Ulis Culinaria

William Cavendish

*1790 Paris, †1858 Hardwick Hall

...ausgerechnet Bananen !!

Wenn dieser Seufzer zu hören ist, ist wohl mal wieder irgendwas so richtig schiefgegangen.

Und das war in den 1920er Jahren in den USA der Fall, als wegen einer durch Monokultur verursachten Pflanzenkrankheit die Bananenlieferungen aus Mittelamerika ausblieben. Darauf reagierte eine New Yorker Revue ironisch mit dem Song

Yes! We have no bananas!

In der deutschsprachigen Übertragung beklagt sich der Sänger über seine Frau, die nicht Erbsen, nicht Bohnen, auch keine Melonen, … Salat, Pflaumen oder Spargel, sondern eben ausgerechnet Bananen von ihm verlangt.

Die Banane hatte bis zur US-amerikanischen Show schon einen langen Weg hinter sich. Die Gattung Musa mit ihren knapp sechs Dutzend Arten stammt nicht einmal aus Amerika, sondern aus der asiatisch-pazifischen Inselwelt. Von dort gelangte vor allem die süße, essbare und deshalb als Dessertbanane bezeichnete Art Musa x paradisiaca, die wir in ihrer typischen gelben Schale und gebogenen Form so lieben, zunächst über Madagaskar auf den afrikanischen Kontinent.

Sprachforscher vermuten, dass die Frucht in irgendeinem afrikanischen Dialekt zu dem Namen kam, den wir bis heute weltweit in der Form banana bzw Banane verwenden. Spanier und Portugiesen bauten sie eine Zeitlang auf den Kanarischen Inseln an, und nach der Entdeckung der Neuen Welt durch Kolumbus nutzte man die tropischen Bedingungen in Süd- und Mittelamerika und auf den karibischen Inseln zum systematischen Anbau. Denn die Staudenpflanze liebt es heiß und feucht! Mittlerweile ist sie rund um den Globus etwa zwischen den 30. Breitengraden nördlich und südlich des Äquators vertreten. Diese Zone wird folglich gerne als Bananengürtel bezeichnet.

Wie kostbar die Banane anfangs noch geschätzt wurde, zeigt der zweite Teil des botanischen Namens: man traute ihr die Rolle der verführerischen, aber verbotenen Frucht zu, derentwegen der Mensch als Sünder das Paradies verlassen musste. Noch in botanischer Fachliteratur des 19.Jhs. findet man gelegentlich Beschreibungen der Banane als Paradiesfeige. Den Gattungsnamen Musa bezog der Botaniker Carl von →Linné 1736 auf Antonius Musa, einen griechischen Naturgelehrten des 1.Jhs.v.Chr. und Leibarzt von Kaiser Augustus. Offensichtlich hatte schon Linné der tropischen Frucht gewisse medizinische Kräfte zugetraut.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO)  weist für das Jahr 2017 eine Weltproduktion von fast 114 Mio. Tonnen aus. Das hat allerdings auch eine negative Kehrseite. In natürlicher tropischer Vegetation gleichen sich widerstrebende Kräfte in Flora und Fauna durch enorme Artenvielfalt aus, sodass sowohl vom Menschen als nützlich betrachtete Arten als auch sog. Schädlinge sich gegenseitig im Gleichgewicht halten. Diese Balance wird erheblich gestört, wenn in Monokulturen nur noch sehr wenige Arten übrigbleiben, wie dies auch in den Bananenplantagen des gesamten Bananengürtels der Fall ist.

Cavendish-Banane

vs.

Gros Michel

verschiedene Züchtungen

Die Bananen, deren Ausbleiben in dem Revuesong beklagt wird, gehörten zur Sorte Gros Michel, die in der Karibik speziell für den US-amerikanischen Markt kultiviert, aber auch nach Europa exportiert wurde. Ein Pilz hatte in den monokulturellen Bananenplantagen bald leichtes Spiel und sorgte in den 1960er Jahren mit der sog. Panama-Krankheit dafür, dass die Big Mike, wie sie auch genannt wurde, praktisch vom Weltmarkt verschwand. Ihren Platz nahm eine Züchtung ein, die bereits im 19.Jh. in einer Gegend entstanden war, die man zunächst bestimmt nicht für bananentauglich hält, nämlich in Chatsworth House, dem Sitz der Adelsfamilie Cavendish in den englischen East Midlands.

