Ulis Culinaria

Szeged

Szegedi

Paprika

Szeged ist die drittgrößte Stadt Ungarns und liegt im äußersten Süden des Landes am Grenzdreieck mit Rumänien und Serbien.

Stets wird das mit Schweine- und Rindfleisch sowie Sauerkraut zubereitete, im Deutschen Szegediner Gulasch genannte Eintopfgericht mit der Stadt in Verbindung gebracht. Dies ist allerdings Folge einer sprachlichen Fehlinterpretation: Die ungarische Bezeichnung Szekely gulyás bezieht sich auf den Namen des Schriftstellers und Dichters →József Székely (1825-1895), zu dessen Leibspeisen das deftige Mahl gehört haben soll.

Als ihm, so erzählt man sich, bei einem Gasthausbesuch (irgendwo in Ungarn, aber sicher nicht in Szeged) beschieden wurde, es sei leider nichts Servierbares mehr da, ließ er die letzten Reste eines Gulaschs und eines Sauerkrauteintopfs zusammen aufwärmen. Der Koch ver-feinerte das Ganze noch mit einer guten Portion Sahne. Der Literat war von dieser Verlegenheits-Kombination so begeistert, dass er sie danach immer wieder bestellte.

Ein Freund, der ihn begleitete, taufte das Mahl Székelykáposzta, wörtlich das Kraut für Székely.

Im Deutschen machte man aus dem phonetisch schwierigen Begriff dann einfach das Szegediner Gulasch, da sowohl die Stadt als auch der Fleischtopf bekannter waren als der Dichter und das ungarische Wort für Sauerkraut. In der ungarischen Gastronomie selbst versteht man unter gulyás eher eine Gemüsesuppe mit Fleischeinlage, die von dem Fleischgericht, das man bei uns mit Gulasch meint, ziemlich weit entfernt ist. Das ungarische Wort lässt sich mit Hirtenmahlzeit übersetzten, was das bisweilen klischeehafte Bild des in der Puszta über dem offenen Feuer am Dreibein hängenden Kessels erklärt.

Szegedi füszerpaprika-örlemény

Mit der Wortverbindung von Ungarn und Gulasch assoziiert man auf alle Fälle den massiven Einsatz von Paprika (→Horgoš). Im Unterschied zu anderen aus den roten Schoten hergestellten ziemlich scharfen Gewürzen wie →Cayennepfeffer oder dem piment aus dem französischen →Espelette handelt es sich bei ungarischem Paprika meist um mildes Würzpulver, das bei uns als edelsüß bezeichnet wird. Die schärferen Varianten werden Rosenpaprika genannt. Da bei Chilischoten das meiste Capsaicin, das scharfe Alkaloid (→Habana), in den weißen Scheidewänden enthalten ist, hängt der Schärfegrad des Gewürzes nicht nur von der Sorte ab, sondern auch davon, wieviel weiße Anteile mitvermahlen werden.

Obwohl Paprika in ganz Ungarn angebaut wird und zum typischen Gewürz der Landesküche geworden ist, genießt das Szegedi fűszerpaprika-őrlemény oder kurz Szegedi paprika (seit 2010 →g.U., die ungarische Abkürzung lautet OEM) besonderen Ruf. Nachdem die ersten Pflanzen des amerikanischen Einwanderers Capsicum annuum in Szeged ankamen, behandelte man sie, wie anderswo in Europa auch, zunächst als Ziergewächse. Später entdeckten Medizin und Pharmazie die verschiedenen gesundheitsfördernden Wirkungen, sodass erste Formen von getrockneten und gemahlenen Paprikafrüchten in der Apotheke zu kaufen waren. Erst danach lernte man die Eignung des Paprikapulvers als Speisewürze und die Verwendbarkeit der frischen Schoten als Gemüse zu schätzen.

Szegedi szalámi

Bis heute werden auf den gewässerreichen Schwemmlandböden um Szeged etwa 20 mittelscharfe bis scharfe Sorten angebaut. Die Früchte werden gehäckselt, getrocknet und in Steinmühlen zu feinem Pulver gemahlen. Die Reibung zwischen den Mahlsteinen erzeugt Wärme, die aus den Kernen gehaltvolles Öl löst. Das Öl wiederum entzieht der Schote die Aroma- und Farbstoffe, die das jeweilige Gericht schließlich geschmacklich und optisch befeuern. Im 19.Jh. wurde das leuchtendrote Gewürzpulver zunehmend auch für den Export produziert. Mit dem g.U.-Siegel hebt sich Szeged, wo die Paprikapflanzen von der höchsten Sonnenscheinquote Ungarns profitieren, von der übrigen ungarischen Paprikaherstellung ab.

Eine Variante der ungarischen Nationalwurst ist die Szegedi szalámi bzw. Szegedi téliszalámi (Wintersalami). Mittelfein gekörntes Schweinefleisch und Schweinespeck werden zu gleichmäßig dicken Würsten abgefüllt, die längsten über einen halben Meter lang, die kleinsten rund 15cm. Mit knapp 20cm wird eine handliche Größe als touristisches Mit-

bringsel unter der Bezeichnung turista angeboten. Nach einer zarten Räucherung über Buchenholzspänen folgt eine rund dreimonatige Trocknungs- und Reifungszeit, in der sich auf der Pelle ein charakteristischer weißer Edelschimmel bildet. Das farblich und geschmacklich bestimmende Gewürz ist auch hier der oben beschriebene edelsüße Paprika. Dazu kommen noch Salz, weißer Pfeffer, Piment (Nelkenpfeffer) und manchmal Knoblauch an das Brät. Die verarbeiteten Tiere müssen in einem begrenzten Gebiet um Szeged aufgewachsen sein und hinsichtlich Auswahl, Haltungsbedingungen, Fütterung und Verarbeitung strenge Qualitätskriterien erfüllen, die mit der 2007 erteilten →g.U. verbunden sind.

Szegedi halászlé

Szegedi-Paprika würzt – und färbt! – auch die Szegedi halászlé, eine Suppe (ung. ) mit Fischen, die der Fischer (ung. halász) aus den sich hier vereinigenden Flüsschen Maros (Mieresch) und Tisza (Theiß) geangelt haben könnte. Genauso wie beim gulyás sind regionale Varianten der halászlé typische Gerichte der ungarischen Küche. Fischsuppen-Spezialisten unterscheiden drei regionale Zugehörigkeiten: Donau-, Balaton- und eben Tisza-Fischsuppen, zu denen auch die Szegediner Variante gehört.

Ein Spruch aus Zeiten, in denen die Flüsse noch sauber waren, besagt, die Theiß bestünde zu zwei Dritteln aus Wasser und zu einem Drittel aus Fisch!

Zum Gelingen der Fischsuppe gehört, neben dem Paprika, unbedingt eine gute Portion guter Zwiebeln. Und da schwören die meisten auf die Makói vöröshagyma, die in →Makó, etwa 25km weiter östlich, angebaut wird.

Überregionale Aufmerksamkeit genießt die Fischsuppe alljährlich Anfang September beim International Tisza Fish Soup Festival. Während man sich an üppigen Portionen aus Riesenkesseln und an allerlei kultureller Unterhaltung erfreut, zeigen Spitzenköchinnen und -köche, was sich mit gutem Handwerk und kulinarischer Phantasie aus dem Traditions-Gericht so alles zaubern lässt.