Ganz in der Nähe der toskanischen Marmorsteinbrüche der Provinz Massa-Carrara, in denen bereits Michelangelo das Material für seine Skulpturen aussuchte, wird in einem abgelegenen Tal eine kleine, aber seit 300 Jahren verbürgte Schafrasse gehalten, die man
Pecora Zerasca
nennt. Das Valle della Magra liegt im nordwestlichsten Zipfel der Toscana, das Grenzgebiet zur Liguria nennt man Lunigiana.
Das Fleisch dieser Tiere wird, je nach Schlachtungs-Alter, als Pecora Zerasca oder Agnello di Zeri vermarktet. Pecora, von lateinisch pecus für kleinwüchsiges Tier, bezeichnet allgemein die Art Ovis gmelini aries (Hausschaf), insbesondere aber das Muttertier (von dem Begriff ist die Bezeichnung des Schafmilchkäses →pecorino abgeleitet). Das männliche Schaf, der Hammel bzw. Bock, heißt montone. Unter agnello wird das bis zu einem Jahr alte Lamm verstanden.
Mit etwa 2.500 Tieren ist das Zerasca ein relativ seltener und nur hier, in der Lunigiana, gehaltener Artvertreter. Die Tiere leben ganzjährig im Freiland und werden nur sehr eingeschränkt gemolken, d.h. die Milch der Mutterschafe bleibt überwiegend den Lämmern vorbehalten. Die ausschließliche Ernährung von Muttermilch und den würzigen Gräsern und Kräutern der Weiden verleiht dem Fleisch der Lämmer unvergleichlichen Geschmack und Zartheit. Deshalb ist die Nachfrage nach dem agnello di Zeri in der Gastronomie, bei Fleischverarbeitern und auf dem privaten Markt meist größer als das Angebot. Das consorzio per la valorizzazione e la tutela della pecora e dell’agnello di Zeri, in dem sich die Schafhalter zusammengeschlossen haben, garantiert dagegen die Bewahrung der tradierten Haltungsbedingungen, um die Qualität nicht dem Bestreben nach mehr Quantität zu opfern.
Eine traditionelle Zubereitung des Lammfleisches ist das agnello al testo. Am ehesten lässt sich testo mit Bräter übersetzen, ein breiter, flacher Topf aus Terracotta, heute oft auch aus Gusseisen. Früher stellte man den testo direkt in die Glut am Boden des forno a legno, des Holzofens, in welchem man ansonsten das Brot buk. Die dicke Wandung verteilt die Hitze im Inneren sehr gleichmäßig. Dieses Kochgeschirr vereint bei aufgelegtem Deckel die Vorteile des schonenden Dampfgarens mit der Bildung einer schönen Bratenkruste, wenn am Ende der Garzeit der Deckel abgenommen wird. Gerne gibt man zum Fleisch diverse Gemüse in den Topf, was mit Brühe und/oder Wein eine kräftige Sauce entstehen lässt. Der bei uns beliebte Römertopf kann sehr gut die Rolle des testo einnehmen!
Und eine zusammen mit dem Lamm im Testo zubereitete Beilage bieten Kartoffeln aus der Region, die Patate di Zeri. Hierunter vereinen sich drei Sorten, alle mit relativ kleinen, kugeligen Knollen: rossa mit rötlicher Schale und fast weißem Fleisch, die hellhäutige und gelbfleischige bianca und als Dritte im Bunde die zale, die sich mit ihrer zarten Konsistenz als Ofen- oder Dampfkartoffel eignet.
Zum agnello al testo passt am ehesten die festkochende rossa.
Die Kartoffeln wurden um 1780 von einem hiesigen Landwirt aus Deutschland eingeführt und entwickelten sich auf den Böden des Magra-Tales, in Höhen bis zu 1.500m, zu den drei delikaten lokalen Spezialitäten. Wie das Agnello di Zeri werden auch die Patate di Zeri in sehr begrenzten Mengen produziert und sind praktisch nur auf privaten Herden und in der regionalen Gastronomie zu finden.
A K T U E L L !!
Trotz der hohen Nachfrage hat die Covid-19-Pandemie des Jahres 2020 die Schafzüchter in existenzielle Bedrängnis gebracht. Die Medien berichten über Notschlachtungen und andere einschneidende Maßnahmen, als wesentlicher Grund wird die Schließung von Restaurants genannt …