Ulis Culinaria

Warszawa

Die polnische Hauptstadt liegt im Herzen der Woiwodschaft Masowien, die vom Mittellauf der Weichsel und ihren Zuflüssen geprägt ist. Seit jeher bringt der Wasserreichtum auch Süßwasserfische wie den Karpfen, polnisch karp, auf den heimischen Speiseplan. Besonders als Festtagsbraten ist der Cyprinus carpio beliebt, der oft mit Längen zwischen 40-80cm und einem Gewicht bis zu 30, 40kg aus ruhigen Naturgewässern oder aus künstlich angelegten Zuchtteichen gefischt wird.

Karp po warszawsku

Karpfen nach Warschauer Art

Ein solches Prachtexemplar könnte gut auch zum Karp po warszawsku werden. Aus diversem Gemüse und Obst, trockenem Weißwein und Kräutern wird ein Mirepoix zubereitet. Ein Teil der Mischung kommt als Füllung in den Bauch des Karpfens. Dazu sollte es unbedingt vorher angeschwitzt werden. Denn rohes Gemüse als Füllung würde die Garzeit so weit verlängern, dass das empfindliche Fischfleisch übergart, also trocken und fad wird, Der Rest des Gemüses bildet ein Bett im Bräter, auf dem der Fisch nun bei sanfter Hitze gargezogen wird.

Manchmal wird der gefüllte Karpfen nach Warschauer Art zunächst in Butter oder Schmalz im Bräter gold-braun angebraten, bevor er auf dem Bett Platz nehmen darf. Das bringt zusätzlich ein paar Röstaromen ins Spiel.

Mirepoix

Die Zusammenstellung des Mirepoix bestimmt natürlich den Charakter des Gerichts. Zwiebeln, Lauch, Karotten, Sellerie und Äpfel waren sicher schon vor Jahrhunderten dabei, wenn man Karpfen gefischt hatte. Mit Tomaten, Paprika, Zitrusfrüchten oder Chili z.B. verschiebt sich das Ganze eher in mediterrane Geschmacksgefilde. Das heute übliche ganzjährige Marktangebot beseitigt jeglichen Zwang zu Tradition. Entscheidend ist natürlich auch die Verwendung von entsprechenden Gewürzen!

In Abwandlungen des Rezeptes schneidet man die Filets von den Gräten (was bei Karpfen nicht so einfach ist, evt. den Fischhändler bitten …!), mariniert sie in Zitronensaft und gart sie auf der Gemüsemischung. Oder man geliert das Ganze zu einer Sülze, die sich nach dem Abkühlen für eine kalte Platte in Scheiben schneiden lässt. Ein typischer Bestandteil des polnischen Heilig-Abend-Menüs: bei diesem kommt eine Abfolge von zwölf fleischlosen Gerichten auf den Tisch, wobei Fisch nach kirchlicher Lehre bekanntlich nicht unter das Fastengebot fällt. Im Andenken an die zwölfköpfige Jüngerschar um Jesus ist jeder Gast bemüht, von jedem Gang zumindest einen Happen zu verspeisen.

Die polnische Hauptstadt findet in der klassisch-französischsprachigen Küche Erwähnung mit der Sauce varsovienne (Warschau heißt auf Französisch Varsovie), die durch Aufkochen von Rahm mit frisch geriebenem Meerrettich sowie Saft und Zesten von Orangen gewonnen wird. Als śmietana werden in polnischen Küchen sowohl saure Sahne als auch süßere, unserem Schmand ähnelnde Milchprodukte sehr häufig verwendet. Ebenso gehört der chrzan (polnisch für Meerrettich, vgl. süddeutsch Kren) zum würzigen Gemüsestandard, auch in anderen slawischen Ländern.

Sauce varsovienne

Wohl deshalb hat man die Sauce, die gerne zu Fisch oder gekochtem Fleisch serviert wird, mit dem französischen Namen Warschaus assoziiert. Hin und wieder bezeichnet man auch das gesamte Gericht, bei dem diese Sauce im Spiel ist, mit dem Zusatz à la varsovienne. Die Namensgebung entstand im Frankreich des 19.Jhs., als in Pariser salons die varsovienne getanzt wurde, eine Variante der polonaise. Alte polnisch-französische Adelsverflechtungen (→Leszczynska) lassen grüßen.