Ulis Culinaria

Salies-de-Béarn

liegt in der südwestlichen Ecke Frankreichs in einem wasserreichen Becken zwischen den Flüssen Gave d’Oloron und Gave de Pau, im Norden der historischen Provinz Béarn. Die Entstehung der Pyrenäen und die Verdunstung eines Urmeeres haben hier vor Jahrmillionen zu mächtigen Salzstöcken geführt, die teilweise bis kurz unter die Erdoberfläche reichen. An solchen Stellen wird das Salz bisweilen von Quellwasser ans Licht befördert.

Eine mittelalterliche Legende erzählt, Jäger hätten hier ein Wildschwein angeschossen, das schwer verwundet fliehen konnte. Tage später habe man das verendete sanglier in einer morastigen Quelle gefunden und sich gewundert, dass das Fleisch keinerlei Verwesungsspuren aufwies. Schließlich habe man festgestellt, dass das stark salzhaltige Quellwasser eine natürliche Konservierung bewirkt hatte.

Sel

de

Salies-de-Béarn

Tatsächlich ist die Salzkonzentration der hier entspringenden Quellen bis zu zehn mal höher als im Atlantik. Archäologische Funde zeigen, dass schon lange vor der Legende, in der Bronzezeit, Menschen das kostbare weiße Gold durch Verdampfung des Wassers gewonnen haben. Die hiermit verbundene Ansiedlung gilt als Ursprung von Salies-de-Béarn. Von Anfang an bezeichnete man den Ort nach den Salzquellen, in der Antike und im frühen Mittelalter als salinae oder terra de salinis. Im heutigen Französisch werden praktisch alle möglichen Salzgewinnungsstätten als salins bezeichnet, gleich in welcher der drei Formen: unterirdischer Abbau, Meersalz (→Aigues-Mortes) oder, wie hier, aus salzigen Quellen.

Am Anfang wurde das Wasser in Tongefäßen verdampft, die zum Entnehmen des kristallisierten Salzes zerschlagen werden mussten. Im Mittelalter führte man metallene Siedepfannen ein, die poêles à sel, wie sie im Prinzip bis heute verwendet werden. Da Salz zur Konservierung von Fisch, Fleisch und Milchprodukten begehrt war, gingen von Salies bald Handelswege in alle Himmelsrichtungen aus, der Salzhandel brachte ansehnlichen Wohlstand in die Region. Die zeitweise staatliche Eigenständigkeit des Béarn wurde auch durch das Salz gestützt. Mit dem System der part-prenants (Teilhaberschaften), wonach seit dem 16.Jh. die Rechte zur Nutzung einer Salzquelle an die Familie des Entdeckers geknüpft sind, verteidigten die salisiens und salisiennes ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Selbst so allmächtige Potentaten wie Louis XIV oder Napoléon Bonaparte waren gegen dieses solidarische Bollwerk aus droit de sol (Bodenrecht) und droit de sang (Blutrecht) machtlos.

Durch die besondere Struktur der Kristalle enthält das Salz von Salies noch einen gewissen Anteil an Flüssigkeit. Das erfordert viel Erfahrung beim Finden des richtigen Zeitpunktes, an dem das Salz trocken genug zum lockeren Rieseln ist, das Wasser in den Kristallen aber noch vorhanden ist. Ein besonders sanfter Umgang vom Entnehmen des Salzes aus den Siedepfannen bis zur Verpackung ist nötig, um die Kristalle nicht zu zerstören. In der eingeschlossenen Flüssigkeit finden sich eine Menge Spurenelemente, derentwegen Salies-de-Béarn allerdings erst erstaunlich spät zum Thermalbad wurde. Erst 1857 erbaute man die Thermes de Salies-de-Béarn. Das prächtige Gebäude mit angeschlossener Parklandschaft lässt noch etwas von dem Glanz des Kurbetriebs der Belle Époque erahnen.

Les Thermes

de Salies-de-Béarn

Die diversen Substanzen geben dem Salz neben leicht rosiger, manchmal gelblicher Färbung auch besondere geschmackliche Nuancen mit, die es bei vielen Köchen zur bevorzugten Speisewürze machen. Wie bei der Meersalzgewinnung entsteht auch in den Salzpfannen als oberste Schicht das fleur de sel, das wegen seiner lockeren, flockigen Konsistenz beliebt ist. 

Jedes Jahr am zweiten September-Wochenende steht die Stadt ganz im Zeichen des Salzes: Bei der Fête du Sel feiert man das weiße Gold in allen künstlerischen, historischen, sportiven und natürlich kulinarischen Spielarten.

