Ulis Culinaria

François-René Chateaubriand

*1768 Saint-Malo, †1848 Paris

Zunächst ist der junge Spross einer etwas verarmten bretonischen Adelsfamilie noch sehr angetan von den freiheitlichen Ideen, die schließlich 1789 zur Révolution Française führen. Aber die gewaltsamen Exzesse in den folgenden Jahren lassen ihn nicht nur zweifeln, sondern machen ihn für den Rest seines Lebens zu einem glühenden Verfechter der Monarchie. In den wechselvollen Jahren zwischen Révolution und Restauration, zwischen République und Empire befindet sich auch Chateaubriand mal in politisch hochrangiger Position, mal als Angehöriger der königstreuen armée des émigrés im Ausland (u.a. in Koblenz), mal auf Reisen in ferne Länder, z.B. im noch französisch verwalteten Süden der späteren USA. Dort zeigt er sich wieder als Anhänger aufklärerischer Ideen, denn er äußert sich entsetzt über die Zerstörung der indigenen Kulturen durch die militärisch überlegenen Europäer.

Parallel zu der politischen Karriere veröffentlicht er literarische Werke, die seinen Ruf als Protagonist der französischen Romantik begründen. 1802 wird die Schrift Le génie du christianisme, in der er eine romantisierte und religiös überhöhte Weltsicht ausbreitet, zu einem ersten nennenswerten Erfolg. Ab 1804 entsteht das wichtigste seiner Werke, Mémoires d’outre-tombe. Entsprechend dem Titel Erinnerungen von jenseits des Grabes lässt er einen Erzähler von seinem Leben berichten. Auf Anordnung Chateaubriands werden die 12 Teile der Autobiografie erst nach seinem Tod veröffentlicht.

Unter dem Bourbonen-König Louis XVIII wird Chateaubriand als Botschafter erst nach Schweden und später in die Hauptstadt des Deutschen Reiches entsandt, schließlich 1821 nach London.

Zweifler zwischen Revolution und Romantik

Und dort, in der britischen Hauptstadt, soll einer Legende zufolge ein mittlerweile als Küchenklassiker berühmtes Fleischgericht nach ihm benannt worden sein. Weder in seinen literarischen Werken noch sonst irgendwo findet sich ein Hinweis auf besondere kulinarische Ambitionen Chateaubriands. Aber sein Londoner Leibkoch Montmireil, so schreibt es jedenfalls später der Larousse gastronomique, stand wohl noch in der alten Tradition, in welcher die in Adelshäusern angestellten Köche besondere Gerichte gerne namentlich ihrer Herrschaft widmeten.

Und so soll er ein dick geschnittenes und kurz gebratenes Stück aus der Rinderlende Grillade de Bœuf à la Chateaubriand getauft haben. Auf den meisten Speisekarten werden nur noch die Kurzformen à la Chateaubriand oder schlicht Chateaubriand angegeben. Die Bezeichnung grillade, also auf einem Rost über Holzkohlenglut zubereitet, entspricht eh nur noch in den seltensten Fällen der gastronomischen Praxis. Meist erhält das Fleisch die begehrten Röstaromen, wenn es in einer Pfanne mit heißem Fett von allen Seiten kurz angebraten wird. Wenn diese Pfanne einen geriffelten Boden hat, entstehen sogar die grilltypischen Zebrastreifen.

Häufig findet man, der vermeintlichen Londoner Herkunft entsprechend, die englischsprachige Bezeichnung Steak Chateaubriand. Inzwischen werden aber sowohl der Ort als auch der Zeitpunkt der Entstehung eher ins Reich der Legenden verortet. Denn bis Ende des 19.Jhs. findet sich kein schriftlicher Beleg. Und die erste Ausgabe des gastronomischen Standardlexikons von Larousse erschien erst 1938. Manche vermuten, die Namensgebung gehe auf einen späteren Verehrer des monarchistisch gesinnten Adligen, vielleicht den Koch eines Pariser Restaurants zurück.

