Ulis Culinaria

Avignon

Küche zwischen Papstpalast und Bauernhaus

Die Stadt der Päpste, Theaterleute und Brückentänzer ist in der Küchenliteratur vertreten durch die Daube avignonnaise, ein deftiges Schmorgericht mit Lammschulter, Speck und Gemüse, vor allem Zwiebeln und Karotten.

Pont Saint-Bénézet und Palais des Papes

Daube avignonnaise

Vor dem Schmoren wird das gewürfelte Fleisch mit Thymian, Lorbeer und Orangenzesten in Olivenöl und Weißwein mehrere Stunden mariniert. Gerne wird dieses Gericht durch Artischockenböden und weiße Bohnen erweitert. Im provençalischen Dialekt nennt man es adòba avinhonenca. Das Verb adobar bezeichnet allgemein das Zubereiten einer warmen Speise. Traditionell wird als Kochgefäß ein bauchiger Tontopf, die daubière verwendet. Eine ähnliche daube kennt man in →Nice und in →Saint-Gilles.

daube

Sauce avignonnaise

Die Sauce avignonnaise ist eine eigelbgebundene Rahmsauce mit reichlich Knoblauch, Käse und Petersilie, die vor allem zu feinem Fleisch und Geflügel gereicht wird.

Eine Pâtisserie-Kreation aus der Mitte des 20.Jhs. sind die

Papalines d’Avignon.

In wortspielerischer Verbindung von pape und praline wird an die päpstliche Vergangenheit der Stadt erinnert. Ein aus mehr als 50 Kräutern, vor allem aber Oregano, und Honig aus der Region des Mont Ventoux hergestellter Likör namens Origan du Comtat (nach der historischen Grafschaft Comtat Venaissin, →Carpentras) wird in langwieriger Handarbeit von mehreren Schokoladeschichten eingehüllt.

Die igelartig strukturierte Deckschicht des bonbon besteht aus knallrosa gefärbter weißer Schokolade. Die Struktur entsteht, wenn die Praline während des Aushärtens der Schokolade auf einem Gitter hin und her gewälzt wird.

Papalines d'Avignon

Etlichen Restaurants der Stadt merkt man erfreulicherweise an, dass sie noch heute die Tradition der gehobenen Küche hinter den Mauern des Papstpalastes in Ehren halten.

Man hat allerdings zuweilen das Gefühl, man müsse mit der Rechnung für die leiblichen Genüsse auch gleich den Ablass mitbezahlen.

Sur le pont d’Avignon, on y danse, on y danse … Les beaux messieux font comme ça … Les belles dames font comme ça …

Seit dem 15. Jh. kennt man das Lied vom Tanz auf dem Pont Saint-Bénézet. Und je nach Anlass, Lust und Laune lässt man den schönen Herren und Damen in weiteren Strophen alle möglichen anderen Tänzerinnen und Tänzer folgen.

... sur le pont ...

Grafik von W.Crane, 1845-1915

 

Dabei war ursprünglich wohl vom Tanz sous le pont die Rede, also unter der Brücke. Dort, auf der Île de la Barthelasse, die die Rhône teilt, fanden alten Quellen zufolge früher regelmäßig Jahrmärkte mit viel Musik und eben auch Tanz statt.

Die Brücke überquerte die beiden Fluss-Bögen und die Insel auf einer Länge von gut 900m mit 22 Bögen. Nach mehreren Zerstörungen durch Kriege und Rhône-Hochwasser hat man es irgendwann aufgegeben, sie zu reparieren. Die heute noch in den Fluss hineinragenden vier Brückenbögen stehen als Teil des Weltkulturerbes Historisches Zentrum von Avignon – neben dem Papstpalast und dem Dom –  unter UNESCO-Schutz.