Ulis Culinaria

Saint-Malo

Der Mündungstrichter des bretonischen Flüsschens Rance schneidet tief ins Land ein, und hier schaukeln sich die Gezeiten des Ärmelkanals und die Strömung des Flusses im Mondrhytmus zu einem Tidenhub von stattlichen 14m auf. Um die enormen Kräfte zu nutzen, die dabei frei werden, wurde 1967 die Usine marémotrice de la Rance eingeweiht, das seinerzeit größte Gezeitenkraftwerk der Welt.

Nur wenige Kilometer flussabwärts, direkt an der Mündung in den Ärmelkanal, liegt Saint-Malo. Neben dem Fischfang dienten die ausgedehnten Hafenanlagen über Jahrhunderte dem Seehandel, der Schmuggel-Schifferei und der Piraterie als Stützpunkt, was den malouins einen gewissen Wohlstand garantierte. Davon zeugt auch die historische Altstadt auf einer vorgelagerten Insel, die nach fast völliger Zerstörung bei den Bombardierungen zum Ende des 2. Weltkrieges originalgetreu restauriert wurde.

Sauce Saint-Malo

Unter Feinschmeckern verbindet sich der Ort eher mit der Sauce Saint-Malo. Auguste →Escoffier empfiehlt diese Variante einer sauce blanche in seinem Guide Culinaire besonders zu gegrilltem Seefisch. Eine Weißwein-Schalotten-Reduktion wird mit Eigelb und zerriebenen anchois (alternativ: Sardellenbutter) gebunden, mit Senf abgeschmeckt und mit Butterflöckchen schaumig montiert.

Ein Grund für die namentliche Verbindung zwischen dem Hafenstädtchen und der feinen Sauce lässt sich nicht wirklich feststellen. Allerdings ist der Seefisch, zu dem sie laut Escoffier so gut passt, nach dem Bau des Gezeitenkraftwerks in die Schlagzeilen geraten: Umweltschützer und Flussfischer beklagten, dass das Bauwerk etlichen Fischen und anderen Meeresbewohnern, die zwischen Salz- und Süßwasser hin- und herwandern, den Weg abgeschneidet. Durch die Veränderung des Salzgehaltes kam das gesamte Ökosystem der Rance-Mündung aus dem Gleichgewicht. In den 1960er Jahren zählte der Begriff erneuerbare Energiequellen noch nicht zum öffentlichen Wortschatz. Aber schon damals wurde hier sichtbar, dass auch Versuche einer nachhaltigen Energiegewinnung mit anderen ökologischen Interessen kollidieren können.

erneuerbare Energie vs. Naturschutz ...?