Ulis Culinaria

Familie Esterházy de Galantha

seit 1527, Ungarn

Die gemeinsame Geschichte Österreichs und Ungarns ist untrennbar mit dem Herrschergeschlecht der Habsburger verbunden. Und über Jahrhunderte konnten sich die Habsburger der Unterstützung durch die ungarische Familie Esterházy sicher sein. Die Geschichte der Esterhazys reicht bis ins 12./13.Jh. zurück, aber ab dem 16.Jh. gewinnt die Familie an beträchtlichem politischen Einfluss. Seit dem Jahr 1527 wird der Familienname mit dem Zusatz de Galantha ergänzt. In Galanta, einem Ort nahe der heutigen slowakischen Hauptstadt Bratislava, besaß die Familie stattliche Ländereien. Mit ihrem Reichtum, der sich vor allem auf Viehhandel gründete, finanzierte sie eigenes Militär, um das ungarische Königreich zu schützen.

Schloss Esterhazy in Fertöd, Ungarn

Als sich beispielsweise das osmanische Reich nach Westen ausweiten wollte, konnte sich Kaiser Leopold I., zugleich König von Ungarn, auf die Esterházy’schen Truppen verlassen. Natürlich war diese Treue nicht völlig uneigennützig. Denn im Gegenzug wurde die Familie 1687 in den Adelsstand erhoben, und etliche ihrer Mitglieder erhielten einflussreiche politische Ämter, die sie durchaus auch zum eigenen Vorteil zu nutzen wussten. Bis zum Ende der österreichisch-ungarischen k.u.k.-Monarchie 1918 stand man fest an der Seite der jeweiligen Potentaten.

das Schloss in Fertöd aus der Luft
auch im Klerus war die Familie vertreten, hier Imre/Emericus Esterházy als Bischof von Zagreb (1709-23)

Eine Blütezeit erlebten die Esterházys unter dem Fürsten Nikolaus I. (1714-1790), der als Oberhaupt der Familie ab 1763 im westungarischen Fertöd, nahe der heutigen Grenze zu Österreich am Neusiedler See, ein älteres Jagdschlösschen zu einer prachtvollen Residenz ausbauen ließ. Vorbild für das Schloss Esterházy war das Habsburger-Schloss Schönbrunn in Wien, dessen Architekten sich wiederum am Château de Versailles orientiert hatten. Deshalb wird das Schloss bei Fertöd bis heute als Versailles Ungarns tituliert. Nikolaus I. verdiente sich den Beinamen der Prachtliebende mit aufwändigen Festen, Jagdeinladungen, umfangreichen Stallungen für edle Pferde und weiteren luxuriösen Vergnügungen. Für musikalische bzw. theatralische Aufführungen wurde im Schloss ein eigenes Opernhaus installiert. Zeitweilig war der Komponist Joseph Haydn als Hofkapellmeister auf Schloss Esterházy angestellt. Und in der Folgezeit engagierten sich diverse Familienmitglieder auf vielseitige Weise als Mäzene von Kunst und Kultur.

Es darf sicher angenommen werden, dass diese höfische Prachtentfaltung von einer entsprechenden kulinarischen Verwöhnung der Gäste flankiert wurde. Eine daran gemessen recht bescheidene Zubereitung ist bis heute mit dem Familiennamen verbunden: Eine Esterházy-Garnitur besteht aus Knollensellerie, Karotten und Lauch, die zu Julienne geschnitten werden, also zu streichholzgroßen Stiftchen. Diese Julienne wird in heißer Butter nur ganz kurz sautiert, bis sie gerade bissfest gegart ist. Wenn die auch Esterházy-Gemüse genannte Beilage beispielsweise ein Rindfleischgericht begleitet, wird dieses gerne als Esterházy-Braten, Esterházy-Steak usw. aufgetischt.

Esterházy-Garnitur

Ein konkreter Anlass für die Namensgebung ist genausowenig bekannt wie etwa der Name der Köchin/des Kochs, die/der diese Beilage zuerst als Esterházy zubereitet hat. Und die Präsentation von Gemüse, vor allem Wurzelgemüse, in Form der Julienne-Streifchen gab es auch damals schon länger. Meistens wird, wohl weil man mit seiner Zeit am ehesten üppig aufgetischte Fleischzubereitungen verbindet, Nikolaus I. als Namensgeber genannt. Wahrscheinlich handelt es sich aber eher um eine allgemeine kulinarische Reminiszenz an die Familie, die über so lange Zeit die Geschicke so vieler Menschen mitbestimmte.

