Ulis Culinaria

Zuo Zongtang

*1812 Wenjialong, †1885 Fuzhou

Einen gewaltigen Eindruck muss der General bei den Vertretern der westlichen Mächte hinterlassen haben, die sich gegen Ende der Qing-Dynastie in China herumtrieben, um ihre Chancen auf Einflusssphären auszuloten. Aufstände und Bürgerkriege in dem riesigen Reich läuteten den Untergang des seit 1644 herrschenden Kaiserhauses ein. Und General Zuo wurde für seine militärischen Erfolge im Dienst des Kaisers – bei denen er über hunderttausende Leichen ging! – zwar mit Ehrungen überhäuft und mit hohen Staatsämtern betraut, konnte aber das Ende der Dynastie, das dann schließlich 1911 besiegelt wurde, letztlich auch nicht verhindern. Er starb noch vor dem Ende des Chinesisch-Französischen Krieges, in welchem der schon über 70-jährige letztmals die kaiserlichen Truppen befehligte.

General Tso's Chicken

Wir Europäer taten uns schon seit Marco Polo schwer, die chinesischen Schriftzeichen und deren Aussprache in die lateinische Schrift zu übertragen. So wird, je nach System, der Name des Generals mal Tso Tsung-T’ang, mal Zuŏ Zōngtáng oder in weiteren Abwandlungen geschrieben. Und englischsprachig hat man sich weitgehend auf General Tso geeinigt. Entsprechend findet man in der chinesischen Gastronomie vor allem in den USA auf vielen Speisekarten General Tso’s chicken.

Hierfür wird das Fleisch von Brust oder Schenkeln eines Hähnchens in mund- bzw. stäbchengerechte Würfel geschnitten und ein, zwei Stunden in einer Mischung aus Sojasauce, Reiswein und Gewürzen mariniert. Aus den gleichen Zutaten wird separat eine Sauce zubereitet, die durch Maisstärke Bindung und durch Zugabe von bird’s eye chili feurige Schärfe erhält. Die kleinen Schoten des Vogelaugen-Chili bekommt man im Handel auch als Thai-Chili, mit bis zu 100.000 SHU (→Scoville) gehören sie zu den wirklich scharfen Sorten von Capsicum annuum! Je nach Küche wird die Sauce mit Knoblauch, Reisessig, Hoisinsauce, Tomatenmark und weiteren Zutaten ergänzt. Eine Prise Zucker schafft etwas Ausgleich zur Schärfe.

Im Wok, dem chinesischen Allzweck-Kochgefäß (→Ding Baozhen), wird reichlich Sesamöl – oder ein anderes hitzebeständiges Öl – erhitzt. Die abgetropften Fleischstücke werden in gewürztem Maisstärkepulver gewälzt und im Wok knusprig ausgebacken. Damit sich eine schöne Kruste bilden kann, sollte nicht zuviel Fleisch auf einmal ins Öl gegeben werden, gegebenenfalls also lieber portionsweise braten. Danach wird das Öl abgegossen. Falls ein Wok nicht zur Verfügung steht, kann eine Friteuse als Alternative dienen. Vorfiletierte Hähnchenbrust wird im Handel meistens ohne Haut angeboten – leider! Denn gerade sie sorgt im heißen Fett für einen besonders knusprigen Effekt. Will man auf diesen Genuss nicht verzichten, lohnt es sich also, lieber ein ganzes Hähnchen zu kaufen und es selbst zu zerteilen.

Das Fleisch wird abschließend zusammen mit der Sauce nochmals erhitzt. Damit die Sauce sich als glänzende Hülle um die Würfelchen legen kann, muss die Bindung evt. mit etwas Stärke nachreguliert werden. Serviert wird General Tso’s Hähnchen meist mit Reis und gedämpftem Brokkoli. Dieser kann, in mundgerechte Röschen zerteilt und separat bissfest gegart, auch gut zum Schluss mit dem Fleisch im Wok geschwenkt werden.

Made in China-

In der Xiang-Küche der chinesischen Provinz Hunan, aus der Zuo Zongtang stammte, ist diese Zubereitung ursprünglich völlig unbekannt. Selbst noch dort lebende Nachkommen können sich keinen rechten Reim darauf machen, wie ihr prominenter Vorfahr zu der kulinarischen Ehrung kam. Allerdings wurde das Generals-Hähnchen im Westen bald für ein typisches Beispiel der Xiang-Küche gehalten. Meistens wird als Erfinder des Rezeptes der ebenfalls in Hunan geborene Koch Peng Chang-kuei genannt.

(-Town?)

Er war als Küchenchef der Nationalregierung nach dem Chinesischen Bürgerkrieg 1949 mit den unterlegenen Leuten der Kuomintang-Partei unter Führung von Chiang Kai-shek ins Exil nach Taiwan geflohen und später in die USA ausgewandert. In seinem 1973 in New York eröffneten Restaurant soll er das Hühnchengericht erstmals zubereitet haben. Vielleicht hat Peng den kaisertreuen General als Symbolfigur des vorkommunistischen alten China zum Namensgeber erwählt.

Er glich allerdings die Würzung des Hähnchens mit viel Süße an den Geschmack seiner überwiegend amerikanischen Gäste an. Als Peng dann in den 1990er Jahren, die politische Lage hatte sich etwas entspannt, auch in Hunan ein Restaurant eröffnete, wurde seine Kreation von den chinesischen Landsleuten gerade wegen dieser Süße abgelehnt. Allerdings übernahmen einheimische Köche das Rezept, versahen es aber wieder mit landestypischer Würze. So ist ein in Hunan ursprünglich unbekanntes Gericht doch noch in die Heimat seines Namensgebers zurückgekehrt …!