Ulis Culinaria

Agnes Bernauer

*1410 Augsburg, †1435 Straubing

Hätten sich das kurze Leben und das tragische Ende der Augsburger Baderstochter nicht im frühen 15.Jh, sondern heute abgespielt, wären die Verkaufszahlen der Regenbogenpresse mit solchen Schlagzeilen sicher ebenso in die Höhe geschnellt, wie bei der Berichterstattung über das Drama um die englische Prinzessin Lady Di gegen Ende des 20.Jhs.

Denn auch hier geht es um die Verbindung eines Adligen mit einer nicht standesgemäßen Frau, die sich zu allem Überdruss auch noch alles andere als unterwürfig, sondern recht selbstbewusst gab. Der bayrische Prinz Albrecht III. aus dem Hause Wittelsbach lernte die Bernauerin 1428 kennen, als er in Augsburg an einem Ritterturnier teilnahm. 

Liebesdrama bei den Wittelsbachern!

Portrait aus dem 18.Jh., unbekannt

Er verliebte sich Hals über Kopf und nahm sie mit in seine Münchner Residenz.

Ob sie tatsächlich geheiratet haben, ist unter Historikern umstritten, spielt aber für das Weitere auch keine große Rolle. Jedenfalls fürchtete Albrechts Vater, Herzog Ernst von Bayern-München, um die korrekte Einhaltung der Erbfolge. Auch Albrechts Schwester Beatrix empfand Agnes wohl als unbotmäßige Konkurrenz im Gefüge des Münchner Hofstaates. Also machte Papa Ernst im Jahr 1435 kurzen Prozess: Während Albrecht mit Jagdfreunden länger unterwegs war, beschuldigte sein Vater Agnes der Hexerei und verfügte, sie bei Straubing, wo die Wittelsbacher ein Schloss besaßen, in der Donau zu ertränken.

Einerseits soll Albrecht seinem Vater aus Zorn und Trauer zunächst den Krieg erklärt haben. Andererseits wird berichtet, er habe sich erstaunlich rasch mit seinem Vater versöhnt, nachdem dieser eine kleine Kapelle erbauen ließ und dem Straubinger Kloster eine ewige Messe zum Andenken an Agnes verordnete.

Ein solch überraschender Sinneswandel hätte in den heutigen Klatsch-und-Tratsch-Blättern genauso wilde Spekulationen über das Verhältnis der angeblich so Verliebten ausgelöst wie damals. Sollte Albrecht die Jagdreise gar nur unternommen haben, um dem Vater freie Hand für die Lösung seiner eigenen Probleme mit der renitenten Agnes zu verschaffen? Jedenfalls heiratete der junge Witwer schon ein Jahr später wieder – und diesmal ganz brav eine Adlige, was seinen Weg in die Nachfolge des Vaters als Herzog von Bayern-München ebnete.

Wie bei Lady Diana galt natürlich die Sympathie der Öffentlichkeit dem Opfer des Dramas. Beide Frauen wurden fast zu Heiligen hochstilisiert. Eine weitere Parallele: Nach dem tragischen Tod entstanden phantasiereiche Verschwörungstheorien. Z.B. wird getuschelt, Agnes und Albrecht seien als Säuglinge vertauscht worden –  also sei eigentlich sie eine Wittelsbacherin gewesen und er der Sohn des Augsburger Baders …

Auch der Hexerei-Vorwurf des Herzogs Ernst bietet hinreichend Raum für Spekulationen. Und um den Verbleib des Leichnams ranken sich etliche Vermutungen. In der Agneskapelle befindet sich zwar ein Grabstein mit der lebensgroßen Darstellung von Agnes, ihre Gebeine fand man dort aber nicht. Bis heute werden ganze Archive nach Urkunden und anderen Belegen durchforstet, aber immer noch bleiben genügend Fragen offen. Also insgesamt ein dankbarer Stoff für die literarische Verarbeitung! Vor allem im mal romantisierenden, mal historisierenden 19.Jh. entstanden phantasiereiche Biografien, Erzählungen und Dramen um die Geschichte.

Das Trauerspiel in fünf Akten, das Friedrich Hebbel 1852 unter dem Titel Agnes Bernauer verfasste, erntete zwar Lob und Kritik gleichermaßen, wurde aber zum Publikumserfolg.

Zahlreiche Theater inszenierten es, Generationen von Schülern wurde es als Pflichtlektüre zur moralischen Erbauung verordnet, und bis in die heutige Zeit kommt es hin und wieder in den Spielplan.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Agnes verklärt als Volksopfer, das vom grausamen Mittelalter verschlungen wurde, und als Sinnbild für die Erneuerung des Blutes und der Sitte. So formulierte es ein Straubinger Heimatdichter und glühender Verfechter der nationalsozialistischen Ideen, der 1935 mit einem eigenen Theaterstück im Straubinger Wittelsbacher-Schloss die ersten Agnes-Bernauer-Festspiele veranstaltete.

Diese finden, offiziell als Laientheater, bis heute im Vier-Jahre-Rhythmus statt, freilich nach 1945 entnazifiziert. Hierzu trug auch Carl Orff mit einer musikdramatischen Bearbeitung des Themas bei.

Malerei um 1500

Bei Straubing überquert der Autoverkehr seit 1981 auf einer modernen Bogenbrücke die Alte Donau.

An dieser Stelle hat sich die mittelalterliche Brücke befunden, von der Agnes 1435 in den Fluss gestossen wurde. Deshalb heißt auch der heutige Bau

Agnes-Bernauer-Brücke.

Der ungebrochenen Beliebtheit der mysteriösen Geschichte trug irgendwann auch die Straubinger Konditorei Krönner mit einer Agnes-Bernauer-Torte Rechnung, manchmal auch nur als Bernauer-Torte bezeichnet.

Obwohl sich keinerlei Zusammenhang zwischen der historischen Figur und dem Rezept erkennen lässt, wird die süße Kreation unter dem Namen der tragischen Agnes in ganz Bayern und darüber hinaus zubereitet.

Agnes-Bernauer-Torte

Foto: Café&Konditorei Krönner, Straubing

Steif geschlagenes Eiweiß wird mit Zucker und gemahlenen Mandeln oder Haselnüssen verrührt und zu fünf bis sechs dünnen runden Platten mit dem üblichen Tortendurchmesser von 26cm ausgestrichen. Die gebackenen Baiser-Platten werden mit Zwischenschichten aus buttriger Mokkacreme aufeinandergestapelt. Der Rand und die Oberfläche der Torte werden mit der gleichen Creme bestrichen und mit gehackten Mandeln/Nüssen sowie Staubzucker abgestreut. Vor allem der Kontrast zwischen dem knusprigen Nussbaiser und der zarten Buttercreme macht den Reiz der Torte aus.