Grillade de Bœuf à la Chateaubriand

Chateaustück, roh

Eher auf einer irrtümlichen Schreibweise beruht die gelegentlich gebrauchte Form Châteaubriant. Den beim französischen Wort für Schloss enthaltenen accent circonflexe sowie das t am Ende hat die Familie aus Saint-Malo nie verwendet. Im Umland der gut 100km weiter südlich gelegenen Stadt Châteaubriant wird zwar, wie in der gesamten Bretagne, intensive Rinderhaltung zur Milchproduktion betrieben. Aber weder für die Familie von François-René noch für das gebratene Filet ist ein besonderer Bezug zu dieser Stadt herstellbar.

In der klein geschriebenen Form hat sich der adlige Name als metzgereitechnische Definition eines bestimmten Fleischzuschnitts verselbständigt. Wer also in der boucherie ein chateaubriand bestellt, bekommt ein mindestens vier Zentimeter dickes Stück aus dem Mittelteil oder dem Kopf einer Rinderlende (→Stroganow). Mit 500 bis 600 Gramm Gewicht stellt es in der Regel zwei Portionen dar, die aber immer am Stück zubereitet und erst direkt vor dem Servieren, manchmal am Tisch der Gäste, tranchiert werden.

Für mehr – oder auch für hungrigere – Gäste wird das Chateaustück, wie es in deutschen Fleischereien heißt, auch größer geschnitten. Dünnere Scheiben aus dem Filet werden eher als tournedos bezeichnet. Das Fleischstück erst nach dem Braten zu portionieren, hat den Vorteil, dass der Flüssigkeitsverlust, den jeder Schnitt unweigerlich mit sich bringt, auf ein Mindestmaß reduziert wird. Im Grund ist das Chateaubriand eine Variante des →Filet Wellington – oder umgekehrt …

Wichtig ist, dass das Filet gut abgehangen ist. Denn es wird zwar so scharf angebraten, dass es rundum eine kräftige, aromatische Kruste erhält. Aber direkt unter der Oberfläche bleibt es mindestens rosa, wenn nicht blutig oder gar blau. Und bei diesen Gargraden, französisch à point/saignant/bleu und englisch medium rare/rare/blue genannt, bietet nur durch mehrtägige Reifung bereits mürbe gewordenes Fleisch einen Hochgenuss. Je nach gewünschter Garstufe kommt es nach dem Anbraten noch für ein paar Minuten in den mäßig beheizten Ofen, mehr als 80°C sollten es nicht sein.

Wie bei allem kurzgebratenen Fleisch entsteht auch hier kein ausreichender Bratensatz, aus dem sich eine Sauce aufbauen ließe. Klassisch wird zum Chateaubriand die Sauce Chateaubriand serviert, die auf Basis eines kräftigen Rinderfonds mit Weißwein, fein gehackten Schalotten und Wurzelgemüse sowie Butter montiert wird. Kurz vor dem Servieren wird die Sauce mit frisch gehacktem Estragon durch das Sieb gestrichen, was ihr eine kräftig grüne Farbe verleiht. Sehr oft bekommt man alternativ eine sauce béarnaise gereicht. Als Beilage werden in den meisten Rezepten pommes noisettes oder pommes soufflées angegeben.

Erstere, im Deutschen als Schlosskartoffeln auf der Karte, sind roh gebratene Kartoffelkügelchen von der Größe einer Haselnuss, frz. noisette. Da sie in der Regel mit dem Parisienne-Ausstecher fabriziert werden, nennt man sie auch pommes parisienne. Die aufgeblasenen Kartoffeln entstehen, wenn roh geschnittene Scheiben zweimal kurz hintereinander sehr heiß fritiert werden und sich dabei ballonartig aufblähen. Da diese beiden →Zubereitungsarten der pommes de terre recht aufwändig sind, findet man häufig einfache pommes frites auf dem Teller – die ja aber durchaus ebenfalls köstlich sein können.

Das feine Filet wird aus Kostengründen auch schon mal durch andere Fleischzuschnitte aus dem Rücken des Rinds wie faux-filet, rumpsteak oder côte ersetzt. In diesem Fall darf das Gericht in der Gastronomie nur mit der Bezeichnung façon chateaubriand (nach Art eines Chateaustücks) oder schlicht als chateau angeboten werden.

Eine ähnliche Sprachregelung findet sich auf deutschsprachigen Speisekarten, wenn es um das →Wiener Schnitzel/Schnitzel nach Wiener Art geht.