Um die Erfindung der Nudeln streiten bekanntlich seit jeher Chinesen, Italiener, Schwaben und noch ein paar andere. Dass hierbei wohl niemand einen Alleinvertretungsanspruch besitzt, ist offensichtlich, wenn auch die meisten Kulturhistoriker am ehesten den fernen Osten als Ursprung sehen. Aber nicht einmal für die Teigwaren-Varianten Spätzle oder Knöpfle können die Schwaben ein Monopol beanspruchen.
Die folgende →pasta al brodo (Nudeln in Brühe) wird zwar nicht vom Brettchen geschabt, ist aber seit langem gut 600km südlich des Schwabenländles bekannt. In der italienischen Region Marche werden besonders zu Festtagen Passatelli all’urbinate zubereitet. Aus püriertem Schweinefilet, blanchiertem Spinat, Rindermark, Semmelbröseln, Mehl, Ei und geriebenem grana padano, parmigiano oder anderem Hartkäse wird eine glatte pasta geknetet. Salz, Pfeffer und Muskatnuss geben Würze.
Der Teig wird zu einem Kloß geformt, um nun mit einem speziellen Gerät die passatelli herzustellen: es sieht aus wie eine herkömmliche Siebkelle mit etwa 4-5mm großen Löchern. Aber statt des gewohnten Stiels sind hier zwei Handgriffe montiert, damit man das gewölbte Lochblech mit der Kraft beider Arme in den Teigklumpen drücken kann. Dieser passiert die Löcher in Form kleiner Würmchen, eben den passatelli, die dann, wie andere Pasta auch, al dente gekocht werden.
Das Durchdrücken des kompakten Teigs ist wirklich eine kraftraubende Arbeit. Deshalb rühren inzwischen manche den Teig etwas zähflüssiger an und verwenden eine Presse, wie sie mittlerweile auch weniger traditionstreue Schwaben für ihre Spätzle benutzen. Die dicken Teigtropfen plumpsen dann direkt in den brodo, die siedende Fleischbrühe, in welcher sie nach wenigen Minuten auch serviert werden. Der Gast reibt je nach Gusto vor dem Auslöffeln der Suppe nochmal etwas Käse darüber. Wegen des nahrhaften Rindermarks galten die Passatelli früher als stärkende Mahlzeit besonders für stillende Mütter.
Alternativ zur Suppenversion (it. al brodo) werden die gehaltvollen Nudeln auch mit casciotta d’Urbino kombiniert, einer →DOP-geadelten lokalen Käsespezialität aus Milch von Schafen und Kühen. Der Käse wird wie bei einem Schweizer Fondue in Milch zum Schmelzen gebracht und die frisch aus der Brühe abgeschöpften Passatelli werden darübergegeben.
In der Region um Urbino werden auch weiße Trüffel gefunden, (→Alba), die natürlich, fein darübergehobelt, wunderbar mit den Passatelli harmonieren.
In weiten Teilen Italiens gehört fladenförmig mit verschiedenen Zutaten gebackener Brotteig als piadina, pizza oder focaccia zum festen kulinarischen Repertoire. In den mittelitalienischen Regionen Umbria und Marche nennt man ein derartiges Fladenbrot crescia. Die Crescia sfogliata di Urbino ist eine seit dem rinascimento beliebte Variante. Für den Teig werden farina di grano (Weizenmehl), strutto (Schweineschmalz), latte (Milch) und uova (Ei) vermengt, gewürzt wird mit Salz und Pfeffer.
Nach einer ausgiebigen Ruhezeit wird der Teig zu pfannengerechten, wenige Millimeter dünnen Fladen ausgezogen und in Schweineschmalz (manchmal auch Butter) goldgelb gebacken. Dabei bilden sich Blasen, die dem Fladen seine luftige, blätterteigähnliche Textur verleihen (ital. pasta sfoglia = Blätterteig). Die knusprige crescia genießt man heiß, belegt mit Käse, Schinken und anderen (manchmal auch süßen) Zutaten. Dazu wird sie gerne aufgerollt oder – wie eine französische crêpe – gefaltet, um sie bequem aus der Hand zu essen.