung von industriellen Lebensmitteln dient.

Das Salz macht auch einen Zwieback zu etwas geschmacklich ganz Besonderem, der als Karlovarský suchar mit einer →CZO namentlich geschützt ist. Und dank der mitgebackenen Heilkräfte natürlich nochmal gesünder und magenfreundlicher!

Karlsbader Schnitte

In der früheren DDR wurde Toastbrot, das mit gekochtem Schinken und Ananasscheiben belegt und mit Käse überbacken war, als Karlsbader Schnitte bezeichnet. Der in der BRD für die gleiche Zubereitung übliche Name Toast Hawaii klang wohl zu amerikanisch, dafür schmückte man sich lieber mit dem luxuriösen Glanz der alten Kurstadt im damals noch sozialistischen Bruderstaat.

Die Erfindung wird übrigens dem Schauspieler Clemens Wilmenrod zugesprochen, der in den 1950er Jahren die erste Kochsendung im deutschen Fernsehen begründete.

Bald nach dem 1. Weltkrieg war der Kurbetrieb praktisch eingeschlafen und der Glanz verblasst. Nach der sog. Wende um 1990 wurden die alten Kurhotels wiederbelebt. Das Ortsbild wurde mächtig aufpoliert, und in den Kurparks und den Kolon-naden, extra zu diesem Zweck erbau-ten Säulengängen, wandeln wieder nicht nur Tages-Touristen, sondern zunehmend Kurgäste, die über meh-rere Wochen nach Erholung und Hei-lung suchen. Um die Gäste neben den Kuranwendungen zu unterhalten, hat die Stadt ein inzwischen ansehnliches Kulturprogramm aufgelegt, das so ziemlich für jeden Geschmack etwas zu bieten hat.

Karlsbader Schnabeltasse

Und die oben genannten Schnabeltassen sind zu einem der beliebtesten Andenkenartikel aus Karlsbad geworden. Dabei überwiegt allerdings der Kitsch den guten Geschmack deutlich. Aber wer bereit ist, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, findet im anspruchsvollen Porzellan-Fachhandel durchaus sammlungswürdige Exemplare.

Im Jahr 2021 wurden elf europäische Kurstädte wegen ihrer kulturhistorischen Bedeutung von der UNESCO zu

Great Spas of Europe

gekürt und in die Liste des Welterbes der Menschheit aufgenommen. Darunter befindet sich neben →Baden-Baden und →Bad Kissingen auch Karlovy Vary.