Ulis Culinaria

Jesus von Nazareth

*~7-4v.Chr. Bethlehem, †30/31 Jerusalem

Das für seine Uhrmacherkunst bekannte Städtchen →Morteau liegt kurz vor der Grenze zur Schweiz in den französischen Nordwest-Alpen der Franche-Comté. Hier werden verschiedene für das Haut-Doubs, den höher gelegenen Teil des Départements Doubs typische Wurst- und Schinkenspezialitäten hergestellt.

Sie erhalten durch das Räuchern im tuyé über Glut von harzreichen Nadelhölzern ihren besonderen Geschmack. Dieses ausgeklügelte Kaminsystem, auch tué, tuhé oder thué geschrieben, verbindet die verschiedenen Feuerstellen des meist zweistöckigen Bergbauernhauses miteinander, um den gesamten Rauch schließlich in einen turmartigen, sich nach oben verjüngenden Kamin zu leiten. Dieser Kamin durchdringt das Obergeschoss und ragt als trapezförmiges Türmchen aus dem Dach heraus. 

An diesem Aufsatz mit den verstellbaren Windklappen sind Bauernhäuser, die über ein Tuyé verfügen, von weitem erkennbar.

Jésus de Morteau

Das Wort wird auf den französischen Begriff tuyau de poêle für Ofenrohr zurückgeführt. Die Räucherung in diesem System dauert länger als in normalen Räucheröfen, dafür dringen die konservierenden Substanzen und vor allem die Aromen des Rauches tiefer in Wurst oder Schinken ein. Da sich unter dem großen Kamin die Feuerstelle zum Kochen und zum Heizen befindet, stellt er zudem das wohnliche Zentrum, die Seele des Hauses dar.

Schinken und Würste im Tuyé (Foto: CRT Franche Comté)

Im Haut-Doubs kommt aus dem Tuyé auch die 

Jésus de Morteau

eine kurze und kompakte Schweinefleischwurst. Häufig wird sie auch Jésu, also ohne das s am Ende geschrieben, manche sagen, aus Respekt vor dem Namen des christlichen Gottessohnes.

Die Wurst zeichnet sich durch ein Querhölzchen aus, das den Naturdarm verschließt. Das Stäbchen erinnert, vor allem wenn es etwas länger geraten ist und die Wurst aufrecht unter dem Tuyé hängt, an den Querbalken eines Kruzifix‘, woraus sich der Name erklärt. 

Eine weniger makabre Version leitet den Namen vom Weihnachtsfest ab, zu dem die Jésu traditionell hergestellt wurde.

Das Brät für die Jésus stammt von Schweinen, die in der Franche-Comté nach strengen, von einer eigenen →association kontrollierten Qualitätskriterien aufgezogen und geschlachtet wurden. Die Organisation wacht auch bei der Herstellung anderer Tuyé-Produkte über die Einhaltung der Kriterien, die für die 2010 erteilte →IGP Saucisses de Morteau gelten. Ein wichtiger regionaler landwirtschaftlicher Faktor ist die Milchwirtschaft. Die in den zahlreichen Käsereien entstehende Molke wird an die Schweine verfüttert, was dem Fleisch, vor allem aber dem Fett besondere Qualität verleiht. Zu 65-85% mageres Muskelfleisch und 15-35% Fettgewebe werden nicht zu fein zerkleinert, sodass in der fertigen Wurst die hellen Fettstückchen im rötlichen Brät durch die Naturdarm-Pelle schimmern. Außer Salz und Pfeffer kommen weitere natürliche Gewürze hinzu, oft ist Anis dabei. Die genaue Gewürzmischung hält natürlich jede Familie streng geheim.

Bis ins 18.Jh. wurden die Würste hauptsächlich für den Eigenbedarf hergestellt, vor allem als Wintervorrat und für das Weihnachtsessen. Nach und nach entwickelte sich durch Reisende und Händler steigendes Interesse, was zu Nachahmungen in anderen Gegenden führte. Zunächst bot ab 1977 ein regionales Label etwas Schutz. Mit dem IGP-Siegel kann der Feinschmecker nun sicher sein, auch die wirkliche Jésus de Morteau auf dem Teller zu haben. 