William George Spencer Cavendish war bereits der 6. Duke of Devonshire und hatte den riesigen Landbesitz bereits mit 21 Jahren geerbt. Trotz seiner adligen Herkunft und seines Reichtums engagierte sich der junge Herzog schon früh in liberalen politischen Gruppierungen gegen damalige Normalitäten wie Kinderarbeit und Sklavenhandel. Einen erheblichen Teil seines Vermögens setzte er uneigennützig und großzügig für seine vielfältigen kulturellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen ein. Dazu gehörte auch die Nutzung seiner Gärten in Chatsworth zur Anpflanzung aller möglichen exotischen Gewächse, die aus den britischen Überseegebieten kamen. Für diesen Bereich machte er 1826 den Botaniker Joseph Paxton verantwortlich. Dieser glich den doch erheblichen Unterschied zwischen dem englischen und einem bananengemäßen tropischen Klima durch den Bau großer Gewächshäuser aus Metall und Glas aus. Aus den gleichen Materialien gestaltete Paxton für die Londoner Weltausstellung 1851 den berühmten Crystal Palace, von dessen Schönheit und Extravaganz auch Queen →Victoria so angetan war, dass sie Paxton zum Sir Paxton adelte.

Musa cavendishii -

1830 pflanzte Paxton in Chatsworth erstmals eine Bananenstaude auf der britischen Insel an. Er studierte die Pflanze wissenschaftlich und begann mit Vermehrungs- und Züchtungsversuchen. 1836 endlich trug die Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes Früchte, immerhin etwa 100!

Die entstandene Sorte nannte Paxton in Würdigung seines Arbeit- und Geldgebers Musa cavendishii. Er präsentierte sie auf einer Ausstellung der Royal Horticultural Society, wo sie auf Anhieb mit einem Preis bedacht wurde.

- Urahn der Bananenwelt

Erste Ableger wanderten mit Missionaren in die Südsee, also praktisch zurück in die ursprüngliche Heimat. Von dort aus entwickelte sie sich allmählich, auch wegen ihrer im nordenglischen Gewächshaus isolierten genetischen Besonderheit und später als Ersatz für die pilzgeschädigte Gros Michel, zur weitestverbreiteten Bananensorte mit annähernd 1.000 Weiterzüchtungen. Somit ist die von Paxton und William Cavendish seinerzeit in Chatsworth House angepflanzte Staude faktisch der Urahn der allermeisten Bananen, die als Cavendish-Bananen auf den heutigen Obstmärkten landen. Wobei der Obstliebhaber diesen Namen selten auf dem Etikett findet.

Aber natürlich konnte auch sie nicht die Probleme lösen, die zwangsläufig durch die Monokultur entstehen. Der Cavendish-Banane droht sogar nach Ansicht von Experten das gleiche Schicksal wie der Big Mike, denn auch das Reich der Pilze hat mit fungizidresistenten Mutationen nachgerüstet. Gleiches gilt für Insekten und andere sog. Schädlinge. Wie auch bei der Monokultur anderer Nutzpflanzen wie z.B. Mais versucht die Wissenschaft, durch umstrittene genetische Manipulationen Abhilfe zu schaffen. Der sicher nachhaltigere Weg in eine veränderte Anbaukultur wird aber hier wie dort durch den Vorrang des Profitinteresses vor dem Umwelt- und Artenschutz verhindert.

Nicht nur Insekten- und Pilzbekämpfungsmittel schädigen trotz diverser gesetzlicher Bestimmungen die Umwelt und damit nicht zuletzt die Gesundheit der Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter.

Denn gerade unser Wunsch als Endverbraucher, zu jeder Jahreszeit nur makellose Früchte ohne den kleinsten Flecken kaufen zu können, und das Ganze noch möglichst zu Billigstpreisen, führt zu eben jenen Anbau-, Verarbeitungs- und Transportmethoden, die aus ökologischer wie aus sozialer Sicht höchst fragwürdig sind.

Wer also eine wie gemalte Werbeplakat-Banane verspeist, kann sicher sein, gerade damit ein Höchstmaß an Chemieeinsatz verursacht zu haben. Wieviel von all den Pestiziden, Fungiziden und sonstigen Mitteln in den menschlichen Organismus gelangt, ist nach wie vor umstritten. Dabei sind Bananen im Grunde nicht nur wohlschmeckende, sondern auch nahrhafte und gut verdauliche Beeren. Sie sind in der Gastronomie, in der privaten Küche, in Bäckerei und Konditorei sowie in der Lebensmittel- und Süßwarenindustrie zu einem unverzichtbaren Allround-Talent mit unzähligen Möglichkeiten geworden. 

In ihrer Natur liegt es, dass Bananen nach der Ernte nachreifen. Biologen bezeichnen solche Früchte als klimakterisch. Sie werden noch unreif und grün geerntet und gekühlt in die Bestimmungsländer verfrachtet. Erst dort gelangen sie zu der Reife und der gelben Färbung, die wir dann am Obststand vorfinden. Bis dahin haben sie zwar nur relativ wenig Vitamine, aber reichlich Spurenelemente wie Magnesium und vor allem Kalium entwickelt sowie verdauungsfördernde Ballaststoffe. Der wesentliche Reifungsprozess besteht in der Umwandlung von Stärke in Fruchtzucker. Ihre derzeitige Vorrangstellung verdankt die Cavendish-Banane auch der 

Eigenschaft, dass sich bei ihr besser als bei vielen anderen Sorten die Reifung durch den Kühltransport verzögern und termingenau steuern lässt. Auch in den Anbauländern reifen die Früchte erst nach der Ernte vollständig aus. Da es dort hierfür allerdings keiner chemischen Behandlung bedarf, ist der Geschmack mit dem der bei uns angebotenen, oft recht faden Bananen, auch der Cavendish, nicht vergleichbar. Jeder, der einmal eine vor Ort gereifte Banane probieren konnte, weiß die aromatische Süße zu schätzen, die sich gerade unter einer bereits leicht braunfleckigen Schale verbirgt.

