Ulis Culinaria

Carl von Linné

*1707 Råshult, †1778 Uppsala

Nahe der südschwedischen Gemeinde Älmhult wurde 2002 ein Kulturreservat eingeweiht und auf den Namen Linnés Råshult getauft. Dort hat man versucht, den Zustand der Kulturlandschaft wiederherzustellen, in der Carl Nilsson Linnæus seine Kindheit verbrachte. Der ursprüngliche Charakter der Gegend deutet sich schon im Namen des Pfarrei-Gehöftes Råshult an, der sich mit Moorwald übersetzen lässt. Neben den damit beschriebenen natürlichen Gegebenheiten wurde dort aber auch schon lange Landwirtschaft mit kleinen Wiesen und Äckern betrieben, sodass eine vielfältige Mischung aus natürlichen Biotopen und vom Menschen geschaffenen Nutzflächen entstand.

die Benennung der Natur

Begriffe, um zu begreifen

Linnés Garten in Uppsala

Der Vater Nils Linnæus, Pfarrer der Gemeinde, weckt schon früh das Interesse des kleinen Carl an Flora und Fauna. Denn der Geistliche pflanzt in den Pfarrgärten um das Wohnhaus zahlreiche Gewächse aus anderen Ländern an, einige davon auch aus deutschen Landschaften. Bei ausgedehnten Streifzügen lernt Carl die Pflanzenvielfalt kennen, die nun in dem nach ihm benannten Reservat wieder auferstehen soll. Besonders ist der Junge darauf aus, sich die Namen der Pflanzen einzuprägen. Dass diese Leidenschaft einmal sein Lebenswerk prägen würde, ahnt er damals freilich noch nicht. 

Biologische Systematik

Seine Eltern schicken den Neunjährigen auf eine kirchliche Schule, denn er soll als der Älteste von fünf Geschwistern die Familientradition fortsetzen und Pfarrer werden. Doch für die dazu gefragten Disziplinen zeigt er wenig Interesse. Ein mit den Eltern befreundeter Arzt erkennt dagegen die naturwissenschaftliche Begabung des Jünglings und verschafft ihm die Möglichkeit, das Werk der beiden französischen Botaniker Joseph Pitton de Tournefort und Sébastien Vaillant zu studieren. Die beiden hatten eine Systematik erstellt, mit der sich Pflanzen nach der Gestalt der Fortpflanzungsorgane in ihren Blüten einteilen ließen.

Während medizinisch-naturwissenschaftlicher Studienaufenthalte in Lund und Uppsala entwickelt er die Arbeit der beiden Franzosen weiter, und im Jahr 1729 erlangt er erste größere Bekanntheit durch die Schrift Praeludia Sponsaliorum Plantarum, in der er ebenfalls die Sexualität der Pflanzen zur Grundlage der Arten-Klassifizierung macht. Auf etlichen Forschungsreisen in Skandinavien und anderen Regionen und besonders während einer längeren Beschäftigung in einer botanischen Sammlung in den Niederlanden erweitert er das Spektrum seiner Pflanzenwelt. Nach und nach entsteht eine Einteilung der Pflanzen in 24 Klassen, die er 1753 in Species Plantarum und 1758 in Systema Naturae darlegt. Die binäre Nomenklatur, also die Benennung der Pflanzen mit einem zweiteiligen Namen aus lateinischer Gattungs- und Artbezeichnung, ist weitgehend noch heute in Gebrauch und international gültig. 

Inventur

von

Flora und Fauna

Sowohl in der Botanik als auch in der Zoologie, für die Linné ein ähnliches System entwickelt, werden vor allem nach den evolutionsbiologischen Theorien von Charles Darwin neue Methoden der Artbestimmung einbezogen wie z.B. Erkenntnisse der Genetik und der Biochemie. Aber das immer noch häufig hinter botanischen Namen zu findende Kürzel L. weist auf die von Carl von Linné gelegten Grundlagen hin. Den ans Französische angelehnten Namen führt der Forscher, seit er 1756 für seine wissenschaftlichen Verdienste in den schwedischen Adelsstand erhoben wurde.

Bei zoologischen Bezeichnungen wird meist das ausgeschriebene Linné oder die (früher unter Gelehrten beliebte) latinisierte Form Linnaeus angehängt. Das fand schon der theologisch gebildete Papa Linnæus chic.

In der landwirtschaftlichen Herstellung von pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln hat die von Linné begründete Nomenklatur große Bedeutung. Kein Saatgut und kein Setzling wird verkauft, ohne dass die Art an dem zweiteiligen Namen klar erkennbar ist. Und in der Zucht von Schweinen, Rindern, Geflügel und anderen Nutztieren sorgt eine analoge Systematik für Übersichtlichkeit. Unterschiede innerhalb einzelner Arten, also Unterarten, werden in der Regel durch eine dritte Zusatzbezeichnung definiert.

