Ulis Culinaria

Tentúgal

Pastel de Tentúgal

Die unscheinbare Gemeinde in der portugiesischen Region Centro ist durch eine außergewöhnliche Süßigkeit bekannt geworden:

Pastel de Tentúgal.

Grundlage des Gebäcks ist ein nur aus Mehl und Wasser gebildeter Teig. Ein relativ kleiner Klumpen hiervon wird, wie in Süddeutschland und Österreich der Strudelteig, nach und nach ausgezogen, bis der Boden eines ganzen Raumes mit einer hauchdünnen, wie Pergamentpapier durchschimmernden Teigfolie bedeckt ist. Das kann ohne Risse nur gelingen, wenn die Qualität des Mehls stimmt, der Raum die richtige Luftfeuchtigkeit besitzt und der Teig keinerlei Luftblasen enthält. Und natürlich nur, wenn die Bäckerinnen und Bäcker über ausreichend Kunstfertigkeit und Erfahrung verfügen!

meia-lua (links) und palito (rechts)

Die Teigfolie wird in postkartengroße Stücke zerschnitten. Jedes dieser Blätter wird mit einer aus Zucker und Eigelb angerührten Füllung belegt, nach dem Einpinseln mit flüssiger Butter aufgerollt und an den Enden kunstvoll eingeschlagen. Diese als palito (port. für Stäbchen) bezeichnete Variante ist die Übliche. Eine andere, halbrunde Form erinnert an den Halbmond und heißt entsprechend meia-lua.

So oder so: Das nach dem kurzen Backen knusprig-fragile, goldbraune und mit Puderzucker, manchmal noch mit Zimt bestreute Teigtäschchen zergeht auf der Zunge!

In Portugal zählt man weit mehr als 100 Spezialitäten aus der pastelaria (Feinbäckerei) zur doçaria conventual, zur klösterlichen Süßbäckerei (doce = süß). Auch das Pastel de Tentúgal entstand sehr wahrscheinlich im Nonnenkloster Convento da Nossa Senhora da Natividade, das im 16.Jh. in Tentúgal gegründet wurde. Die Schwestern lebten von Zuwendungen der Bevölkerung, und ein Großteil der Spenden bestand aus Eiern. Überschüssiges Eiklar diente oft dazu, den ausladenden Kopfbedeckungen der Ordenstracht die gewünschte Steifheit zu verleihen, einiges wurde auch zur Weinklärung verwendet. Das Eigelb dagegen wanderte vor allem in süßes Backwerk.

Convento da Nossa Senhora da Natividade

Da das Kloster eine beliebte Zwischenstation auf einem vielbereisten Handelsweg war, wurde das Pastel überregional bekannt und entwickelte sich zu einem einträglichen Geschäft. Als das Kloster Anfang des 20.Jhs. geschlossen wurde, hatten längst einige Familien in Tentúgal die Pastel-Bäckerei aufgenommen. Heute sind eine Handvoll Betriebe in der Associação dos Pasteleiros de Tentúgal organisiert, um das namentlich (noch!) nicht geschützte Gebäck gegen Nachahmungen zu verteidigen und die traditionelle Herstellung zu bewahren. Anderes, aber ebenfalls pastel genanntes portugiesisches Gebäck kommt aus →Belém und aus →Chaves.