Ulis Culinaria

John Macadam

*1827 Northbank, †1865

Auch gut 200 Jahre nach der Landung der ersten Europäer auf dem Fünften Kontinent war Australien immer noch weitgehend die terra australis incognita, das unbekannte südliche Land, das schon die alten Griechen als Gegengewicht zu der ihnen bekannten Welt auf der anderen Seite des Erdballs vermutet hatten. So waren auch im 18.Jh. noch zahllose Expeditionen unterwegs, um die australische Geografie sowie Fauna und Flora zu erkunden.

terra australis incognita

Macadamia ternifolia

Ziemlich am östlichsten Punkt der Rieseninsel liegt Brisbane, das 1842 aus einer englischen Strafkolonie entstand. Schon wenig später bestaunten die Menschen dort in einem botanischen Garten viele der Pflanzen, die sie nicht selbst in der noch unerschlossenen Wildnis des Umlandes entdecken konnten. Walter Hill, der Direktor der Anlage, war 1857 mit dem deutschen Naturforscher Ferdinand von Müller in den Wäldern südlich von Brisbane unterwegs, wo sie wieder einmal eine bis dahin unbekannte Baumart entdeckten. Sie tauften sie Macadamia ternifolia. Der zweite Namensteil bedeutet dreifach-blättrig, ist also botanisch begründet.

J.Macadam, Portrait 1865

Für den ersten Namensteil, den Gattungsnamen, dachten Müller und Hill an ihren Freund John Macadam. Der war zwar kein Botaniker, hatte aber als Mediziner und Chemiker einen guten Namen in der noch jungen australischen Wissenschaftswelt. Er war 1855 vom schottischen Glasgow nach Australien ausgewandert und arbeitete etliche Jahre als Lehrkraft am Scotch College in Melbourne, der Hauptstadt des südöstlichsten Bundesstaates Victoria. Nach der Gründung der University of Melbourne übertrug man ihm die erste medizinische Professur. Als Mitglied der Royal Society of Victoria war er an der wissenschaftlichen Vorbereitung von Exkursionen zur Erforschung des australischen Kontinents beteiligt.

Auf solchen Erkundungsfahrten wurden später noch weitere Arten der Gattung Macadamia entdeckt, heute werden vier Spezies unterschieden. Die frühen Forscher lernten von den aborigines, wie sie die Ureinwohner nannten, dass sich besonders die Samen von M. tetraphylla und M. integrifolia als wertvolles Nahrungsmittel nutzen lassen. Dazu ist allerdings einige Anstrengung nötig: Die zwischen 1,5 und 2,5cm großen holzigen Kügelchen ‒ es handelt sich botanisch nicht um Nüsse, sondern um die Samen von Steinfrüchten ‒ sind mit einer Schalendicke von bis zu 5mm so hart, dass man schon einiges an Kraft benötigt, um sie zu knacken. Die meisten haushaltsüblichen Nussknacker kapitulieren hierbei! Deshalb gelangen die essbaren und erstaunlich zart-knackigen Samenkerne praktisch nie ungeschält in den Handel, die Arbeit wird zuvor von speziellen Stahlwalzen in den Anbaubetrieben erledigt.

Macadamia-Nuss

Aber die Mühe lohnt sich, selbst wenn man für den Aufwand einen relativ hohen Preis bezahlen muss. Die Macadamia-Nuss, wie man sie entgegen der botanischen Definition nennt, ist reich an gesunden, ungesättigten Fettsäuren, an Mineralstoffen wie Magnesium und Kalium sowie an Vitaminen. Beispielsweise ist der Tagesbedarf an Nicotinsäure, auch als Vitamin B3 bekannt, schon mit einer Handvoll der geschälten Samen gedeckt. Oft kommen Macadamianüsse stark geröstet, gesalzen und in weiteren Verarbeitungsformen in den Verkauf, wobei allerdings ein erheblicher Teil der guten Inhaltsstoffe verloren geht. Gerne werden sie werbeträchtig als Bestandteil von Müsli-Fertigmischungen hervorgehoben. Dort fällt aber ein Großteil ihres Gesundheitswertes schon allein dem meist völlig überhöhten Zuckerzusatz zum Opfer.

