Ulis Culinaria

San Cono

Seit der Genueser Cristo-foro Colombo 1492 den amerikanischen Kontinent erreichte, sind zahlreiche Pflanzen und Tiere im sog. Columbian Exchange nach Europa gebracht und hier heimisch geworden. Eine von ihnen, die aus Mexiko stammende Kakteenart Opuntia oder Cactus ficus-indica, wächst teilweise verwildert im gesamten Mittelmeerraum, wird aber auch als Nahrungsquelle kultiviert.

Kaktusfeige

Der botanische Name spiegelt Kolumbus‘ Überzeugung wider, er habe 1492 den Seeweg nach Indien entdeckt. Die Opuntie bzw. indische Feige wird im Italienischen als Kultur-pflanze ficodindia genannt. Man verzeiht dem seefah-renden Landsmann also seinen bis zum Tod bewahrten Irrtum.

 

Im Französischen heißt die Stachelpflanze Figuier de Barbarie nach der früheren Bezeichnung der Gebiete an der afrikanischen Mittelmeerküste, in denen sie ebenfalls ideale Lebens-bedingungen gefunden hat. Im dort geläufigen Arabisch wiederum nennt man sie karmous nissára, was Christen-Feige bedeutet. Schließlich kam die Pflanze ja erst durch die christlichen Eroberer der Neuen Welt in den Maghreb.

Auf den sandigen Böden und im heißen, trockenen Sommerklima von San Cono im sizilianischen Landesinneren fühlt sich der strauch- bis baumhohe Kaktus offensichtlich besonders wohl. Jedenfalls bildet er dort unter der intensiven Pflege durch die Landwirte die stacheligen, aber begehrten Früchte, ihrer Form nach als Kaktusfeige bezeichnet, in einer Qualität aus, die sie von denen anderer Anbaugebiete abhebt. Zum richtigen Zeitpunkt geerntet, leuchtet die

Ficodindia di San Cono

je nach Sorte in kräftigem Gelbgrün, Rot oder Orange. Das zarte und doch feste Fruchtfleisch mit seinem süß-säuerlichen Aroma eignet sich in rohem Zustand zu vielen kulinarischen Zwecken, wird aber auch gerne zu Konfitüre und Ähnlichem verkocht. 2013 hat die EU der exotischen Frucht aus San Cono das →DOP-Siegel verliehen. Insgesamt wurde die auf Sizilien auch an ein paar weiteren Orten betriebene Opuntienkultur als →PAT registriert.

Karmin - Ein Parasit als Farbenlieferant

Nur noch selten wird im Lebensmittelsektor ein Farbstoff eingesetzt, der bereits vor mehr als 2.000 Jahren in Mittel- und Südamerika als Nebenprodukt des Opuntienanbaus produziert wurde, das Karmin. Die intensiv rote Karminsäure wird in aufwändigem Verfahren aus den weiblichen Cochenille-Schildläusen (Dactylopius coccus) extrahiert, die als Parasiten Opuntia ficus-indica und eine Handvoll weiterer Opuntien-Arten besiedeln. Manche Kakteen-Pflanzung dient(e) sogar hauptsächlich der Gewinnung von Karmin.

Nach EU-Lebensmittelrecht wird der Farbstoff auf Etiketten mit dem Code E 120 deklariert. Er intensiviert die verführerischen Farben von Früchte-produkten, Säften und Süßwaren (Reims), bis 2006 sorgte er für das typische Rot des italienischen Aperitifs Campari, er lässt so manche bittere Pille süß aussehen, und selbst in der Herstellung von Fleisch- und Milchprodukten (Prato) findet er Verwendung. Mehr und mehr wird die aufwändige Herstellung jedoch durch synthetische Farbstoffe ersetzt.