Ulis Culinaria

Thomery

In der Gemeinde, südöstlich von Paris am Ufer der Seine gelegen (Département Seine-et-Marne), wird seit 1730 der Chasselas de Thomery angebaut. Die Rebsorte Vitis vinifera chasselas bildet hier eine Ausnahme gegenüber unserem Weinverzicht, da die Trauben vor allem als Tafelobst genossen werden. In Deutschland wird die Rebsorte Gutedel genannt, in der Schweiz heißt sie Fendant.

Chasselas de Thomery

Anders als in →Chasselas oder in →Moissac, wo der Anbau als übliches Spalier in Weinbergen stattfindet, lässt man die Reben in Thomery als Kletterpflanzen an rund drei Meter hohen Mauern wachsen. Hierbei wird die tagsüber vom Stein gespeicherte Wärme in den kühleren Nächten an die Pflanzen abgegeben, zusätzlich schützen die Wände vor Wind.

Ab der Mitte des 19.Jhs. entwickelten die chasselatiers, die Chasselas-Bauern von Thomery, die Methode der conservation en chambres: Sobald sich nach der Blüte die Beeren bilden, werden Triebe mit je ein oder zwei Trauben abgeschnitten. In großen, gut belüfteten und im Notfall sogar beheizten geschlossenen Räumen (frz. chambres) werden in langen Holzgestellen mehrere Tausend mit etwas Wasser gefüllte Flaschen aufgehängt, in denen die Beeren wie in einer Vase unter geschützten Bedingungen heranwachsen und reifen. Mit dieser Methode konnte die Produktion um mehrere, in guten Jahren bis zu sechs Monate verlängert werden.

Die besondere Technik der Mauerbepflanzung und der Reifung in Räumen wurde à la Thomery genannt und in einzelnen Gegenden Frankreichs nachgemacht, so auch im potager du roi, dem königlichen Gemüsegarten des Schlosses von Versailles. Auch mit anderen Früchten wie z.B. Pfirsichen erprobte man das Verfahren.

Ansicht von Thomery, um 1870
Traubenverkauf auf Straßenmarkt in Paris, um 1860

Wegen der goldgelben Färbung der Trauben und wegen des wohlklingenden Namens des benachbarten Schlosses von →Fontainebleau wurde das Tafelobst auch als chasselas doré de Fontainebleau bezeichnet. Während die kräftig schmeckenden Trauben früher als Luxusfrüchte begehrt waren, ist ihr aufwändiger Anbau seit den 1930er Jahren stark zurückgegangen. In den letzten Jahren haben eine Handvoll engagierter Gärtner die Kultivierung wieder intensiviert.