Am besten genießt man sie nur zart geröstet und ohne Salz oder andere Zusätze als wohltuende Knabberei ‒ und wegen der rund 70% Fettanteil auch das nur in Maßen. Der hohe Fettanteil hat Vor- und Nachteile. Bei falscher oder überlanger Lagerung werden Macadamias, wie alle ölhaltigen Lebensmittel, leicht ranzig. Man sollte sie deshalb rasch verzehren und dazwischen kühl, trocken, luftdicht und dunkel aufbewahren. Aber die Vorzüge der Macadamia-Nüsse überwiegen bei weitem. Die zarte Konsistenz und der nussig-buttrige Geschmack machen sie zu einer vielseitigen Mitspielerin. In der Bäckerei und Konditorei können sie in Kombination mit

oder als Alternative zu den bei uns heimischen Nüssen eingesetzt werden. Im Obstsalat, in Eiscreme und in vielen Desserts bringen sie eine exotische Note ein. Wie die sonst üblichen Pinienkerne ergänzen sie wunderbar einen knackigen Blattsalat oder ein Kräuter-Pesto. Warum nicht mal, statt des gewohnten pesto genovese, ein pesto australiano, selbst wenn es mit dem berühmten Genueser Basilikum zubereitet wurde? Es empfiehlt sich zwar, wie gesagt, die Nüsse ungeröstet zu kaufen. Aber für solche und andere Verwendungen lassen sie sich problemlos in der Pfanne leicht bräunen. Und das dafür nötige Fett bringen sie ja selbst mit.

Und noch eine Warnung an Hunde- und Katzenhalter:

Macadamia-Nüsse führen bei diesen Haustieren zu heftigen Lähmungserscheinungen. Die sind zwar meist vorübergehend, aber noch weitgehend unerforscht.

Das Fett wird auch in Form von Öl als eigenständiges Produkt vermarktet. Kosmetische Anwendungen sollen vor allem Haare zum Glänzen bringen und den Feuchtigkeitshaushalt der Haut regulieren. Kulinarisch kann Macadamia-Öl an Salaten einen nussigen Geschmack beisteuern. Mit einem relativ niedrigen Rauchpunkt bei rund 150°C ist es zum scharfen Anbraten nicht geeignet, aber Spargelspitzen und anderes feines Gemüse bekommen einen letzten Kick, wenn sie vor dem Servieren nochmal kurz in heißem Macadamia-Öl geschwenkt werden.

Längst sind die Macadamia-Bäume auch außerhalb Australiens heimisch geworden. Sie lieben tropische bis subtropische Bedingungen und werden kommerziell in Süd- und Mittelamerika, in Afrika, im Westen der USA und in Neuseeland angebaut. Zur Zeit ist Hawaii weltweit die Nr. 1 in Sachen Macadamia-Anbau. Der Hype, den die Vermarkter in den vergangenen Jahren inszeniert haben, hat freilich auch eine Kehrseite: Heimische Nüsse wie Hasel- oder Walnuss bieten praktisch die gleichen kulinarischen und gesundheitlichen Möglichkeiten, müssen dabei aber nicht erst CO2-intensive Transportwege um den halben Erdball unternehmen. Aber bekanntlich gelten die Propheten ja im eigenen Land wenig …

vielseitige Königin der Nüsse

Deshalb – und sicher auch wegen des gehobenen Preises! – wird die Macadamia gerne als Königin der Nüsse tituliert. Das hätte sicher auch den mit ihrem Namen geehrten Mediziner John Macadams gefreut ‒ wenn er nicht schon wenige Jahre nach ihrer Entdeckung bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen wäre.