Ulis Culinaria

Santo Stefano di Sessanio

Das 110-Einwohner-Dörfchen liegt im mittelitalienischen Abruzzen-Massiv des Gran Sasso auf einer Hochebene in mehr als 1.200m Höhe. Im 10.Jh. gründeten hier Mönche ein Kloster und bauten unter anderem Linsen an. Die Hülsenfrüchte bilden in dem fast alpinen Klima und auf den mageren Kalksteinböden sehr kleine, aber äußerst gehalt- und geschmackvolle Samen aus. In einer einfachen Suppe mit Zwiebeln, Knoblauch, Kräutern, einem Schuss Olivenöl und – hin und wieder – etwas Bauchspeck gaben die lenticchie den frommen Männern Kraft für ihr von ora et labora bestimmtes Leben.

Lenticchia

di Santo Stefano

di Sessanio

Nachdem, Chroniken zufolge, im 13.Jh. um das Kloster eine Siedlung entstanden war, wurden die Linsen nach und nach zum überregionalen Handelsgut. Die Lenticchia di Santo Stefano di Sessanio ist längst als eigene Varietät von Lens culinaris mit besonderer Qualität anerkannt (→PAT und →SF).

Wie vor 1.000 Jahren werden die Pflanzen im Sommer von Hand gemäht. Vor dem Dreschen bleiben sie etwa zwei Wochen auf dem Feld liegen, wobei die kastanienbraunen, leicht violetten Samen nachreifen und leicht trocknen, sodass sie sich leichter aus den Hülsen lösen.

minestrone

Esau und Jakob, Dom in Mailand

Auch beim Dreschen ist Maschineneinsatz nicht möglich, da sonst Beschädigungen der zarten Samen unvermeidbar wären. Für viele kulinarische Anwendungen geeignet, gehören diese Linsen aber unbedingt in die italienische Nationalsuppe, die minestrone! Das Ende der Ernte wird in Santo Stefano anfangs September mit der Sagra della lenticchia gefeiert. Und da bekommt man die Gemüsesuppe und viele andere Linsengerichte in bester Vielfalt. Und in einer Güte, die einen fast zum biblischen →Esau werden lässt, der bekanntlich für ein Schüsselchen Linsensuppe auf sein Erstgeburtsrecht verzichtete …!