Ulis Culinaria

Alexander Girardi

*1850 Graz, †1918 Wien

Obwohl er vor allem mit seinem komödiantischen Talent als Schauspieler und Sänger berühmt wurde, verlief das Leben Alexander Girardis nicht immer nur lustig. Das fing schon damit an, dass er nach der Schulzeit zu einer Ausbildung als Schlosser gezwungen wurde, obwohl es ihn viel eher auf die Bühne zog. Den italienischen Familiennamen hatte er vom Vater, der aus dem Alpenort Cortina d’Ampezzo nach Österreich ausgewandert war und auch schon den Schlosserberuf ausübte. Da der Sohn bereits in Österreich das Licht der Welt erblickte, wurde er statt Alessandro deutschsprachig getauft.

Schließlich setzte sich Alexanders künstlerischer Wunsch durch. Gegen den Willen des Stiefvaters – der Vater war früh gestorben – schloss er sich einem Laientheater an und sammelte erste Bühnenerfahrung. Mit 21 Jahren erhielt er das erste feste Engagement, und über 20 Jahre spielte er am Theater an der Wien in der österreichischen Hauptstadt vor allem Rollen des komischen Fachs. Während die feine Wiener Gesellschaft ins höfische Burgtheater ging, gehörte das Theater an der Wien zu den wenigen Häusern, in denen weniger betuchte Leute ihr Bedürfnis nach theatralischer Unterhaltung befriedigen konnten. An zwei weiteren dieser sog. Volks- oder Vorstadttheater feierte Girardi ebenfalls Erfolge in Operetten (u.a. von Johann Strauss), Musicals und Lustspielen.

1893 heiratete er die Schauspielerin Helene Odilon. Aber auch diese Ehe war eher Drama als Lustspiel, denn schon nach drei Jahren und etlichen Seitensprüngen von Helene folgte die Scheidung. Zuvor versuchte Helene Odilon allerdings noch mit Hilfe eines fragwürdigen psychologischen Gutachtens, die Entmündigung Girardis und seine Zwangseinweisung in eine Irrenanstalt zu erwirken. Girardi entging diesem Schicksal nur, weil eine gut mit ihm befreundete Kollegin, die Schauspielerin Katharina Schratt, ihm half. Ihr sagte man ein zumindest gutes Verhältnis zu →Kaiser Franz Joseph I. nach, und tatsächlich konnte sie diesen dazu bewegen, Girardi offiziell zu rehabilitieren.

Girardi-Rostbraten

Und diese drei Personen, Girardi, Katharina Schratt und der Kaiser, sollen auch an der Entstehung eines Gerichtes beteiligt gewesen sein, das bis heute als Girardi-Rostbraten in vielen österreichischen Restaurants auf der Karte steht.

maskiertes Fleisch

Denn einmal hatte die Schauspielerin wohl beide Freunde zum Essen eingeladen. Franz Joseph, der wegen des nach ihm benannten Kaiserschmarren als Süßmaul gelten könnte, war allerdings auch ein ausgewiesener Fleischliebhaber. Drum hatte Katharina ein schönes Roastbeef vorbereitet. Andererseits wusste sie aber, dass Alexander überhaupt kein Freund von Fleisch war, schon gar nicht von Rindfleisch. Also schnitt sie – oder ihre Köchin? – das mit Zwiebeln und Senf scharf angebratene Fleisch in dünne Scheiben, die sie zusätzlich plattierte und in eine feuerfeste Form legte. Dann versteckte sie das Roastbeef unter einer Schicht Champignons und streute noch eine gute Handvoll in Essig eingelegte Kapern sowie angebratene Speckwürfelchen darüber. 

Zum Schmoren goss sie eine Mischung aus Sauerrahm und Fleischfond an. Angeblich soll Girardi die kulinarische Maskerade mit dem butterzarten Braten vor Begeisterung überhaupt nicht bemerkt haben, und der Kaiser war’s natürlich ebenfalls zufrieden.

In einer etwas vereinfachten Zubereitung wird das mit den Zwiebeln angebratene Fleisch aus der Pfanne genommen und warmgestellt. In der gleichen Pfanne werden dann die Champignons und Speckwürfel angeröstet, mit Rahm und Brühe abgelöscht und mit den Kapern ergänzt. Manche verstärken die saure Note zusätzlich mit kleingewürfelter Essiggurke und einem Spritzer Zitronensaft. Unter dieser Mischung wird dann das auf einem vorgewärmten Teller angerichtete Fleisch versteckt.

Ob so oder so: Die Roastbeef-Scheiben sollten trotz der geringen Dicke auf keinen Fall völlig durchgegart sein, da sie sonst ihre Zartheit verlieren würden. Und dafür müssen sie vorher quer zur Faser geschnitten sein, denn langfaserig geschnittenes Fleisch wird weder auf die eine noch auf die andere Weise ein zartes Vergnügen.

Entsprechend guter k.u.k.-Tradition wird das getarnte Rindfleisch gerne mit böhmischen Serviettenknödeln serviert. Aber es passen natürlich auch Bratkartoffeln, Kroketten oder Bandnudeln gut dazu.

Das Roastbeef wird aus dem mittleren Teil der beiden Muskelstränge geschnitten, die sich beim Rind oberhalb der Rippen rechts und links der mittleren bis hinteren Wirbelsäule entlangziehen. Der vordere Teil ist etwas kompakter und wird rundes Roastbeef genannt, der hintere Teil dementsprechend flaches Roastbeef. Beim →T-Bone– bzw. dem Porterhouse-Steak stellt das Roastbeef die größere Seite des T’s dar.

Am bekanntesten ist sicher das im Ganzen medium gebratene Roastbeef, das in der Metzgerei in dünnen Scheiben verkauft wird. Zu dem kalten Aufschnitt gibt es üblicherweise eine feine rahmige Meerrettichsauce.