Esterházy-Torte

Das Gleiche gilt für eine Konditoreispezialität, die bis heute in kaum einem ungarischen oder österreichischen Kaffeehaus fehlt: Die Esterházy-Torte. Denn auch für die übliche Nennung von Paul III. Anton Esterházy de Galantha als Namensgeber der Torte fehlen jegliche historische Belege. Zwar hat, nach Angaben der Familie, eine Zeitlang Franz →Sacher, der Erfinder der Sachertorte, in Diensten des Diplomaten gestanden, aber die Esterházy-Torte geht sicher nicht auf ihn zurück. Als Paul Anton 1834 starb, war Franz Sacher gerade 18 Jahre alt und die nach ihm selbst getaufte Torten-Erfindung lag erst zwei Jahre zurück. Der Wiener Jungkonditor, seinerzeit noch bei Fürst Metternich beschäftigt, müsste also ganz kurzfristig von den Esterházys abgeworben worden sein. In den Wiener Sacher-Cafés steht die Esterházy-Torte zwar in Form der Esterházy-Schnitte auf der Karte, aber sie erfunden zu haben, wurde von der Familie Sacher nie behauptet.

Ob nun als Schnitte oder als Torte: Zunächst werden aus einer Mischung von steif geschlagenem Eiklar, Butter, gemahlenen Mandeln, Zucker und Mehl fünf rechteckige bzw. runde Böden von etwa 1cm Dicke gebacken. In manchen Rezepten ist von Baiser die Rede. Jedoch bleiben hier die gebackenen Böden dank der Butter weich und biegsam, während bei Baiser, auch Meringue genannt, zumindest die Oberfläche im Ofen austrocknet und somit zerbrechlich wird. Man kann also eher von einer Makronenmasse oder von Biskuit sprechen. In manchen Backbüchern wird das Rezept für die Biskuit-Variante Wiener Masse angegeben, die praktisch aus den gleichen Zutaten besteht. So gesehen ähnelt die Esterházy-Torte einer anderen ungarischen Konditoreispezialität, die als Dobos-Torte ebenfalls überall im Gebiet der früheren Donaumonarchie angeboten wird

Wie bei dieser werden die Böden jeweils in gleicher Dicke mit Buttercreme bestrichen und aufeinandergesetzt. Die Creme ist meist mit Vanille aromatisiert, kann aber auch andere Geschmacksrichtungen (Cognac, Mokka u.a.) erhalten. Die Oberfläche der Torte wird mit einer zitronigen Fondantglasur bedeckt. Bevor diese aushärtet, werden mit flüssiger Schokolade schmale Linien aufgetragen, die zum typischen Esterházy-Muster umgestaltet werden. Auf der rechteckigen Variante verlaufen die Schokoladelinien parallel, die runde Version erhält konzentrische Kreise oder eine schöne Spirale. Bei ersterer werden die Streifen mit einem Holzspießchen oder mit der Messerspitze im rechten Winkel und in abwechselnde Richtungen durchzogen, sodass durch die Verformung der Linien ein scheinplastischer Effekt entsteht. Bei der Rundform geschieht das Gleiche durch abwechselnd von der Mitte nach außen und entgegengesetzt verlaufende radiale Züge.

Der Rand der Torte wird mit Buttercreme bestrichen und mit angedrückten Mandelplättchen verkleidet. Je nach Geschmack werden diese vorher in der Pfanne angeröstet. In manchen Backstuben kommen statt der gemahlenen Mandeln Hasel- oder Walnüsse in die Tortenböden, eine besondere Variante verwendet Mohnsamen. Auch bezüglich der Zahl von fünf Böden gibt es Abweichungen. Aber immer gibt sich eine Esterházy-Torte an ihrem typischen Op-Art-Muster aus Fondant und Kuvertüre zu erkennen. Statt der Schwarz-auf-Weiß-Gestaltung sieht man auch öfters die Negativ-Variante: Weiße Fondant-Linien auf dunkler Konfitüre.

edle Präsentation !

Walnuss Esterházy II

Wenn auch im Lebensmittelhandel Walnüsse praktisch nie unter ihrer Sortenbezeichnung angeboten werden, so kann die Esterházy-Torte durchaus mit Esterhazy II zubereitet werden. Diesen Namen hat man der Varietät des Echten Walnussbaumes Juglans regia wohl verpasst, weil man ihren Ursprung in der Region um Fertöd, den Familiensitz der Esterhazys, vermutet. Von Fachleuten werden ihre Früchte zu den besten Walnüssen gezählt, weshalb sich die Züchtung längst weit über Ungarn hinaus großer Beliebtheit erfreut. Der selbstbefruchtende Baum eignet sich auch für die Einzelanpflanzung z.B. im heimischen Garten.

Esterházy-Muster

Glencheck

Deutschsprachigen Textil-Fachleuten ist unter dem Begriff Esterhazy-Muster ein auch Glencheck genanntes schottisches Gewebe bekannt, das mit raffiniert angeordneten kleinen Karos ebenfalls, wie die Tortendecke, einen besonderen optischen Effekt erzielt. In der englisch- bzw. französischsprachigen Modewelt wird das Webmuster auch als Prince of Wales bzw. Prince de Galles bezeichnet.