Ulis Culinaria

Marguerite d'Angoulême, Reine de Navarre

*1492 Angoulême, †1549 Odos-en-Bigorre

lichtdurchflutet

Statue im Jardin de Luxembourg, Paris

Im Herzen der Charente, der südwestfranzösischen Heimat von Cognac und Pineau de Charentes, kam die Prinzessin im Schloss der Familie zur Welt. Zur Wahl des Vornamens erzählt eine Legende, ihre Mutter Louise de Savoie habe während der Schwangerschaft beim Austernessen versehentlich eine Perle verschluckt.

Und die von Muscheln gebildeten Perlen heißen im Altgriechischen margarites. Das Wort findet sich als weiblicher Vorname in unterschiedlichsten Schreibweisen und Kurzformen in den meisten Sprachen Europas (Margarethe, Margherita, Margot, Gretel, Grit …).

Es bedeutet eigentlich lichtdurchflutet. Dahinter steckt die mythische Vorstellung, die kostbaren Muschelperlen entstünden, wenn das nächtliche Mondlicht auf einen Wassertropfen fällt. Auch die Benennung der gleichnamigen Blume, der Margerite, entspringt dieser schönen Idee.

kreative Mäzenin

Mit dem Héptameron, einer Sammlung amourös-erotischer Erzählungen, und weiteren Schriften machte sich die adlige Dame als eine der ersten Frauen einen Namen in der Welt der Literatur. Darüberhinaus förderte sie als Mäzenin im Geist der Renaissance nicht nur die Literatur, sondern auch Malerei, Musik und Naturwissenschaften.

Portrait von Jean Clouet, ~1530

Ihr jüngerer Bruder wurde 1515 als François Ier zum König von Frankreich gekrönt. Über ihn übte sie einigen Einfluss auf die französische Innen- und Außenpolitik aus, wobei sie schon früh Ideen vertrat, die für ihre Zeit als fortschrittlich gelten können. Sie selbst wurde 1527 durch Heirat mit Henri II d’Albret Königin des zu Frankreich gehörenden Pyrenäen-Staates Navarra und nannte sich seitdem Reine Marguerite de Navarre. Bis zu ihrem Tod lebte sie in Odos im Bigorre, der mit dem heutigen Département Hautes-Pyrénées weitgehend deckungsgleichen historischen Region.

Gut hundert Jahre später, 1651, veröffentlichte der Koch François Pierre de →La Varenne sein zum Klassiker der Küchenliteratur gewordenes Werk Le Cuisinier françois. Hierin wandte er sich von der oft überwürzten und fleischlastigen Küche des Mittelalters ab und gilt mit seiner Forderung nach naturbelassenen Lebensmitteln (au naturel) als einer der Begründer der modernen cuisine française.

Eine von ihm beschriebene Hühnersuppe mit Reis und Mandelcreme soll er in Würdigung der Königin von Navarra Potage à la Reine getauft haben. Es gibt allerdings verschiedene Theorien, die das Rezept mit anderen königlichen Damen verbinden, die den in der französischen Monarchie beliebten Namen trugen. Gelegentlich wird Marguerite de France (1553-1615) genannt, die als Gattin von Henri IV ebenfalls den Titel der reine de Navarre führte.

Potage à la Reine - Königinsuppe

Aus dem Hühnchenfleisch, den Mandeln und dem Reis entsteht durch Pürieren eine samtige, sehr helle Suppe. In späteren Abwandlungen wird diese Färbung manchmal durch Zugabe von reichlich crème fraîche (Sahne) erreicht, was La Varenne als Verfechter einer leichteren Küche aber sicher nicht gefallen hätte – wenn auch die von ihm verordneten Mandeln ebenfalls nicht gerade zur Diätkost gezählt werden können.

Marguerites d'Angoulême

Ebenfalls zum Andenken an die bedeutende Dame der Renaissance hat 1876 Jules Duceau, ein confisier/chocolatier der Stadt Angoulême, eine feine Süßigkeit kreiert. Marguerites d’Angoulême sind Pralinen in Form von Margeritenblüten aus zartbitterer Schokolade, die mit Orangenschale aromatisiert wurde.

Da spielt man doch gerne das Spiel effeuiller la marguerite, bei dem der Blüte nacheinander die einzelnen Blättchen abgezupft werden, um herauszufinden: Sie/er liebt mich, sie/er liebt mich nicht …