In dem französischen Hafenstädtchen an der östlichen Pyrenäenküste werden pro Jahr rund 400t kleiner Heringsfische, genauer die Europäische Sardelle Engraulis encrasicolus, entweder in Salz, in Lake oder in Olivenöl konserviert und als
Anchois de Collioure
(→IGP seit 2004) verkauft. Traditionell werden die Anchovi bzw. Sardellen im baril, einem kleinen Eichenfass (vgl das Weinfass barrique oder engl. barrel), abwechselnd mit Meersalz geschichtet und nach der Reifezeit in Gläschen oder Metalldöschen gefüllt. Neben dieser Version au sel bekommt man die anchois auch en saumure (in Salzlake) und à l’huile (in Öl).
1659 einigten sich der französische Sonnenkönig Louis XIV und sein spanischer Amtskollege Philippe IV im sog. Pyrenäenvertrag über die Aufteilung Kataloniens zwischen ihren beiden Ländern. Cotlliure, so der Ortsname auf catalán, nur wenige Kilometer nördlich der neuen (und noch heutigen) Grenze gelegen, fiel an Frankreich und wurde vom König quasi als Entschädigung von der gabelle, der Salzsteuer befreit. Dieser wirtschaftliche Vorteil ermöglichte die rentable Verarbeitung von Fisch zu einem haltbaren Lebensmittel mit Hilfe von Salz. Die Methode hat den Effekt, dass das Fleisch der Fische, anstatt durch Hitze, durch Marinieren gegart wird. Dieser Begriff bedeutet nichts anderes, als ein Lebensmittel dem im Meerwasser enthaltenen Salz, dem sel marin bzw. sel de mer auszusetzen.
Deshalb eignen sich Sardellen genauso zu kalten Vorspeisen oder zu Salaten wie als würzende Beigabe zu allerlei warmen Gerichten. Hin und wieder hat man die anchois auch zum Einsalzen verschiedener Lebensmittel verwendet, um die Salzsteuer zu umgehen. Für manche Verwendung empfiehlt sich, die Fische vorher zu waschen oder zu wässern, um den Salzgehalt etwas zu mindern. Als Snack zum Aus-der-Hand-Essen werden sie gerne in heißem Öl knusprig fritiert und, wie Pommes frites, aus Papiertütchen vernascht.
Das südfranzösische pissalat (von provençalisch peis salat für gesalzenen Fisch) besteht aus anchois, die mit Zwiebeln, Kräutern und Gewürzen zu einer cremigen, vielseitig einsetzbaren Würzsauce zerstoßen werden. Z.B. bildet es, auf einen dünnen Teigfladen gestrichen und mit Oliven im Ofen gebacken, die Hauptzutat für die pizzaähnliche pissaladière, die aus der Provence, genau er gesagt aus →Nice kommt.
In den Rezepten namhafter Kochbuchautoren und –autorinnen werden oft, wenn Sardellen im Spiel sind, ausdrücklich die Anchois de Collioure empfohlen.
Obwohl die Überfischung durch die internationalen Fangflotten in den letzten Jahrzehnten auch bei der Sardelle zu bedrohlichem Rückgang der Bestände geführt hat, werden die Fische noch immer wie seit jeher bei nächtlichen Fischzügen mit dem katalanisch benannten lamparo, einer großen Lampe am Bugausleger der Boote, ins Netz gelockt.