Der Anbau von Dessertbananen, also auch der Cavendish, macht nur einen geringeren Teil der gesamten Bananenproduktion aus. Den Hauptanteil bestreitet die festfleischige Kochbanane, die auch Kartoffel der Tropen genannt wird, weil sie roh nicht genießbar ist, sich aber wie die Erdknollen zubereiten lässt

Diese Sorte von Musa x paradisiaca wird jedoch fast vollständig in den Anbauländern als Grundnahrungsmittel genutzt. Sie spielt also im lukrativen Exporthandel praktisch keine Rolle, verursacht dafür aber auch nicht annähernd so gravierende Probleme wie ihre Obst-Schwester.

Die explosionsartige Verbreitung der Banane hat auch die politischen und sozialen Verhältnisse in den Anbauländern entscheidend beeinflusst – und meistens blieben diese Länder selbst dabei auf der Strecke. Ganz wenige US-Konzerne haben sich von Anfang an das weltweite Geschäft geteilt. Zur Durchsetzung ihrer Interessen formten sie ganze Regimes nach ihrem Belieben, was durch massive Korruption oder notfalls auch vom US-Militär und den Geheimdiensten unterstützt wurde. In den sog. banana wars in den 1910er/20er Jahren griffen die USA unverhohlen mit offenen Militäraktionen in verschiedenen Ländern Mittelamerikas ein, um im nationalen Interesse die Vormachtstellung ihrer Konzerne, allen voran die United Fruit Company, zu verteidigen. Nicht ohne Grund ist aus dieser Historie der Begriff Bananenrepublik entstanden, obwohl es auch um andere landwirtschaftliche Produkte wie Zuckerrohr, Kautschuk oder Tabak ging. Und so mancher mittelamerikanische, karibische, afrikanische oder asiatische Staat hat sich bis heute nicht aus der durch das Bananengeschäft mitverursachten Abhängigkeit in Armut befreien können. Zu Recht wird von einer Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln gesprochen.

Bananenrepublik

Der Deutsch-Rocker Udo Lindenberg hat den Boss einer fiktiven American Fruit Company auf seine unnachahmliche ironisch-ernsthafte Art 1985 im Lied Bananenrepublik beschrieben:

Da kaufte er sich das ganze Land

mit Präsident und Parlament

mit allem, was dazu gehört

damit keiner die Geschäfte stört

Bananenrepublik

Er kaufte sich das ganze Land

mit Polizei und Militär

und weg mit jedem, bitte sehr,

der sagt, dass was nicht in Ordnung wär‘

Abgesehen von diesen Problemen diente die Banane immer wieder als Sinnbild exotischer Genüsse. Ein musikalisches Beispiel hierfür ist der Banana Boat Song, in seiner bekanntesten Version 1956 gesungen von Harry Belafonte. Der ursprünglich jamaikanische Calypso-Folksong beschreibt allerdings auch die mühselige Arbeit der Schauerleute, die für einen Hungerlohn die schweren Bananenbüschel im Hafen zu bzw. von den Schiffen schleppten.

hands

Come, Mister Tally Man ...

bunch

Dafür wurden sie entsprechend der transportierten hands bezahlt. Als Hand bezeichnet man die aus einem gemeinsamen Fruchtansatz herauswachsenden 10 bis 18 einzelnen Früchte, die fingers. Ein bunch, ein Bananenbüschel besteht aus etwa 10, manchmal bis zu 20 hands, bringt also mitunter ein stattliches Gewicht auf die Waage – bzw. auf die Schulter des Hafenarbeiters. Die Anzahl der Hände wurde vom tallyman kontrolliert.

Diesem rufen die Arbeiter zu: Come Mister Tally Man, tally me banana! (Komm, Herr Zählmeister, zähl‘ meine Bananen!), um dann auch den korrekten Lohn zu bekommen. Und der Tallyman zählt: Six hand, seven hand, eight hand, bunch! …

Das exotische Flair der damals in Europa noch recht seltenen Früchte hat schon in den 1920er Jahren die afroamerikanisch-französische Tänzerin Josephine →Baker mit erotischem Flair verbunden, wenn sie in den Pariser Cabarets auftrat und ihr einziges Kostüm in einem aus Bananen gebundenen Röckchen bestand.

Gleichzeitig nahm Baker mit solchen Auftritten rassistische Klischeevorstellungen auf’s Korn, unter denen sie vor allem in ihrer Heimat, den USA, zu leiden hatte.