Heute wird die Sole in unterirdischen Kanälen von den Quellen zu den Thermen bzw. zu den Siedestätten geleitet. Früher wurde sie in großen, fassähnlichen Bottichen transportiert. Ein solcher samau (auch sameau geschrieben) ist im Ortswappen abgebildet, und das offizielle Emblem der Salzsieder von Salies zeigt zwei Träger, die einen Samau an einer langen Stange geschultert haben.

Weitere interessante Informationen zur Salzhistorie von Salies-de-Béarn findet man im →Musée du Sel et des traditions béarnaises.

Viele berühmte Käse-, Wurst- oder Schinkenspezialitäten konnten nur mit Hilfe des Salies-Salzes produziert werden. Das Sel de Salies-de-Béarn wurde 2016 als →IGP anerkannt.

Für den überregional bekannten jambon aus →Bayonne, 50km weiter westlich, schreiben die IGP-Kriterien explizit die Verwendung des hiesigen Salzes vor. Das blütenförmige Zeichen des Bayonner Schinkens in der Mitte des Salz-Emblems zeigt, dass die Schinkenmacher aus Bayonne inzwischen fest in das bereits erwähnte Part-Prenants-System eingebunden sind.

la piperade

Natürlich kommt das hiesige Salz auch bei einer piperade zum Einsatz, einem würzigen Paprika-Eier-Gericht, das im Baskenland beliebt ist.

Die Piperade ist eine der zahlreichen Schwestern der →Ratatouille.

Die Hauptzutat einer Piperade sind →Paprikaschoten mit unterschiedlichen Schärfegraden, die im Französischen →piment und im Baskenland biper oder pipèr genannt werden. Dazu kommen unbedingt Zwiebeln und Tomaten. Aber jetzt fangen die Unterschiede an, über die man so schön und im wahrsten Sinn des Wortes genüsslich streiten kann. Nimmt man besser eine geschmiedete oder eine gusseiserne Pfanne, um das gestückelte Gemüse in Öl anzubraten? Oder kommt alles in eine cazuela, ein kleineres Keramikgefäß, das der cassole nicht nur namentlich ähnelt, in der weiter östlich das →Cassoulet zubereitet wird?

Ganz unversöhnlich stehen sich Befürworter und Gegner von Gemüsepaprika gegenüber: Ist er als geschmacksverbindendes Element nötig oder verdünnt er gerade diese Aromen unnötig mit seinem hohen Wassergehalt?

Shakshuka

Und: Eier sind in jeder Piperade willkommen! Aber: Schon beim Anbraten zugeben und zu kleinen Klümpchen werden lassen, oder als separat gebratenes Spiegelei oder eher ähnlich wie bei einer Shakshuka (s.u.!)?

In Salies werden solche Fragen seit 1998 jeweils am 15.August bei der Piperadère neu geklärt. Ein Höhepunkt des Festes ist der Wettstreit von Köcheteams um die Zubereitung der besten piperade béarnaise. Die Gewinner dürfen sich ein Jahr lang rois de la piperadère nennen!

shakshuka

Bunte Mischungen wie die Gemüsekombi der Piperade nennt man im Arabischen shakshuka. So heißt denn auch ein in ganz Nordafrika und im Nahen Osten bis in die Türkei beliebtes Gericht, das der Piperade sehr ähnelt. Vor allem in Israel, wo die Shakshuka fast als National-Frühstück gilt, werden kurz vor dem Ende Mulden in die Gemüsemischung gedrückt, in die man jeweils ein Ei gleiten lässt. Wenn die Eier bei aufgelegtem Deckel ein paar Minuten →pochiert wurden, kommt am Besten die Pfanne mitten auf den Tisch und jeder langt – mit Fladenbrot – nach Gusto zu …

Auf der italienischen Insel →Pantelleria, die dem afrikanischen Kontinent näher ist als dem italienischen Stiefel, liebt man die caponata. Die Gemüse-Mischung heißt im Inseldialekt sciakisciuka.

Da wir gerade im Béarn sind:

Die Mutter aller Buttersaucen ist die sauce béarnaise, jene vielfältig einsetzbare Emulsion aus Eigelb, wässriger Flüssigkeit und Butter. Sie hat allerdings nicht in dieser Region ihren Ursprung. Vermutlich wurde sie von einem Koch namens Collinet im Paris des 19.Jhs. so benannt, der aus dem Béarn stammte und so seiner fernen Heimat eine Reminiszenz erweisen wollte. Keine schlechte Wahl, wenngleich es feine Buttersaucen natürlich auch schon lange vor Collinets Zeiten gab. Aber ganz bestimmt auch im Béarn!

Sauce béarnaise