Ulis Culinaria

Robert

unbekannt

Gute Manieren sind das A und O jedes ordentlichen Betruges.

Nach dieser Devise versucht im Jahr 1941 ein Geheimagent in Marseille, zwei Ganoven bei einem feinen Menü ebenso feines Benehmen beizubringen, um sie auf einen lukrativen Coup vorzubereiten.

Nach der ersten Lektion, kleckerfreies Verspeisen von Spaghetti Bolognese mit Hilfe der im Löffel gedrehten Gabel, folgt der Gebrauch von Messer und Gabel für Schweinekoteletts, die man als gesitteter Mensch gefälligst nicht am Knochen packt, um sie von selbigem zu nagen.

Monsieur de la Rue, Sie benützen ja die Tortengabel!,

muss der Benimm-Schüler ermahnt werden, denn die ist schließlich fürs Dessert, eine →Sacher-Torte.

Das Rezept für diesen Gang ist in dem kulinarisch-vergnüglichen Roman Es muß nicht immer Kaviar sein von Johannes Mario Simmel als Koteletts Robert vermerkt. Der Agent, der sie zubereitet, nennt sich gerade Pierre Hunebelle, eigentlich heißt er Thomas Lieven.

Koteletts Robert

Schweinekoteletts mit Sauce Robert

Er schneidet den Fettrand der Schweinekoteletts ein und brät sie in einer sehr heißen Pfanne an. Nach dem Herausnehmen des Fleisches wird der Bratensatz mit einer Mischung aus Rotwein, saurer Sahne und scharfem Senf abgelöscht, die entstandene Sauce wird über die Koteletts gegeben.

Damit wird die vereinfachte Abwandlung einer Sauce beschrieben, die seit langem in französischen Kochbüchern als Sauce Robert zu finden ist.

Der Namensgeber für die Zubereitung lässt sich allerdings nur vage vermuten. Der französische Renaissance-Dichter François Rabelais (1483-1553), der Schöpfer der genusssüchtigen Riesen Pantagruel und Gargantua, lobt einen nicht näher identifizierten Koch namens Robert für die saulse … tant salubre et nécessaire, die so gesunde und notwendige Sauce.

Auch in den Büchern anderer großer Persönlichkeiten der französischen Küchengeschichte wie →La Varenne oder →Carême kommen Senfsaucen in Verbindung mit dem Namen Robert vor.

Der Gastrosoph →Grimod de la Reynière erwähnt in seinem Almanach des Gourmands anfangs des 19.Jhs. eine Sauce à Robert an mehreren Stellen, allerdings ohne die Zubereitung oder den Namensgeber zu beschreiben.

Sauce Robert

Daumier, Fütterung Gargantuas

Aber: Wer auch immer dieser Robert gewesen sein mag – der Erfinder der Senfsauce ist er gewiss nicht! Die ältesten bekannten Schriften zur Herstellung von Senf stammen aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert. Araber brachten die Senfpflanze und ihre Nutzung nach Spanien, von dort aus verbreitete sich der Senf in ganz Mitteleuropa. Und dass man schon sehr bald auf die Idee kam, die bei der Zubereitung von Fleisch und anderen Lebensmitteln entstehende Sauce mit Senf zu würzen, darf angenommen werden. Zumal andere Scharfmacher wie →Piper nigrum und →Chili noch gar nicht in Europa angekommen waren.

In den Standardwerken z.B. von Paul →Bocuse oder im Larousse gastronomique basiert das Rezept für die Sauce Robert auf der Sauce espagnole, einer reduzierten Grundsauce aus in Butter, Rotwein und Essig gedünsteten feingehackten Zwiebeln bzw. Schalotten, die durch Cayennepfeffer Schärfe erhält. Die Sauce Robert unterscheidet sich von der spanischen Sauce durch weitere Schärfe in Form von Senf. Da dieser allerdings dazu neigt, sich beim Kochen in seine Bestandteile zu trennen, weisen die Kochbücher darauf hin, dass man ihn erst ganz zum Schluss und abseits vom Feuer unterrührt.

Zu Koteletts und anderem kurzgebratenen Fleisch, bei dem nicht viel Bratenfond entsteht, passt die Robert-Sauce besonders gut. Ob zum Ablöschen weißer oder roter Wein genommen wird, sollte man davon abhängig machen, ob die Sauce helles oder dunkles Fleisch begleiten soll.

Und da Senf nicht gleich Senf ist, hat man auch die Möglichkeit, den Charakter der Sauce durch die →Wahl der Sorte – vom körnig-süßen Moutarde à l’ancienne bis zum höllisch scharfen fine et forte – zu beeinflussen.