Zweimal jährlich, am 2. Juli und am 16. August, findet auf dem muschelförmigen zentralen Platz der mittelalerlichen Stadt, der Piazza del Campo, ein Pferderennen statt, das zu den spektakulärsten und gefährlichsten der Welt gezählt wird: Der Palio di Siena.
Auf einem Rundkurs von rund 300m Länge treten Pferde und Reiter bei dem Wettkampf für jeweils 10 der 17 Stadtteile (contrade) Sienas an. Von den ungesattelten Pferderücken aus versuchen die Reiter mit ihrer Gerte, die Konkurrenten am Weiterkommen zu hindern. Gewonnen hat die Contrade, deren Pferd, ob mit oder ohne Reiter, aber auf jeden Fall mit dem jeweiligen Wappen auf der Stirn, als erstes die Ziellinie überquert. Eine Gefahr stellen die Mauern dar, die die Bahn begrenzen, und an denen schon so mancher Reiter schmerzhaft gescheitert ist, wenn er die Kurve nicht bekam.
Welche Contraden teilnehmen, wird von Rennen zu Rennen nach festgelegten Regeln bestimmt. Die Pferde werden den Reitern zugelost, die selbst nicht aus Siena stammen, sondern von den Contraden angeheuert werden.
Mit Segnung von Pferden und Reitern, Vorläufen und Generalprobe zieht sich das gesamte Rennereignis über 4 Tage und, Feiern inbegriffen, Nächte hin. Als Ruhmeszeichen erhält die siegreiche Contrade den buntbestickten palio, ein Stoffbanner, das für jedes Rennen neu gestaltet wird. Im Lateinischen bezeichnet pallium ein Stofftuch, das z.B. als Umhang diente, wovon sich das italienische Wort abgeleitet hat.
Das Pferderennen in Siena hat mittelalterliche Wurzeln, erste offizielle schriftliche Regelfestlegungen stammen von 1238. Aber auch Asterix und Obelix haben als Teilnehmer eines antiken Wagenrennens quer durch Italien, der Transitalique, mit ihren 4PS-Boliden schon mal Aufstellung zum Start auf der Piazza del Campo genommen.
Ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Veranstaltung sind die gemeinsamen festlichen Abendessen (cene), bei denen der Palio durchaus auch zum kulinarischen Wettstreit der Contraden gerät. Auswärtige Besucher können als Gäste an den langen, in den Gassen aufgestellten Tischen nur Platz nehmen, wenn sie von einem contradaiolo, einem Einheimischen des jeweiligen Stadtteils, eingeladen wurden.
Ebenfalls mittelalterlicher Tradition entstammt das Panforte senese, ein würziges, tortenförmiges Pfefferbrot mit reichlich ganzen Mandeln, auch als Panforte di Siena oder panpepato (gepfeffertes Brot) im Handel. Je nachdem, ob mit oder ohne Kakao gebacken, gibt es eine dunkle (nero) oder helle (bianco) Version.
Ein Kreuzritter namens Ricciardetto aus dem alten toskanischen Adelsgeschlecht Gherardesca soll aus dem Orient ein Mandelgebäck mitgebracht haben, das in Siena bald zum festen kulinarischen Weihnachtsbrauch wurde. Schon der berühmte italienische Koch und Autor Pellegrino →Artusi verzeichnete in seinem Hauptwerk La scienza in cucina e l’arte di mangiar bene 1891 das Rezept für die makronenähnlichen Mandelkekse unter der vom adligen Ritter abgeleiteten Bezeichnung Ricciarelli di Siena.