Vor dem Verzehr wird sie gerne in siedendem Wasser langsam erhitzt, wobei sie eine zarte, aber zugleich feste Konsistenz bekommt und der intensive Rauchgeschmack etwas abgemildert wird. Mit Kartoffelpüree und allerlei Gemüse, in Suppen und Eintöpfen, kombiniert mit den zahlreichen regionalen Käsespezialitäten oder, wieder erkaltet, als würziger Wurstsalat bietet sie eine beachtliche kulinarische Vielfalt.

Jésus de Lyon

In →Lyon, der von Curnonsky zur Welthauptstadt der Gastronomie erklärten Rhône-Metropole (Sailland), wird eine ähnliche Wurst als Jésus de Lyon genossen. Diese verdankt ihren Namen allerdings nicht einem Verschlusshölzchen, sondern ihrer Form. Das Brät für diese saucisse wird in den sog. sac de porc abgefüllt. Dieser spezielle Teil des Schweinedarms verleiht der Wurst eine kompakte Birnenform, die an das in Windeltücher gewickelte Jesuskind erinnern soll. Dieser Eindruck wird durch eine weißliche Edelschimmel-Beschichtung unterstützt, die sich während der Reifezeit bildet.

Christstollen

Eine vergleichbare Formassoziation liegt auch der Benennung eines weltberühmten Gebäcks als Christstollen zugrunde. Statt des Personennamens steht hier die Verehrung des Jesus von Nazareth als christos (griechisch für der Gesalbte) im Vordergrund. Die flachgewölbte, längliche Form des Kuchens sowie der weiße Überzug aus Puderzucker sollen an das in Windeln gehüllte Christkind erinnern, was den Stollen als Gebildebrot kennzeichnet. Der Begriff Stollen entspringt einer anderen Formassoziation: Die hölzernen, klobigen Stützen, die man seit altersher im Bergbau benutzt, wurden in altem Deutsch stollo genannt. In der Bergarbeitersprache ist die Bezeichnung Stollen auf die Gänge übergegangen, die mit ihnen abgestützt wurden.

Im Bäckerhandwerk wird Stollen als eine Gattung von Hefeteigkuchen definiert, bei denen zum Mehl in gewissen Mindestmengen Milchfett, getrocknete Früchte, gemahlene Nüsse sowie kandierte Schale von Zitrusfrüchten (Zitronat/Orangeat) kommen müssen. 

500g Butter und 650g Rosinen (Korinthen bzw. Sultaninen) auf 1kg Mehl, dazu 150g gemahlene Mandelkerne sowie 200g Zitronat und Orangeat, so lautet die Mindestanforderung an die Hefeteigmischung für den Dresdner Stollen. Der Einsatz von Margarine oder anderer Fette anstelle der Butter ist verboten. Bezüglich der Gewürze hat jeder Bäcker so seine Geheimnisse, aber die typischen Weihnachtsaromen wie Zimt oder Kardamom sind immer dabei.

Besonders die Elbestadt →Dresden hat sich mit dem Gebäck einen dauerhaften Platz in der Welt der süßen Genüsse gesichert. Die auch Striezel genannten Dresdner Christstollen haben bereits seit 1434 einen eigenen Markt, den Dresdner Striezelmarkt, der heute als Weihnachtsmarkt in den Adventswochen stattfindet. Der Hefekuchen ist bereits in Rechnungen des Dresdner Fürstenhofes von 1500 als Christbrod uff Weihnacht aufgelistet.

Vorläufer dieses so reichhaltigen Kuchens waren mit Wasser gebackene Hefeteigbrote, die während der Fastenzeit vor den Weihnachtsfeiertagen gegessen wurden. Erst nachdem Papst Innozenz VIII. 1491 im sog. Butterbrief das Verbot von Milchprodukten in der Vorweihnachtszeit aufhob, werteten kreative Bäcker das Fastenbrot zur üppigen Festtagsspeise auf.

Derartige Kuchen, ob als Weihnachts- oder als Christstollen, werden natürlich nicht nur in Dresden gebacken. Der namentliche Bezug zur Elbestadt ist jedoch seit 2010 eine nach EU-Recht geschützte geografische Angabe (→g.g.A.).