Ulis Culinaria

Pâtisserie Chiboust

Mitte 19.Jh.

Irgendwann in der Mitte des 7.Jhs. hat, wenn man der Legende glaubt, in irgendeinem Dorf in der Picardie ein hölzerner Ofenschieber, wie er zum Einschießen der Brotlaibe in die Ofenhitze gebraucht wird, plötzlich Blätter ausgetrieben und sich in einen blühenden und früchtetragenden Brombeerstrauch verwandelt. Das geschah in dem Moment, als in der Kathedrale von Amiens der Priester Honoré zum Bischof geweiht wurde.

Wegen dieses wundersamen Ereignisses gilt der später heiliggesprochene Saint Honoré, im Deutschen Honorius genannt, als Schutzpatron der Bäcker und Konditoren. Die Straße, an der am Beginn des 13.Jhs. vor den Toren von Paris, also in der französisch faubourg genannten Vorstadt, eine Kirche zu seinen Ehren erbaut wurde, trägt bis heute den Namen rue du Faubourg Saint-Honoré. Die Weiterführung innerhalb der ehemaligen Stadtmauern heißt rue Saint-Honoré. Die Kirche wurde Mitte des 19.Jhs. abgerissen, heute steht dort das französische Kulturministerium.

Vielleicht war ja das Verschwinden des Gotteshauses der Anlass, dem Heiligen Honorius eine eigene Torte zu widmen. Damals galt die Pâtisserie Chiboust in der Rue Saint-Honoré als eine der besten Pariser Adressen für Liebhaber von Feingebäck, Kuchen, Torten und anderen süßen Genüssen. Der junge Chef-Pâtissier des Hauses, Auguste Jullien, stellte 1846 aus pâte brisée (Mürbeteig) einen runden Tortenboden her. Darauf fixierte er mit Hilfe von Karamell einen Kranz kleiner Kugeln aus pâte à choux. Solche Brandteig-Kugeln heißen im deutschsprachigen Konditorenhandwerk Windbeutel, weil sie sich beim Backen mit viel Luft aufblähen. Das sicher bekannteste französische Brandteiggebäck sind die éclairs, die mit unterschiedlichen Cremes gefüllt werden.

Crème Chiboust

Zum Einmaleins der Konditoren gehört die Konditorencreme, eine vielseitig einsetzbare puddingartige Füllcreme aus Milch, Eiern, Zucker und Stärke, die meistens mit Vanille aromatisiert wird. Eine solche crème pâtissière vermengte Jullien mit gezuckertem und steif geschlagenem Eiweiß, französisch meringue italienne genannt. Die Mischung dressierte er mit der poche à douilles, dem Spritzbeutel, kunstvoll in dem freien Raum im Brandteigkranz.

Crème pâtissière

Die so entstandene Torte taufte Jullien saint-honoré, und die dafür erfundene Creme-Mischung wird folglich crème saint-honoré genannt. Am bekanntesten ist sie jedoch unter dem Namen des Konditors, in dessen Backstube sie entstand, also als Crème Chiboust.

Da sie recht aufwändig in der Herstellung ist, wird die Chiboust-Creme (leider) öfters durch crème chantilly ersetzt, also Sahne, die mit Zucker und Vanille aufgeschlagen wurde. Andererseits wird sie längst nicht mehr nur für die Honoré-Torte verwendet, sondern dient als Füllcreme für viele andere Konditorei-Spezialitäten.