Eine Masse aus feinst gemahlenen Süßmandeln, Zucker und Eischnee wird zu kleinen, schiffchenförmigen Ovalen oder Rauten geformt und gebacken, bis die Oberfläche knusprig elfenbeinweiß ist, das Innere aber zart wie Marzipan auf der Zunge zergeht. Die nach dem Backen leicht rissige Kruste könnte, neben dem Namen des Ritters, auch zur Benennung des Gebäcks geführt haben: italienisch riccio heißt zerfurcht und ist gleichzeitig Name des Igels. Mit Puderzucker bestreut bieten die pasticcerie die Ricciarelli mittlerweile ganzjährig, seit 2010 mit →IGP-Siegel, an.
Sowohl das panforte als auch die ricciarelli stehen auf der ministeriellen Liste der traditionellen Lebensmittelprodukte (→PAT).
Lange vor der Erfindung synthetischer Farben war bei den alten Meistern der bildenden Künste ein mineralisches, ockerbraunes bis rostrotes Farbpigment beliebt, das in der Palette der colori a olio, der Künstlerölfarben, als terra di siena (bei deutschen Malern einfach als Siena) aufgeführt ist. Man unterscheidet das eher orange-braun leuchtende Siena naturale vom dunkleren, manchmal ins rotviolette gehenden Siena bruciata (gebrannt).
Terra di Siena naturale (#E79239)
Der namentliche Bezug wird im Stadtbild von Siena deutlich, das geprägt ist von den Fassaden und Dächern, die zumindest im historischen Zentrum fast ausnahmslos in diesen warmen Farbtönen leuchten. Denn die Backsteine und Dachziegel wurden aus der lehmigen Erde (it. terra) des Umlandes gebrannt. Einen architektonisch belebenden Kontrast zu diesem Farbenspiel bildet der weiße Marmor aus den Steinbrüchen von Carrara weiter nördlich.
Terra di Siena bruciata (#8C4139)
Das Olio Terre di Siena (→DOP) zeichnet sich dagegen aus durch kräftiges Gelbgrün. Wie alle guten Olivenöle wird es extra vergine gewonnen, also mit rein mechanischen Verfahren ohne Einwirkung von Hitze, was wertvolle Geschmacks- und Nährstoffe zerstören würde. Das ausgepresste Öl darf höchstens 22% des Gewichts der ganzen Oliven ausmachen, um einen zu starken Gehalt von Bitterstoffen und anderen unerwünschten Substanzen zu vermeiden. Schon in den Olivenhainen wird mit Mindestabständen zwischen den Bäumen und Begrenzung der Erntemengen durch Baumschnitt der Grundstock für Qualität gelegt. Vier Sorten des Olea europaea sind für die Etikettierung als DOP zugelassen: Corregiolo, Frantoio, Leccino und Moraiolo. Jeweils zwei von ihnen müssen mindestens 85% des Öls ausmachen, die restlichen 15% können von anderen Varietäten stammen.
Wie bei den berühmten Rotweinen des benachbarten Chianti wird auch auf den Etiketten der Ölflaschen der Erntejahrgang angegeben, eine Seltenheit in der Welt der Öle.
Die Plantagen verteilen sich auf rund 30 Gemeinden im Umland von Siena und liegen in Höhen zwischen 200 und 1.700m über dem Meer. Dazu gehören die Colline del Chianti im Norden und die Crete Senesi im Süden. Unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten machen sich durchaus geschmacklich bemerkbar. Das vom Mittelmeer beeinflusste Klima mit deutlichen Temperaturschwankungen tut den Oliven gut. Weinreben und Olivenbäume sind hier seit der Antike die wichtigsten Nutzpflanzen, und im Lauf der Jahrhunderte haben die Landwirte besondere Fertigkeiten entwickelt, ihnen Produkte von höchster Qualität abzugewinnen. Sowohl beim Wein als auch beim Öl hatte allerdings Mitte des vergangenen Jahrhunderts übermäßiges Profitstreben die Qualität und damit den Ruf stark geschädigt. Doch hat hier in den letzten Jahrzehnten ein erfreuliches Umdenken stattgefunden, das für das Olio Terre di Siena 2000 mit der Anerkennung als DOP belohnt wurde.