Ulis Culinaria

Vessalico

Ein mittlerweile weltweit beliebter kulinarischer Export Italiens ist das pesto genovese, dieses kalte Püree aus Basilikum, Knoblauch, Pinienkernen, Hartkäse und Olivenöl, das aus einem einfachen Teller pasta ein köstliches Mahl werden lässt (→Genova). In der nordwestitalienischen Küstenregion Liguria zwischen Genua und der französischen Grenze findet man, bis auf den Käse, alle Zutaten in bester Qualität. Das 250-Einwohner-Dörfchen Vessalico zeigt zwei von ihnen sogar im Ortswappen: einen prächtigen Olivenbaum, aus dessen Früchten in der Region das bei Kennern besonders geschätzte ligurische Olivenöl Riviera Ligure →DOP gepresst wird. Und darüber sind drei Knollen Knoblauch abgebildet, ein Gewächs, das den kleinen Ort überregional berühmt gemacht hat.

Aglio di Vessalico

Vessalico liegt im Tal des Flüsschens Arroscia, das aus den nordwestlichen Voralpen kommt und an der ligurischen Küste wenige Kilometer vor der französischen Grenze ins Mittelmeer mündet. Zusammen mit weiteren 10 Gemeinden bildet das Dorf die Comunità montana Alta Valle Arroscia, die nicht nur verwaltungstechnischen Zwecken dient, sondern die sich auch um die Bewahrung des ländlichen Charakters und der landwirtschaftlichen Besonderheiten des voralpinen Tals bemüht. In dem vom Gebirge einerseits und vom Mittelmeer andererseits geprägten Klima gedeiht z.B. seit langer Zeit eine Varietät des Allium sativum von besonderer Qualität, die schon in Aufzeichnungen aus dem Mittelalter gerühmt wurde.

Der Aglio di Vessalico weist ein intensives, aber unaufdringliches Aroma auf und ist sehr lange haltbar. Beides verdankt er seinem recht langsamen Wachstum sowie der steinigen Schiefererde, in der er heranwächst. Die steilen Flanken des Gebirgstales sind mit Hilfe von mächtigen Trockenmauern in Terrassen angelegt. Der Knoblauch wechselt sich mit anderen Gemüsepflanzen im Rotationsanbau ab, was ein Auslaugen der Böden verhindert. Die Landwirte haben sich darüberhinaus in einer Kooperative strenge Richtlinien für den biologischen Anbau gesetzt. Im Spätjahr wird gesät, Ende Juni ist der Knoblauch erntereif. Die →Cooperativa Aglio di Vessalico kontrolliert das Saatgut, um eine Vermischung der lokalen Spezies mit anderen Varietäten zu verhindern.

Die Vereinigung nennt sich A Resta, womit auf die Form angespielt wird, in der man den Knoblauch am ehesten findet: Nach der Ernte werden die zart violett schimmernden Knollen, die durchschnittlich aus zehn Zehen bestehen, eine zeitlang im Schatten getrocknet. Danach werden jeweils 13 bzw. 25 Knollen zu kunstvollen Zöpfen geflochten, den sog. reste. Das italienische Wort resta bezeichnet ansonsten eine Fischgräte, und tatsächlich erinnern die auf dem Marktstand aufgereihten Knoblauchstränge mit ihrer wechselseitigen Anordnung der Knollen an ein Fischgrätmuster.

Aus dem geselligen Flechten der reste hat sich schon im 15.Jh. die Fiera dell’Aglio di Vessalico entwickelt. Das jährliche Knoblauchfest zieht Anfang Juli von weit her Besucher an, die die kulinarischen Fähigkeiten des aromatischen Gewächses vor Ort kosten wollen. Dazu gehört auf alle Fälle eine Portion dampfender Salzkartoffeln mit aiè. Das ist eine mayonnaiseartige Creme aus Olivenöl, Eigelb und zerriebenem Knoblauch, die bei den französischen Nachbarn als aïoli bekannt ist und auch gut zu Gemüse oder auf einer gerösteten Scheibe Landbrot schmeckt.

Pesto & Co.

Als Mitbringsel von der fiera bietet sich natürlich eine schöne resta an, die den heimischen Knoblauchvorrat für eine Weile garantiert. Und die eine oder andere Zehe vermählt sich sicher auch im mortaio (Mörser) mit basilico genovese aus →Pra‚, ligurischem olio extra vergine (→Taggia) und was sonst noch zu einem guten pesto genovese gehört.

Praktische Mitbringsel sind auch die im Glas in agrodolce, also süß-sauer eingelegten Knoblauchzehen. Und auch die o.g. Aiè bekommt man natürlich im Glas zu kaufen.

Die lokale Knoblauchsorte ist seit 2000 als prodotto agroalimentare tradizionale (→PAT) anerkannt. →Slow Food hat sie im gleichen Jahr in die Liste der presidi aufgenommen.