Ulis Culinaria

Zagarolo

Singdrossel (Turdus philomelos)

il tordo matto di Zagarolo

die Drossel des Verrückten

Eine wenig bekannte Spezialität hat der Ort knapp 30km östlich von Rom (Region Lazio) zumindest indirekt einem deutschen Reitersoldaten aus der Renaissance zu verdanken. Dieser hatte – glaubt man der Legende – Ende des 16.Jhs. an diversen Schlachten im Dienst diverser Herren teilgenommen und war bei Kämpfen in der Nähe von Zagarolo schwer verwundet worden. Mit seinem ebenfalls verletzten Pferd konnte er sich in ein Anwesen flüchten und wurde von den Bewohnern aufgenommen und gepflegt. Im Fieber verlangte der deutsche Soldat immer wieder nach Drosseln.

... wie aus einem Pferd Singvögel wurden ...

Da das Fangen von Singvögeln nicht als Wilderei galt, gehörten sie zum normalen Speiseplan der ärmeren Bevölkerung, so auch die Singdrossel Turdus philomelos, italienisch tordo.

Aber die hilfsbereiten Gastgeber mussten sich selbst versteckt halten und hatten nicht viel Essbares im Haus. Also schlachtete man das ohnehin todgeweihte Pferd des Deutschen. Aus dem dünn geschnittenen Fleisch rollte man mit Schinkenspeck involtini. Gewürzt mit Knoblauch, Petersilie und Koriander kamen die kleinen Rouladen in den Ofen und durften, angegossen mit Brühe und etwas Wein, sanft bei kleiner Hitze schmoren.

Das fettarme Fleisch von Pferden neigt zu Zähigkeit, also ließ man ihm lange Zeit. Die kleinen Rouladen erinnerten in Größe und Form an eine gebratene Drossel.

Da der immer noch fiebernde Patient weiter unablässig um Drosseln bat, erklärte man ihn für matto, für geistig verwirrt, und nannte das Gericht tordo del matto, die Drossel des Verrückten. 

Das weitere Schicksal des Soldaten ist nicht überliefert …

In deutschen →Redensarten bemüht man etliche Tier wie Ochse, Esel, Gans oder Huhn, um einen menschlichen Dummkopf zu kennzeichnen.

Im Italienischen wird jemand, dem man lediglich ein Spatzenhirn zutraut, gerne als merlo (Amsel) oder eben als tordo beschimpft.

Aber das so entstandene Gericht hat sich in der engeren Umgebung bis heute als Tordo matto di Zagarolo einen festen Platz im lokalen Speiseplan bewahrt. Und durch das bloße Weglassen des Wörtchens del war aus der Drossel des Verrückten eine verrückte Drossel geworden.

Jedes Jahr Mitte Juni würdigt man mit historischer Folklore und kulinarischen Höchstleistungen die verrückte Drossel bei der Sagra del Tordo matto di Zagarolo im mittelalterlichen Zentrum des Städtchens. Traditionell werden die Involtini immer noch aus Pferdefleisch gerollt, hin und wieder aber auch aus Kalb- oder Schweinefleisch. 

Steak vom Pferd

Neben der geschmorten Variante findet man sie häufig auch in Drahtkörben über Holzkohlenglut, wo sie dank des Schinkenspecks eine appetitliche knusprige Kruste bekommen.

Die Legende von dem deutschen Soldaten ist nur eine von mehreren Erklärungen für die Entstehung des speziellen Gerichtes.

Phantasielosere Historiker weisen schlicht auf die in der Landwirtschaft eingesetzten Arbeitspferde hin, die nach Beendigung ihres Berufslebens wenigstens noch als Nahrungslieferant dienten …