Und wie allgemein in den Wissenschaften ist  auch hier Latein die Sprache, die für alle, vom Biochemiker bis zum Landwirt, begriffliche Klarheit schafft.

Landwirte lernen ...

Latein ...

So setzt sich beispielsweise der wissenschaftliche Name des Hausschweins aus dem Gattungsnamen Sus für Schwein, der Art Sus scrofa für das Wildschwein und die domestizierte Unterart zu Sus scrofa domesticus zusammen. Die noch feinere Einteilung in Rassen wie z.B. Duroc, Landrace oder Angler Sattelschwein spielen nur innerhalb der Zucht von Nutztieren eine Rolle. In der Biologie wird der Begriff Rasse praktisch nicht mehr verwendet.

Kulinarisch kann sich allerdings die Züchtung hinsichtlich der körperlichen Merkmale und letztlich der Fleischqualität erheblich auswirken. Und neben den Rassemerkmalen, die in der Regel von den Zuchtverbänden im Herdbuch fixiert werden, spielen natürlich die Fütterung, die Haltungsbedingungen und die Methoden der Weiterverarbeitung eine ganz wichtige Rolle für die Güte dessen, was am Ende auf dem Tisch des Genießers landet.

Inventur

von

Flora und Fauna

Vor allem bei pflanzlichen Nahrungsmitteln ist die Vielzahl an Zuchtformen oft kaum noch zu überblicken. Hier redet man statt von Rassen von Sorten, deren Anzahl bei wichtigen Gewächsen wie Kartoffeln, Äpfeln, Tomaten und diversen Getreiden ins Unermessliche steigen kann. Wobei natürlich enorme Unterschiede in Geschmack, Konsistenz, äußeren Merkmalen (Größe, Farbe, Form …) oder Kocheigenschaften bestehen können. Auch hier tragen neben den genetischen Eigenschaften des Gewächses äußere Bedingungen wie Bodenbeschaffenheit, Düngung, Klima und Verarbeitung zur Qualität des Erzeugnisses bei.

Die lateinischen Namen der Pflanzen und Tiere sind dem jeweiligen Landwirt, Viehzüchter oder Gärtner in aller Regel geläufig, auch wenn er sonst mit der antiken Sprache nichts zu tun hat. Das Lateinische hat sich seit den Zeiten der alten Griechen und Römer über Mittelalter und Neuzeit hinweg als internationale Sprache der Wissenschaften erhalten. Viele der botanischen und zoologischen Bezeichnungen wurden schon von antiken Gelehrten wie dem Naturforscher Plinius geprägt und von den Begründern der modernen Taxonomie wie Tournefort oder Linné übernommen.  Auch im Kochbuch des alten →Apicius begegnen uns schon die Namensformen.

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So leitet sich Spargel vom lateinischen asparagus ab, botanisch Asparagus officinalis. Oder die fünf kultivierten Arten des Kürbis mit ihren zahlreichen Zuchtvarietäten leiten ihren Namen ab vom leiteinischen Gattungsbegriff Cucurbita. Für die Kirsche ist die Herleitung ausführlich bei →Lucullus dargelegt.

Die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen. Und schon der Überbegriff Pflanze selbst geht auf das lateinische Wort planta für einen Setzling zurück.

Und auch deutschsprachige Bezeichnungen vor allem von Nutzpflanzen haben, selbst wenn man es ihnen auf den ersten Blick nicht ansieht, oft im Altgriechischen oder Lateinischen ihren etymologischen Ursprung, was am wissenschaftlichen Namen manchmal erkennbar wird. 

Der bei vielen in der Küche verwendbaren Pflanzen auftauchende Namensteil officinalis wie hier beim Spargel deutet übrigens darauf hin, dass es ursprünglich hauptsächlich um ihren Nutzen als Heilpflanze ging. Die Bezeichnung bezieht sich auf die Offizin. So wird das Labor einer Apotheke genannt, in welchem aus Heilkräutern und anderen Gewächsen Salben, Tropfen oder Pillen zur Linderung der verschiedensten Krankheiten hergestellt werden. Hierin erklärt sich die auch in Linnés Lebenslauf vorhandene und früher durchaus übliche Verbindung von medizinischer und naturwissenschaftlicher Ausbildung. Linné selbst hat neben seiner Erforschung der Pflanzenwelt immer mal wieder als Arzt gearbeitet.
Statue in Stockholm

Viele der gesundheitsfördernden Wirkungen von pflanzlicher Kost sind schon lange bekannt und von Plinius in der Antike, von →Hildegard von Bingen im Mittelalter und von vielen anderen beschrieben worden. Und erfreulicherweise nutzen auch heute wieder mehr und mehr Köchinnen und Köche die Erkenntnis, dass es bei der Zusammenstellung von Nahrungsmitteln und besonders von Gewürzen zwar zunächst um den Wohlgeschmack geht, dass damit aber durchaus auch das körperliche Wohlbefinden und die →Lust des Genießers gesteigert werden können.