Ulis Culinaria

Cuneo

Auf den sanften Hügeln des Piemonte reifen Barlo- und Barbaresco-Weine sowie etliche andere feine Früchte (*). In den höher gelegenen Wäldern der Berge, zu deren Füßen die Region liegt (lat. pedem monti, am Fuß der Berge) erntet man mehrere Sorten der Edelkastanie (Castanea sativa) und vermarktet sie als

Castagna Cuneo,

besonders seit 2007, als dieser Name als →IGP geschützt wurde. 

Das Piemont -

- Schlaraffenland Italiens

Die Kastanienbäume werden nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet und genießen sonnenverwöhnte und vor kalten Alpenwinden geschützte Hanglagen. Die frischen Früchte mit ihrem zart cremigen, leicht süßlichen Kern schmecken am besten auf die traditionelle Art, also im Ofen oder, noch besser, über Holzkohlenglut knusprig geröstet. Getrocknete Kastanien eignen sich, eingeweicht und gekocht, als Beilage zu vielen Gerichten. Zu Mehl gemahlen finden sie Verwendung in der Backstube.

Castagna Cuneo

Die Esskastanie hat sich in der Region auf natürliche Weise angesiedelt, ihre Nutzung als Nahrungsmittel ist auch hier seit der Antike bekannt. Längst sammelt man die Nussfrüchte nicht mehr nur als Naturgeschenk vom Boden auf. Durch züchterische Auswahl haben die Waldbauern die Qualität stetig verbessert und die heutigen Sorten entwickelt. Zu einem wirtschaftlichen Faktor wurden die Maronen im Mittelalter, als über den Eigenbedarf hinaus der Handel mit den Ernteüberschüssen begann. Zusätzliche Maßnahmen wie Baumschnitt, Mindestabstände zwischen den Bäumen und Bodenpflege tun ein Übriges. Nicht ohne Stolz nennt sich Cuneo Kastanienhauptstadt Italiens.

Cuneo, im Westen des Piemont gelegen, reiht sich unter den vielen italienischen Schinken-Orten ein mit dem

Crudo di Cuneo (DOP und PAT).

Die Jungschweine können von verschiedenen, festgelegten Rassen kommen, die Tiere müssen aber alle im Erzeugungsgebiet der Rohschinken (crudo = roh) aufgezogen und geschlachtet sein, da zwischen Schlachtung und dem ersten Einsalzen maximal 120 Stunden liegen dürfen. Das Pökelsalz wird mit grob zerstossenem Pfeffer, etwas Essig und Kräutern vermengt. Nach zwei Wochen im Salz genießt der prosciutto eine rund 50-tägige Ruhe, bevor die Reifungsphase folgt.

Crudo di Cuneo

Die Keulen hängen in gut durchlüfteten Räumen, bis der Schinken seit der Schlachtung mindestens 10 Monate hinter sich hat. Die von den Seealpen herunterströmende Luft bietet gute Reifebedingungen. Während dieser Zeit werden die offenen Fleischpartien in der sugnatura mit einer Mischung aus Schmalz (sugna), Salz und Reis- oder Weizenmehl versiegelt. Diese pastose Masse erinnert an Stukkateur-Gips und wird in manchen italienischen Schinkengegenden stucco genannt (→Sauris di Sopra).

Fagiolo Cuneo

In der piemontesischen Küche verwendet man gerne den

Fagiolo Cuneo.

Die Hülsenfrucht von Phaseolus vulgaris und Phaseolus coccineus wird in die zwei Sortengruppen fagiolo secco und fagiolo rosso unterschieden. Als getrocknete (secco) Bohnen kommen Billiò mit cremefarbener, rotbraun gescheckter Schale sowie die reinweißen Sorten Bianco di Bagnasco und Bianco di Spagna auf den Markt. Und als wachsweiches frisches Gemüse werden Stregonta und Borlotto angeboten, beide in ihren auffällig rot (rosso) gestreiften Hülsen. Seit 2011 genießen alle diese Sorten unter der Sammelbezeichnung Fagiolo CuneoIGP-Status.

Cuneesi al Rhum

Der Genussmensch Ernest Hemingway wird immer wieder gern bemüht, wenn es um die Werbung für kulinarische Produkte geht. So machte der Schriftsteller am 8. Mai 1954, während der Fahrt von Milano ins französische Nice, eigens einen Umweg über Cuneo, um dort für Mary, seine Frau, eine besondere Süßigkeit zu erwerben: Die

Cuneesi al Rhum

bestehen aus einer mit reichlich Rum aromatisierten Schokoladencreme, eingefasst in eine Halbkugel aus gebackenem Eischnee (meringa) und umhüllt von dunkler, zartbitterer Schokoladenglasur. Die walnussgroßen Pralinen werden einzeln in grün- oder rotglänzende, goldbeschriftete Folie gehüllt und in mit Schleifchen verschnürten kleinen Kartonschachteln verkauft. So fand auch Hemingway das schon passend gestaltete süße Geschenk für seine Gattin. Den Tipp hatte er von seinem italienischen Verleger, der ihn natürlich direkt zum Schöpfer der Cuneesi selbst schickte:

Die süße Köstlichkeit wurde Anfang des 20.Jhs. vom Café-Besitzer Andrea Arione erfunden. Trotz vieler Nachahmungen in unterschiedlichsten Abwandlungen gibt es das Original nach wohlgehüteter Rezeptur weiterhin nur in der negozio-bar Arione in Cuneo. Unter anderem besteht das Geheimnis in der Kunst, Schokoladencreme und Meringe so zu vereinen, dass die Eischnee-Hülle nicht vom Rum aufgeweicht und undicht wird. Auch das Haus Arione stellt inzwischen Variationen der Cuneesi her: der rum (auch hier inzwischen meist ohne h geschrieben) wird z.B. durch andere Spirituosen oder alkoholfreie Flüssigkeiten ersetzt, die Schokoladencreme durch Nusscreme oder auch durch eine feine Maronenmasse, die natürlich aus der Castagna Cuneo (s.o.) hergestellt ist.

(*)

Unter den Früchten, die hier gedeihen, sucht man vergebens nach der berühmten Piemont-Kirsche. Der in Alba ansässige Süßwarenhersteller, der damit eine seiner Pralinen bewirbt, räumt ein, dass die zu Werbezwecken so genannten Früchte in Wirklichkeit aus Chile, aus Polen oder auch aus der süddeutschen Ortenau stammen. Sie werden je nach Reifezeit und nach Preis weltweit eingekauft, nur nicht vor der eigenen Haustür.

Eine Kirschensorte namens Piemont-Kirsche existiert jedenfalls nicht.

Die "Piemont-Kirsche", ein Werbemythos ...